Von wegen Energieunion
Die geplante neue Energieunion sorgt in Brüssel gleich beim ersten Ministertreffen für Streit. Berlin stellt sich gegen London, Paris und Warschau. Deutsche Privilegien werden natürlich verteidigt.
Fehlstart für die Energieunion: Nur eine Woche, nachdem die EU-Kommission ihr neues Projekt für eine europäische Energiewende enthüllt hat, sorgte es im Ministerrat für Zoff.
Ausgerechnet die Grundidee, sich durch den gemeinsamen Einkauf von Erdgas unabhängiger von Russland zu machen, ist umstritten. Auch die Atomkraft sorgt für Zoff unter den 28 EU-Staaten.
Bundeswirtschaftsminister Gabriel teilte in gewohnt deftiger Manier aus. Die Energieunion und der (immer noch nicht vollendete) Energie-Binnenmarkt seien ein „wichtiges Projekt“, setzte er an.
Es könne jedoch nicht sein, dass die EU nun wieder die „Uralt-Technologie“ Atomkraft fördere. Genau das hatten acht Staaten, darunter Frankreich, Großbritannien und Polen, in einem Brief gefordert.
Nein sagte Gabriel auch zu den Überlegungen, ein staatliches Käuferkartell auf dem Gasmarkt zu bilden, um Russland zu Konzessionen zu zwingen.
Das wäre eine „Re-Verstaatlichung“, sagte der SPD-Chef. Für Kauf und Verkauf von Gas seien aber die Unternehmen zuständig, so der neue Genosse der Bosse.
Was Gabriel verschweigt: Deutschland bekommt via North Stream besonders billig Gas aus Russland. Der Deal war mit staatlicher Hilfe eingefädelt werden, Schröder lässt grüßen.
Der Staat hat in Deutschland auch die Energiewende erzwungen – gegen die Unternehmen. Zudem subventioniert Berlin durch Ausnahmen im EEG-Gesetz den Industriestrom.
Der EU-Kommission war dies lange ein Dorn im Auge. Nun hat sie den Kampf wohl aufgegeben. Doch dass nun Gabriel anderen EU-Staaten verwehren will, zusammenzurücken, ist ein starkes Stück.
Energieunion? Von wegen! Gabriel lehnt sie ab, wie auch die „Süddeutsche“ notiert. Der nächste EU-Gipfel könnte lustig werden – denn da steht das neue Streitthema ganz oben auf der Agenda.
Siehe zu diesem Thema auch „Neue deutsche Frage“
Nemschak
7. März 2015 @ 19:01
@ebo Österreich lehnt (meines Erachtens aus irrationalen Gründen) Atomstrom, der für einen diversifizierten Energiemix sinnvoll wäre, ab. Trotzdem könnte ein europäischer Energiemix Atomstrom beinhalten, so ferne der Konsument die Möglichkeit hat „grünen“ Strom zu beziehen, was heute schon möglich ist. Es gibt Anbieter, die damit werben. Die polnische Situation kenne ich zu wenig.
Habnix
6. März 2015 @ 18:00
Gabriel hat doch gar nichts zu sagen.
Tim
6. März 2015 @ 11:07
Einfach nur lustig, wenn ein deutscher Minister Verstaatlichungen im Energiesektor anprangert. Der deutsche Energiesektor ist ja nun definitiv extrem wenig marktwirtschaftlich. Kein gutes Argument von Gabriel.
Und „Uralt-Technologie“ ist die Kernkraft wirklich nur in Deutschland.
Nemschak
7. März 2015 @ 08:21
Die deutsche Energiewende war vom populistischen Sendungsbewusstsein der Bundeskanzlerin nach Fukushima getragen. In Frankreich fehlt eine mittelfristige Energiepolitik überhaupt. Areva, der französische Atomkonzern muss von der Regierung gerettet werden. Vor diesem Hintergrund tut sich eine gemeinsame Energiepolitik naturgemäß schwer.
ebo
7. März 2015 @ 11:57
Ich teile Ihre Analyse. Aber was sagen Sie zu den Polen? Und was ist mit Österreich, das AKW komplett ablehnt?
Nemschak
6. März 2015 @ 10:47
Nicht nur Deutschland, auch die anderen verteidigen ihre Interessen. Ist doch legitim, oder?
ebo
6. März 2015 @ 10:56
Aber sicher doch. Aber es fällt schon auf, dass North Stream ohne Probleme gebaut wurde und Deutschland eine sichere Gasversorgung aus Russland sichert, während die EU-Kommission bei South Stream tausend Bedenken hatte,bis das Projekt platzte. Nun will Berlin wiederum verhindern, dass sich Polen u.a. nach GEMEINSAMEN Lösungen umsehen. Wenn jeder nur für sich kämpft, ist es keine EnergieUNION…
GS
6. März 2015 @ 11:59
Darfst aber auch dazu sagen, dass die Polen seinerzeit alles versucht haben, um North Stream zu verhindern. Und jetzt wollen sie plötzlich was vom Kuchen ab. So geht’s halt auch nicht.