Dilletantismus und Nationalismus

Folgt auf den Umsturz in der Ukraine ein Krieg? Die Spannungen auf der Krim lassen das Schlimmste fürchten. Doch es ist nicht nur Russland, das an der Lunte zündelt. Auch die EUropäer trifft Mitschuld an der Eskalation. Ihre dilletantische Außenpolitik schürt Nationalismus auf beiden Seiten. 

Was, die EUropäer? Sind das nicht jene, die es besser machen wollten? Hat die EU nicht das Blutbad in Kiew gestoppt und alles getan, um eine Eskalation zu vermeiden?

Eben nicht. Die EU ging – um mit M. Weber zu sprechen – gesinnungsethisch an die Ukraine heran: “Wir wollen doch nur europäische Werte verteidigen! Hier sterben Menschen für die EU!”

Dabei blieb die Verantwortungsethik auf der Strecke. Sie hätte es geboten, jeden Schritt Richtung Westen mit Russland abzusprechen – und die Opposition in die Verantwortung zu nehmen.

Stattdessen haben sich die EU-Vertreter von allen Beteiligten zum Narren halten lassen – und als unfähig erwiesen, darauf angemessen zu reagieren.

  • Von Janukowitsch: Jahrelang hatte die EU mit dem demokratisch gewählten Präsidenten verhandelt, dann lehnte er das Assoziierungsabkommen ab: erste Klatsche.
  • Von den USA: Das “Fuck the EU”-Video war ein handfester Beleg dafür, dass die USA in der Ukraine ohne und sogar gegen die EU arbeiten: zweite Klatsche (ihr Favorit ist jetzt Premier :-)).
  • Von der ehemaligen Opposition: Sie hat die EU-Vermittlung in der Blutnacht von Kiew nie akzeptiert, sondern sofort alle Absprachen gebrochen – dritte Klatsche.
  • Von der neuen Regierung: sie ist weder inklusiv noch gemäßigt. Dennoch erkennt die EU das neue Regime an, Brüssel verspricht sogar Finanzspritzen am Europaparlament vorbei.
  • Von Russland: Der “strategische Partner” wurde von vorneherein übergangen und revanchiert sich auf seine Art: mit der rücksichtslosen Inbesitznahme (Annektierung?) der Krim.
  • Von der Türkei: Der EU-Beitrittskandidat gießt genüsslich Öl ins Feuer, angeblich wurden die Krim-Tataren sogar zu Anschlägen gegen Russland angestachelt.

Der größte Fehler war es jedoch im Rückblick, die Gefahr zu unterschätzen, die vom Nationalismus in der Ukraine und in Russland ausgeht.

Schon Anfang Dezember verschwanden die EU-Fahnen auf dem Maidan, radikale Nationalisten übernahmen mehr und mehr das Kommando.

Nach dem Umsturz stürzten sie überall im Lande Lenin-Statuen, die russische Sprache wurde unterdrückt.

Die EU schwieg zu alldem. Sie schwieg auch, als der russische Nationalismus sein hässliches Gesicht zeigte.

Dabei sollten wir spätestens seit der Französischen Revolution um den Zusammenhang zwischen Umsturz, Nationalismus und Krieg wissen…

Siehe zu diesem Thema auch meine Linksammlung sowie  “The New Great Game” (vom 8.12.!)