Auf schlechte Nachbarschaft

Der EU-Gipfel in Vilnius war ein Desaster. Er hat die Ukraine gespalten, Russland provoziert und in drei peripheren osteuropäischen Ländern falsche Hoffnungen geweckt. Schlimmer noch: Er hat wieder einmal bewiesen, dass die EU keine außenpolitische Strategie hat.

Vom Atlantik bis zum Ural müsse das neue Europa reichen, sagte der alte General de Gaulle. Altbundeskanzler Adenauer hatte ähnliche Visionen. Das war im Kalten Krieg, die Pläne waren undurchführbar.

Nun ist die Mauer schon mehr als zwanzig Jahre weg, und was haben wir erreicht? Eine sinnlose Konfrontation mit Russland, das De Gaulle noch als wichtigen potentiellen Partner sah.

Und eine Zerreißprobe in der Ukraine, die vor die falsche Wahl zwischen Europa und Russland gestellt wurde. Dabei gehört sie seit jeher zu beiden. Eine kluge EU-Außenpolitik hätte den Spagat gewagt.

Statt dessen: Konfrontation. “Hände weg von der Ukraine”, warnte die EU auf ihrem bizarren Ostgipfel in Vilnius. “Wir können keinerlei Vetorecht von Drittstaaten hinnehmen”, drohte Kommissionschef Barroso.

Ausgerechnet Barroso. Der Mann, der mit Bush jun. in den Irakkrieg zog, hat Russland gewiss keine Vorschriften zu machen. Schon gar nicht, wenn er keine EU- , sondern eine US- und Nato-Agenda verfolgt.

Die USA und die Nato wollten den “Westen” schon immer bis an Russlands Grenzen ausdehnen und am Kaukasus Fuss fassen. Das ist nun endlich gelungen – mit dem Assoziierungsabkommen mit Georgien.

Dabei ist Georgen gewiss kein “Nachbar” Europas, genauso wenig wie unser neuer “Partner” Aserbaidschan. Die Nachbarschaftspolitik im Osten ist eine Farce, die “strategische Partnerschaft” mit Russland auch.

Gleichzeitig sehen die Europäer hilflos zu, wie ihre wirklich wichtigen Nachbarn am Mittelmeer in Gewalt und Chaos versinken. Tunesien, Libyen, Syrien, Libanon – gab es da nicht mal eine Mittelmeerunion?

Und wie war das noch gleich mit Israel? Wollten wir nicht eine Zweistaaten-Lösung, und ein Abkommen mit Iran? Israel setzt sich über beides hinweg, doch die Europäer machen weiter, als sei nichts geschehen.

De Gaulle und Adenauer würden sich im Grabe umdrehen, wenn dieses außenpolitische Trauerspiel erleben könnten…