Vorbild Island?

Island muss britische und niederländische Sparer nicht für die Pleite der Onlinebank Icesave entschädigen. Dies hat  der Gerichtshof der europäischen Freihandelszone EFTA entschieden, wie “Telepolis” meldet. Auf den ersten Blick ist dies ein Sieg für die Regierung, die sich weigerte, mit Steuergeld für private Anlagen zu haften. Aber ist es auch ein Vorbild für Euroland?

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Selbst die “FAZ” hat sich diese Frage gestellt. Für alle, die mit der Krisenpolitik im Rest Europas unzufrieden sind, sei die Vulkaninsel zum leuchtenden Vorbild geworden, schrieb das Blatt bereits im Oktober, um fortzufahren:

Dort wurde gewagt, was anderswo auf Biegen und Brechen vermieden wird: Die Banken wurden nicht gerettet, sondern abgewickelt; über die Erstattung für ihre ausländischen Sparkunden hat nicht eine Politikerriege entschieden, sondern mittels Referendum das Volk; und als Voraussetzung für den Aufschwung der isländischen Exportwirtschaft hat sich als hilfreich erwiesen, dass die Krone als eigenständige Währung abwerten konnte.

Und nun wird dieser Kurs auch noch per Gericht bestätigt. Chapeau, möchte man rufen. Dennoch taugt Island nur bedingt als Vorbild. Denn zum einen zahlen die Isländer nun doch noch Entschädigungen an britische und niederländische Sparer – auf freiwilliger Basis.

Die wichtige Botschaft – Geldanlage im Ausland ist kein Rundumsorglos-Geschäft – wird somit verwässert, leider. Vor allem die Briten hätten einen Dämpfer verdient, nachdem sie versucht hatten, “ihr” Geld mit Hilfe der Antiterror-Gesetze einzutreiben.

Zum anderen kann es sich eine Währungsunion kaum leisten, so zu verfahren wie eine Insel. Man stelle sich nur vor, was passiert wäre, wenn Spanien seine Pleitebanken einfach scheitern ließe – und sich weigerte, ausländische Anleger zu entschädigen.

Sofort würden die deutschen Banken wackeln, die europaweit am stärksten in Spanien engagiert sind. Am Tag danach würde das Erdbeben ganz Euroland erfassen – mit unabsehbaren Folgen.

Zudem würden die Anleger sofort ihr Geld aus Spanien abziehen. Island hat deshalb strikte Kapitalkontrollen eingeführt. Über ähnliche Notmaßnahmen hat die Eurogruppe zwar auf dem Höhepunkt der “Grexit”-Krise auch nachgedacht (siehe “Grexit = Notstand”). Vermutlich hat man die Pläne auch immer noch in der Schublade – für alle Fälle. Doch vor der Umsetzung schreckt man zurück.

Man kann das “isländische Modell” also nicht einfach auf Europa übertragen; die Eurozone ist keine Insel, und hier gilt immer noch das Dogma des freien Kapitalverkehrs (eine “Grundfreiheit” des EU-Binnenmarkts). Aber man kann und muss etwas gegen den Teufelskreis tun, der eine Bankenkrise im Nu in eine Staatsschuldenkrise verwandelt.

Genau dafür brauchen wir die Bankenunion. Dabei geht es nicht nur um die gemeinsame Aufsicht, die nun – wenn auch zögerlich und unvollständig – eingeführt wird. Es geht auch um gemeinsame Regeln für die Einlagensicherung, und um einen Fonds für die Abwicklung von Pleitebanken. Doch da tut sich bisher erschreckend wenig.

Während Island sehr schnell auf die Bankenkrise reagiert hat, braucht Euroland Jahre, vermutlich Jahrzehnte – nicht zuletzt, weil Berlin bei der Bankenunion bremst. Während die isländische Wirtschaft schon wieder wächst, steckt Europa in einer tiefen Rezession (siehe “Die Krisen hinter der Krise”) – nicht zuletzt, weil Berlin einseitig aufs Sparen setzt.

Die Isländer können froh sein, dass sie nicht von Brüssel und Berlin regiert werden, so viel lässt sich mit Sicherheit sagen. Übrigens haben sie die Beitrittsverhandlungen mit der EU ausgesetzt. Offiziell wegen des Wahlkampfes, aber auch das Euro-Debakel dürfte die Lust auf Europa dämpfen…

Hinweis: Zum Thema Bankenunion nehme ich heute Abend an einem Video-Hangout teil, mehr dazu hier