Turbulenzen in der Eurozone
An den Finanzmärkten wird wieder gegen den Euro spekuliert. Griechenland, Italien, Frankreich – in allen drei Ländern steigen die Risiko-Aufschläge. Lebt die Eurokrise wieder auf?
Erst machte die Bankenkrise in Italien die Anleger nervös. Dann war es der Präsidentschaftswahlkampf in Frankreich. Die Aussicht, dass Fillon abtritt und Le Pen doch noch siegen könnte, sorgte für Verkäufe.
Fillon macht zwar weiter, die Nervosität hat sich aber nicht gelegt. Nun konzentriert sie sich auf Griechenland. Der IWF ist geteilter Meinung, ob er sich am 3. Bailout beteiligen will. Finanzminister Schäuble droht mit Ausstieg.
Mit der realen Wirtschafts-Entwicklung hat die Unruhe nichts zu tun. Denn die Eurozone hängt derzeit sogar die US-Wirtschaft ab. Umso mehr geht es um Politik, um (egoistische) Wirtschaftspolitik.
US-Präsident Trump hat mit seinen Provokationen gegen den “weichen deutschen Euro” die Aasgeier aufgeschreckt. Doch statt auf den “Ausbeuterstaat” Deutschland stürzen sie sich auf die vermeintlich Schwächsten.
Es ist eine politische Krise, die von den Märkten verstärkt wird. Im Super-Wahljahr der EU ist das eine bedenkliche, ja gefährliche Entwicklung. Denn die Marktkrise heizt den politischen Streit an – und umgekehrt.
Meine größte Sorge ist, dass Schäuble diese brisante Lage nutzt, um auf dem Rücken Griechenlands einen harten Anti-SPD-Wahlkampf zu führen. Es wäre auch ein Wahlkampf gegen die Solidarität in Euroland…
Peter Nemschak
7. Februar 2017 @ 15:19
Die Spekulation richtet sich nicht gegen den Euro sondern potentielle Austrittskandidaten. “Wir müssen den Euro neu verhandeln”, so Professor Sinn. Er zeigt mehrere mögliche Optionen auf. Die am wenigsten schmerzhafte Variante wäre eine geordnete Austrittsmöglichkeit. Mir erscheint sie realistischer als eine Transferunion. Die EU könnte aus den Erfahrungen der USA nach ihrer Unabhängigkeit von Großbritannien im 18.Jhdt und frühen 19.Jhdt. lernen. Das Fed würde anders als die EZB keine Schuldpapiere der Gliedstaaten kaufen, Bundesstaaten der USA können insolvent werden, was periodisch passiert ohne die Bonität der Bundesschuld in Frage zu stellen.
ebo
7. Februar 2017 @ 15:23
Herr Sinn ist pensioniert und hat keine EU-Funktion, nur zur Info
Peter Nemschak
7. Februar 2017 @ 15:26
Umso besser, da kann er die Situation distanziert und emotionslos beurteilen, Vor- und Nachteile aus ökonomischer und politischer Sicht abwägen.
S.B.
7. Februar 2017 @ 13:03
“Lebt die Eurokrise wieder auf?”
Sie lebt nicht wieder auf, weil sie nie weg war. Sie wurde nur mit Unmengen an frischem Geld zugeschüttet. Das so gesehen unterirdisch fortbestehende Euro-Schwelbrand frisst sich nun langsam wieder ans Tageslicht durch. Jetzt helfen nur noch Schuldenvergemeinschaftung und Transferunion (Gott bewahre!) oder Auflösung des Euro.
“Es wäre auch ein Wahlkampf gegen die Solidarität in Euroland…”
Alles, was in Richtung Griechenland geht, hat nichts mit Solidarität zu tun. Es sei denn, die Bankenrettung fällt jetzt auch schon unter diesen Begriff.
Abgesehen davon wären wir hier wieder bei den “gemeinsamen europäischen Werten”, zu denen auch die Solidarität als Schlagwort zählt. Inhaltlich bestimmt ist auch dieser Wert freilich nie worden. Wie also sollte ein Wahlkampf gegen einen inhaltlich nicht bestimmten Wert funktionieren? Dies geht wegen der Unbestimmtheit der Reichweite nur aus einer Richtung: nämlich von denen, die pauschal über “mangelnde” Solidarität jammern. Von denen wird ja nie begründet, worin genau der Mangel eigentlich besteht, was ja auch nicht geht, eben weil keiner weiß, was sie eigentlich zum Gegenstand hat.
@ebo: Es wäre doch einmal einen Artikel wert, sich mit der inhaltlichen Bestimmung der “gemeinsamen europäischen Werte” zu befassen. Die zentrale Frage ist: wie weit sollen diese Werte reichen? Die Spanne reicht nicht von Null (dann gäbe es ja keine), aber von Hilfe im unverschuldeten Notfall bis hin zu defacto unbegrenzter Solidarität, was aus Sicht der linken Polit-Eliten eine Schulden- und Transferunion ausmachen würde, oder anders ausgedrückt: die einen arbeiten für die anderen. Eine inhaltliche Ausgestaltung dieser Werte wäre eine wichtige Grundlage dafür, dass sich die EU-Bürger überhaupt über die Konsequenzen des Konstrukts EU im Klaren werden und darin entsprechend verorten können oder auch nicht.