Von wegen Schicksal

„Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen.” Auch wenn er im Bierzelt gesprochen wurde, hat dieser Satz von Kanzlerin Merkel die EU elektrisiert. Ist sie plötzlich bereit, für ein souveränes Europa einzutreten?


Schön wär’s. Schließlich hat schon Ex-Kanzler Schröder den USA das Vertrauen entzogen und – im Irakkrieg – auf eine eigenständige EU gesetzt. Sogar von einer europäischen Nato war die Rede.

Davon sind wir heute weit entfernt. 15 Jahre nach dem Streit zwischen „alten und neuen Europäern“ ist die EU sogar sicherheitspolitisch zurückgefallen; sie lässt sich sogar von Russland vorführen.

Auch sonst sieht es nicht gut aus um ein eigenständiges Europa. Die EU ist in allen wichtigen Feldern geschwächt – und oft war es Merkel, die dafür sorgte, dass wir von den USA abhängig bleiben:

  • Sicherheitspolitik: Die EU ist heute völlig von Nato und damit von den USA abhängig. Sie hat keinen eigenen europäischen  „Pfeiler“ in der Allianz errichtet, wie dies Frankreich wollte, und auch kein Militärhauptquartier, wie dies Schröder plante. Die neue, winzige EU-Kommandozentrale darf nicht einmal das Wort „Hauptquartier“ verwenden…
  • Budget: Das EU-Budget wurde von Merkel und dem britischen Exp-Premier Cameron zusammengeschrumpft. Das Geld reicht hinten und vorne nicht, Merkel hat sich zudem gegen neue EU-Steuern oder andere Eigenmittel gesperrt. Deshalb musste die Hilfe für die Türkei außerhalb des EU-Budgets finanziert werden, sozusagen mit dem Klingelbeutel.
  • Euro: Die Gemeinschaftswährung hat sich von der jahrelangen Krise erholt. Bei Bailouts ist sie aber immer noch vom IWF abhängig, den Merkel ins Boot geholt. Dies führt zu jahrelangen Hängepartien, wie wir gerade wieder an  Griechenland sehen. Auch die Bankenunion wurde von Berlin verschleppt.
  • Flüchtlinge: In der Flüchtlingspolitik hat sich die EU von Drittländern wie Türkei oder Libyen abhängig gemacht. Die Initiative ging dabei von Merkel aus. Die geplante Umverteilung von Flüchtlingen kommt nicht voran; von einer funktionierenden europäischen Flüchtlingspolitik kann keine Rede sein.
  • Klima: In der Klimapolitik präsentiert sich die EU gern als Vorreiterin. Doch die Wahrheit seit anders aus: Polen steht massiv auf der Bremse, selbst Deutschland dürfte seine nationalen Klimaziele verfehlen. Daheim in Berlin nimmt Merkel – genau wie US-Präsdient Trump – immer noch Rücksicht auf mächtige Industrielobbies.
  • Handel: Hier ist die EU tatsächlich eine Großmacht. Doch die Vorteile des Freihandels sind ungleich verteilt. Sie kommen vor allem Deutschland zugute, das sich unter Merkel für immer neue, bilaterale Abkommen stark macht (TTIP, Indien…). Der deutsche Handelsbilanzüberschuss wird nun sogar für Frankreich zum Problem!

Fazit: Merkel muss sich vor allem an die eigene Nase fassen, wenn es um die Schwäche Europas geht. Ein Konzept für eine souveräne EU hat sie bisher nicht vorgelegt.

Davon spricht nur Frankreichs Präsident Macron – doch ist Merkel tatsächlich bereit, Macht abzugeben? Die Erfahrung der letzten JahrzehnteJahre spricht dagegen…

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Deliberation Daily

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