War das jetzt eine deutsche Wahl?
Wer die Reaktionen auf die Wahl in Frankreich liest, könnte meinen, dies sei eine deutsche Wahl gewesen. Die Kommentare aus Berlin kamen fast noch schneller als aus Paris – und sie strotzen vor Selbstzufriedenheit.
So twitterte Kanzleramtsminister Altmeier noch am Wahlabend, das französische Wahlergebnis habe gezeigt, dass „die Mitte stärker ist als die Populisten glauben“.
„Frankreich UND Europa können gemeinsam gewinnen!“, freute sich der Wahlkampf-Manager von Kanzlerin Merkel. Dass alle Pariser Parteien, die mit Merkel zusammenarbeiten durften, verloren haben, erwähnte er nicht.
Regierungssprecher Seibert war natürlich auch begeistert: „Gut, dass @EmmanuelMacron mit seinem Kurs für eine starke EU + soziale Marktwirtschaft Erfolg hatte“, twitterte er.
Mit der „sozialen Marktwirtschaft“ meint er vermutlich die Arbeitsmarkt-Reformen, die Macron nach deutschem Vorbild durchboxte, und die zum Untergang von Präsident Hollande führten?
Bezeichnend auch die Reaktion des BDI: Er betont, dass Deutschland Frankreichs wichtigster Handelspartner sei (was nicht mehr ganz stimmt). Deshalb müsse alles wie gehabt weitergehen.
Nur Grüne und Linke im Europaparlament gossen Wasser in den deutschen Wein. Der Grüne S. Giegold sieht eine deutsche Mitschuld beim Vormarsch des Front National:
„Wir dürfen nicht länger verschweigen, dass die deutsche Dominanz in der EU den Europafrust in vielen Ländern fördert. 21 Prozent für Le Pen sind auch ein Resultat der deutschen Schulmeisterei in Europa.“
Und die Linken feiern nicht nur den „französischen Bernie Sanders“ Mélenchon, sondern warnen auch vor einem weiteren Aufstieg Le Pens. Zitat F. De Masi:
„Ich stimme Didier Eribon zu, dass der Garçon von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble, Emmanuel Macron, mit seinem Programm die Le Pens weiter stärken wird.“
Naja, erstmal lässt sich der Garcon feiern. Am Wahlabend fuhr er schon durch Paris wie ein Präsident; jetzt muss er nur noch schnell einen neuen Termin in Berlin machen…
Siehe auch: „Warum Frankreich (auch) über Merkel abstimmt“
Manifesto
24. April 2017 @ 10:51
@Oudejans:
Nicht, dass wir uns falsch verstehen, ich bin alles andere als ein Macron-Fan. Ich beschreibe das nur aus Sicht der „Etablierten“.
Aber glauben Sie wirklich, dass Le Pen noch eine Chance hat? Ich nicht.
Oudejans
24. April 2017 @ 11:42
Weder sehe ich einen neuerlichen Trump-Moment gebannt, noch muß Macron der Präsident werden, den die deutsche Presse gerade feiert. Macron soll ja der Präsident Frankreichs werden, auch wenn er kürzlich mit der Mitteilung überraschte, eine französische Kultur gäbe es gar nicht, und auch, obwohl ich gestern in einer englischen, aber wohl ernst gemeinten Aufstellung las, sein bevorzugter Roter sei ein Lafite-Rothschild. Wenn Kapitalismus eine Tabledance-Soirée ist, beginnt gerade der pornografische Teil des Abends.
Manifesto
24. April 2017 @ 13:36
Ja, da stimme ich Ihnen vollumfänglich zu. Bis auf den „Trump-Moment“. Diesbezüglich bin ich fast geneigt zu sagen: Leider! Schon schlimm, dass das alles so weit kommen musste und dass ich so empfinde.
Aber diejenigen, die ihren Macron jetzt feiern, werden schon noch ihr blaues Wunder erleben. Da bin ich mir sicher.
Oudejans
24. April 2017 @ 10:16
Man lobe den Tag nicht vor der Endrunde.
Manifesto
24. April 2017 @ 10:00
In gewisser Weise war das ja auch eine deutsche Wahl. Man kann die Steine, die der deutschen Politik von den Herzen fallen ja förmlich hören.
Man darf ja nicht übersehen dass eine Präsidentin Le Pen alles auf den Kopf gestellt hätte. Sie wäre womöglich der Todesstoß für EU und Euro gewesen. Deutschland hängt eben auch maßgeblich von seinem Umfeld ab. Fiele da der Dominostein Frankreich wär´s das gewesen.
Aber es wird sich m.E. viel zu früh gefreut. Sicher ist dieses Ergebnis nach Brexit, Trump, Erdogan uvm. erstmal Balsam auf die geschundenen Seelen. Aber mehr als die Verhinderung des absoluten Supergau ist das nicht.