Und jetzt Frankreich?
Der Machtkampf um Europa geht weiter. Denn der Grexit ist längst nicht vom Tisch; ein Rauswurf Griechenlands könnte die alte Kerneuropa-Debatte wiederbeleben. Zielt Finanzminister Schäuble nun auf Frankreich?
Schon vor dem Chaos-Gipfel zu Griechenland hat Schäuble erklärt, er wolle die Eurozone gerne enger zusammenschließen, natürlich nach harten deutschen Regeln.
Nun gibt er zu Protokoll, dass er für seinen Kurs kämpfen und zur Not auch mit Rücktritt drohen werde. Der Machtkampf in Berlin geht also weiter; diesmal geht es ums Ganze.
Denn viele vermuten, dass Schäuble seinen alten Traum vom “Kerneuropa” verwirklichen möchte. Als er ihn in den 90er Jahren entwarf, sollte der “Kern” noch von Berlin und Paris gebildet werden.
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winston
21. Juli 2015 @ 19:47
Der Euro ist weder eine Währung noch ist die EZB eine Zentralbank, da die EZ kein Staat ist.
Jede Währung und jede Zentralbank unterliegt einem Staat.
Die EZ ist ein abgrundtiefes neoliberales Konstrukt, deren Technokraten ohne Legitimation und weit weg vom demokratischen Prozess in souveräne Staaten eingreifen.
Ein Staat mit monetären und Geldpolitischen Hoheit kann der Markt nix anhaben.
Bezüglich Italien:
Italien ist der grösste Verlierer des Euros und wäre der grösste Gewinner bei einem Austritt aus dem Euro, da Italien hinter Deutschland die zweit grösste Manufaktur Nation in Europa ist, “noch”, trotz Krise.
Italien ist in der Lage alles selbst herzustellen was es braucht, ausser Öl und Gas. Bei einer eigenen Währung würde die Nachfrage in Italien nach eigenen Produkten massiv steigen und Italien wäre innerhalb kürzester Zeit aus der Krise raus, übrigens die Längste seit seiner Gründung.
Grösstes Problem Italiens sind die absolut unfähigen Politiker, da hat Nemschak recht. Der Hauptgrund dieser Krise ist es aber nicht, schliesslich war die Leistungsbilanz Italiens in den 90er Jahren besser als die Deutsche, die Qualität der Politiker in Italien war nicht viel besser als heute, Wobei Berlusconi bezüglich Wirtschaft und Finanzen mehr wusste als die gesamte Linke.
Leistungsbilanz Italien vs. Deutschland.
http://www.tradingeconomics.com/italy/current-account
Hätte Italien vernünftige Politiker wäre es schon längst aus dem Euro ausgetreten, übrigens auch Frankreich.
Beate
20. Juli 2015 @ 11:58
Das Grexitgerede hat für die deutsche Industrie einen angenehmen Seiteneffekt. Ihre Konkurrenten in den Partnerländern können ihre Kredite nur noch mit hohen Aufschlägen refinanzieren. Was deren Produkte teurer macht.
Der Finanzmarkt mit seinen Risikoaufschlägen bestimmt also wer dazu gehören wird und nicht.
Italien nicht.
Peter Nemschak
20. Juli 2015 @ 16:08
….was beweist, dass eine solide Haushaltspolitik aller guten Dinge Anfang ist. Besonders stabil und vertrauenerweckend war die italienische Politik der letzten 70 Jahre gerade nicht. oder irren die Finanzmärkte?
S.B.
20. Juli 2015 @ 16:11
@Beate: Risikoaufschläge sind ein gewöhnlicher Mechanismus der Finanzmärkte. Der Euro stellt eine Manipulation der Risikoaufschläge für die ehemaligen Schwachwährungsländer dar. Für einige Jahre konnten diese sich außergewöhnlich günstig refinanzieren. Dafür müssen sie mit einer für ihre Verhältnisse zu starken Währung leben. Vor dem Euro war es genau andersherum und es hat halbwegs funktioniert. Die Südländer konnten vor allem flexibel auf die Finanzmärkte reagieren, was sie jetzt nicht mehr können. Im Euro kann es zudem zu Konstellationen kommen, in denen die Südländer beide Nachteile schlucken müssen: hohe Refinanzierungskosten und eine zu starke Währung. Dann sitzen sie noch tiefer in der Euro-Falle. In der Währungsunion passt es eben hinten und vorne nicht. Und das soll eine Partnerschaft sein? Dann will ich keine Feindschaft sehen! Fazit: Der Euro in dieser Form muss wieder rückgängig gemacht werden.
Kellermann
20. Juli 2015 @ 11:21
Es kann nur ein EUROPA geben ,ein Europa unterschiedlicher Nationalstaaten und guter Nachbarschaft . Wettbewerb wird es immer geben und jedes Land soll für sich entscheiden , wie viel Wettbewerb es sich zumuten will .Toleranz zu üben , ist auch nur möglich , wenn es Unterschiede gibt . Gut , daß die Europäer so unterschiedlich sind und hoffentlich bleiben sie es auch noch eine Weile . Anpassungen wird es sowieso geben .Aber bitte nicht durch fremde EINMISCHUNG UND VORSCHRIFT .
S.B.
20. Juli 2015 @ 11:51
@Kellermann: Volle Zustimmung! Was wir derzeit sehen ist ein SchuldenKRIEG, eingepackt im Mäntelchen der EU-Partnerschaft. Piep, piep, piep, wir haben uns ja ach so lieb, führen aber trotzdem Krieg. Da haben wir aber wirklich was gekonnt…mit EU und Euro als “friedensstiftenden” Institutionen.
Um nicht allzu zynisch zu sein, möchte ich den Politikern, welche die EU seinerzeit konstruiert und vereinbart haben, keinen bösen Willen und die entsprechend guten Absichten für dieses politische Projekt unterstellen.
Die Einführung des Euro sehe ich insoweit allerdings schon wieder anders. Hier gab es genügend vernünftige und fachkundige Stimmen, welche auf das nunmehr eingetretene Szenario mit aller Deutlichkeit hingewiesen haben. Die Politik hat diese Meinungen um des EU-“Fortschritts” Willen schlichtweg ignoriert. Die damaligen Politiker tragen ganz klar Verantwortung für das jetzige Euro-Chaos und den damit gestifteten Unfrieden zwischen den Euro-Ländern. Fragt sich, ob, wann und wie sie zur Verantwortung gezogen werden.
Peter Nemschak
19. Juli 2015 @ 19:14
Es stellt sich die Frage, ob und inwieweit eine bürgerliche Mehrheit in Frankreich, die es irgendwann wieder einmal geben wird, bereit wäre Schäubles Plänen zu folgen. Dass die Roten sich schwer damit tun, ist klar. Sie haben andere Vorstellungen einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung als die Liberal-Konservativen. Wird interessant werden zu beobachten, ob die Trennlinien ideologisch oder nationalstaatlich verlaufen werden. Dass es genug Konfliktpotential zwischen den beiden Großen gibt, kommt nicht unerwartet. Auf der einen Seite wollen einige in Europa, dass Deutschland eine Führungsrolle übernimmt. Sobald Deutschland einen politischen Industriestandard vorgibt, ist es auch wieder nicht recht. Bleibt zu hoffen, dass sich das stärkere System im politischen Wettbewerb letztlich durchsetzen wird.
ebo
19. Juli 2015 @ 19:36
Genau das hoffe ich nicht, das wäre das Ende von EUropa. Einheit in Vielfalt heißt das Motto, nicht: The winner takes it all!
Peter Nemschak
19. Juli 2015 @ 20:16
Dann wäre es wohl das Beste, dem Euro so schnell wie möglich ade zu sagen. Kulturelle Vielfalt ist im übrigen auch bei einem einheitlichen wirtschaftspolitischen Ansatz möglich. Die Stärke der USA liegt gerade darin, dass sie ökonomisch trotz der Differenzen zwischen Republikanern und Demokraten ein marktwirtschaftliches Wirtschaftssystem haben, das dem Einzelnen größtmögliche Entfaltungsmöglichkeiten bietet und Grundlage für die globale Stärke der USA ist.
S.B.
20. Juli 2015 @ 09:56
@ebo: Was nicht angeht ist, dass alle beteiligten Länder politische und wirtschaftliche Vielfalt leben, aber dies auf Kosten nur weniger, schlimmstenfalls nur eines Landes. Am besten ist es deshalb jeder macht sein Ding. Das bedeutet Euro und EU ade. Dann leben alle in Vielfalt nach ihrer eigenen Façon. Kein Land bevormundet ein anderes und kein Land subventioniert ein anderes. Es entstehen keine Abhängigkeitsverhältnisse durch völlig überbordende Verschuldung, wie es mit GR besonders deutlich wurde. Aber es gibt auch wieder (sehr) unterschiedliche Lebenverhältnisse. Obwohl übrigens gerade die Angleichung der Lebensverhältnisse ein erklärtes Ziel von EU und Euro waren, sieht man am Fall GR überdeutlich, dass sogar dieses Ziel ins vollkommene Gegenteil umgeschlagen ist und damit völlig verfehlt wurde. Wozu brauchen die Menschen dann so ein (Fehl-) Konstrukt?