Türkei bekommt mehr als EU-Länder
Angesichts des Flüchtlingszustroms in Griechenland schnürt die EU ein neues millionenschweres Nothilfe-Paket. In diesem Jahr sollen 300 Millionen Euro für humanitäre Hilfe bereitgestellt werden.
Allerdings werde davon nur ein Teil nach Griechenland gehen, heißt es in Brüssel. Das Geld soll aus den Hilfsfonds abgezweigt werden, die sonst für Afrika und andere arme Regionen bestimmt sind.
Das zeigt nicht nur, wie klamm die EU bereits ist. Es zeigt auch, dass sie mit zweierlei Maß misst. Denn allein für die Türkei werden dieses Jahr 3 Mrd. Euro bereitgestellt – zehn Mal so viel!
Und das soll nach dem Willen von Sultan Erdogan erst der Anfang sein. Erdogan fordert noch viel mehr Geld und droht, ansonsten noch mehr Flüchtlinge nach Griechenland zu schicken.
Wenn nicht alles täuscht, siegt auch in diesem Fall die Dreistigkeit. Für die EU-Länder, die den Schaden haben, dürfte am Ende deutlich weniger Geld übrig bleiben als für die Türkei…
So endet es, wenn man sich in die Hand von Hasardeuren begibt…- Mehr dazu hier
Peter Nemschak
2. März 2016 @ 21:38
Das nationale Interesse werden Sie nie los. Es würde sich in Zukunft an der Republik Europa festmachen. Die meisten Menschen brauchen das gemeinschaftsbildende Nationale für ihre Identität als Gegengewicht für die zunehmende Verdinglichung des Gesellschaftlichen. Für ein Weltbürgertum sind wenige geschaffen.
ebo
2. März 2016 @ 21:39
Weltbürger wie ich verzweifeln an diesem Europa…
Ute Plass
3. März 2016 @ 13:28
Das “nationale Interesse” geht Hand in Hand mit dem Kapital-Interesse und wird zu Herrschaftszwecken benutzt. Entsprechend soll Mensch sich systemisch einpassen.
Weil das “Sein Bewusstsein schafft und das Bewusstsein auch das Sein,
setze ich weiter auf Aufklärung und bin zuversichtlich dass immer mehr Menschen sehr wohl für ein WeltbürgerInnentum geschaffen sind.
Da nichts so bleibt wie es ist, werden auch sog. nationale Interessen irgend wann Geschichte sein.
Ute Plass
2. März 2016 @ 20:24
@kaush – ich interpretiere den Guérot/Menasse-Text über die Vision einer europäischen Republik nicht als neoliberales Grundkonzept, kann allerdings nachvollziehen, dass die von Ihnen zitierte Stelle missverstanden werden kann. Ich gehe vielmehr davon aus, dass es den Verfasserinnen des Manifest für eine europäische Republik auch um eine
andere, sprich solidarische Ökonomie geht, in der solch zerstörerischer Unsinn wie z.B. Autobahnen als just-in-time-Lager aufhört.
“Die Idee einer Europäischen Republik, in der die europäischen Regionen, ohne ihre Eigenart zu verlieren, in einem freien Zusammenschluss aufgehen, in den Rahmenbedingungen eines gemeinsamen Rechtszustandes, anstatt organisiert zu sein in Nationen, die miteinander konkurrieren – diese Idee wäre der normative Sollzustand, an dem wir jede europapolitische Entscheidung vernünftig messen könnten. Es gibt keine nationalen Interessen, es gibt menschliche Interessen, und diese sind im Alentejo keine anderen als in Hessen oder auf dem Peloponnes.”
http://diepresse.com/home/presseamsonntag/1379843/Manifest-fur-die-Begrundung-einer-Europaeischen-Republik
Auch die Tatsache, dass Ulrike Guérot an einer Degrowth-Konferenz teilnimmt,
spricht dafür, dass es ihr nicht um die Fortsetzung eines neoliberalen Wirtschaftens geht.
https://ubi-degrowth.eu/de/konferenz
Peter Nemschak
2. März 2016 @ 18:42
@ebo Genau deshalb wäre ein rechtzeitiges militärisches Eingreifen Europas, wie beschrieben, sinnvoll gewesen. Nicht Kleckern sondern Klotzen – so wie es von einer Weltmacht erwartet und akzeptiert wird: vollendete Tatsachen schaffen. Das spart Menschenleben und unschöne Szenen in Europa.
Ute Plass
2. März 2016 @ 14:01
@Peter Nemschak: “Die Realität ist schlimm genug.”
Ja, und warum? U.a. wegen buchhalterischem Denken, dass Menschen in ‘groben Kostenschätzungen’ abschreibt”.
Verlinke hier ich einen Beitrag, der sprichwörtlich grenzüberschreitend denkt und mutmaßlich auf die eine oder andere selbst gezogene Schmerzgrenze trifft: 😉
“Lust auf eine gemeinsame Welt
Ein futuristischer Entwurf für europäische Grenzenlosigkeit ”
http://monde-diplomatique.de/artikel/!5274030
Peter Nemschak
2. März 2016 @ 14:59
Mit Visionen allein kann man keine Politik machen. Wie manche meinen ist Politik das gleichbedeutend mit dem Bohren harter Bretter – ein mühsames Geschäft divergierende Interessen unter einen Hut zu bringen.
Ute Plass
2. März 2016 @ 16:48
“Mit Visionen allein kann man keine Politik machen”. Ja, aber ohne diese auch nicht 🙂
kaush
2. März 2016 @ 17:45
@Ute Plass
Haben Sie diese Horrorvision einer gemeinsamen Welt gelesen?
Ich bin schockiert. Wie hier unter ein neoliberales Grundkonzept, zum kaschieren ein bisschen Geschichte u. Romantik untergehoben wird… das ist schon der Hammer.
“…Die Tatsache, dass durch die bereits stattgefundenen und weiter zu erwartenden Grenzschließlungen innerhalb der EU jetzt zum Beispiel auch der Lkw-Verkehr – und damit Wirtschaft, Produktion, Handel und Konsum und letztlich unser Lebensstandard – betroffen (und bedroht) sein könnten und dass sich geschlossene Grenzen auf Heller und Pfennig buchhalterisch als Verlust beziffern lassen, weiter, dass Just-in-time-Management und knappe Lagerhaltung nur möglich sind, wenn Lkws eben nicht durch langes Warten Zeit hinter Grenzzäunen verlieren, das alles dämmert inzwischen den Wirtschaftsministern der Nationalstaaten…”
Wenn das nicht buchhalterisches Denken ist, was denn sonst?
Oh Gott, wenn die Autobahn nicht mehr das Lager für just-in-time sein kann – ja, dann ist das Ende von EUropa wohl nahe…
Genau wegen dieser Denke ist EUropa für viele Menschen kein erhaltenswertes Konstrukt.
Auch kein Wort in dieser Vision, dass der Westen, also auch EUropa für die meisten Fluchtursachen verantwortlich ist.
Ausbeutung von Ländern bricht nicht aus. Die wird geplant und gemacht.
Kriege brechen nicht aus, die werden auch geplant und gemacht.
Da ist er wieder, der rosa Elefant im Raum, der nicht genannt wird.
Für mich haben Sie da eine in mehrerlei Hinsicht erschreckende Vision verlinkt.
Trotzdem Danke für den link, lesenswert und vor allem aufschlussreich ist er allemal.
Peter Nemschak
2. März 2016 @ 18:25
Wenn Sie eine Vision wollen, hier ist sie:
Um das Geld, das man der Türkei mit unsicherem Erfolg zahlt, hätte man in einer rechtzeitigen, d.h. vor Eintreffen der Russen, gemeinsamen militärischen Aktion einen ausreichend breiten Küstenstreifen in Syrien besetzen und eine Flugverbotszone einrichten können. In diesem Streifen hätte man Flüchtlingslager unter europäischer Verwaltung einrichten können. Gleichzeitig wäre es unschwer gewesen Assad zu entfernen, im Falle seiner Gegenwehr mit Gewalt. Seine Anhänger wären dadurch geschwächt und eher motiviert gewesen an den Verhandlungstisch zu kommen. Diese Vision hätte überdies den Vorteil gehabt, heute gemeinsam mit den Amerikanern und Russen auf Augenhöhe über eine Friedenslösung verhandeln zu können. Leider ist die EU für großes Handeln nicht geeignet aufgestellt. So ein Lösungsansatz bedürfte eines europäischen Bundesstaates.
ebo
2. März 2016 @ 18:28
Die Flüchtlingskrise begann lange vor der Intervention der Russen. Ohne die Russen hätte es nie Friedensbemühungen gegeben, sondern nur eine weitere Aufrüstung der “gemäßigten” islamistischen Rebellen – mit dem bekannten Ergebnis.
Peter Nemschak
2. März 2016 @ 09:23
Bevor man zu diesem Schluss kommt, sollte eine grobe Kostenschätzung gemacht werden. Wie viel zusätzliche Kosten erwachsen der Türkei, wie viele Griechenland im Zusammenhang mit der Eindämmung des Flüchtlingsstroms im Interesse der EU. Vielleicht haben sie recht, vielleicht auch nicht. Muss man jedes Problem emotional aufladen? Die Realität ist schlimm genug.
ebo
2. März 2016 @ 09:36
Und dann das noch: Türkei lässt Nato-Schiffe nicht in Ägäis tätig werden… https://www.yahoo.com/news/no-ahead-turkey-nato-mission-aegean-diplomats-204957001.html
kaush
2. März 2016 @ 10:25
@Peter Nemschak
Dann fangen wir doch mit der Kostenschätzung an, was die Türkei und Griechenland in den Syrien-Krieg investiert haben.
Was wurde in die Ausrüstung und Ausbildung des IS bis jetzt investiert?
Was haben die Angriffe der eigenen Streitkräfte gegen die Syrische Armee und die Kurden in Syrien bisher gekostet?
Ich fange mal mit Griechenland an. Da lautet meine Kostenschätzung: NULL Euro.
Die 3 Mrd Euro für die Türkei decken die Kriegskosten von Erdogan sicher nicht annähernd, aber sie helfen schon mal.
Nicht vernachlässigen sollte man den Aspekt, dass die Tourismus-sparte in 2016 heftig abschmieren wird.
Aber dank Kanzlerin Merkel, finanzieren wir auf jeden fall einen Teil für Erdogans osmanische Großmachtfantasien. Toll!
Peter Nemschak
2. März 2016 @ 10:52
Jetzt vergleichen Sie Äpfel mit Birnen. Ein fairer Vergleich wäre, was beide Länder in Sachen syrische Flüchtlinge pro Kopf investiert haben. Der Rest steht auf einem anderen Blatt. Wenn man so wie Sie argumentiert, müsste man auch die relativ zum BIP und anderen EU-Staaten hohen Rüstungsausgaben Griechenlands hinterfragen.