TTIP: “Unendlich gute Gründe”
Na endlich: Bundeskanzlerin Merkel hat sich erstmals offensiv zu den umstrittenen Freihandelsabkommen CETA und TTIP bekannt. Für TTIP gebe es “unendlich gute Gründe”, so Merkel.
Das klingt spannend – man würde gerne wissen, welches die zahllosen guten Gründe sind. Doch in der Presseerklärung der Bundesregierung wird kein einziger genannt. Stattdessen: nur hohle Phrasen.
Merkel erinnert an GATT, spricht von nichttarifären Hindernissen – “Blinker, Stecker, Ventile”. Zahlen und Fakten nennt sie keine. Für Freihandel mit Blinkern braucht man aber kein TTIP.
Nur ein Aspekt aus Merkels Rede ist tatsächlich ernst zu nehmen – die Schaffung eines Normen- und Handelskartells des Westens. O-Ton Merkel:
“Wenn man daran denkt, dass wir insgesamt 65 Prozent des Welthandels verkörpern, dann können wir auch eine Marktmacht entwickeln und dann mit einem solchen Abkommen auch weltweite Standards setzen.”
Das ist denn auch wohl der einzige, reale Grund hinter CETA, TTIP & Co. Deutschland und die USA treibt die Sorge, die BRICs könnten den Westen herausfordern. Es geht um Macht, wie immer… – Mehr hier und hier
Peter Nemschak
2. Oktober 2014 @ 10:44
Ein europäischer Machtpol ist mit einem Staatenverbund a la EU nicht realistisch, weder politisch/militärisch noch wirtschaftlich. Ein europäischer Bundesstaat ist in absehbarer Zukunft nicht mehrheitsfähig. Was spricht gegen einen gemeinsamen Machtpol mit den USA? Ich verstehe Ihre Abneigung gegen einen gemeinsamen Westen nicht.
ebo
2. Oktober 2014 @ 10:50
Lieber Herr Nemschak, ich habe nichts gegen einen gemeinsamen Westen, aber viel gegen eine selbstverschuldete Abhängigkeit EUropas von den USA. Ich bin ein Kind Heinrich Heines, um es etwas poetischer auszudrücken.
Peter Nemschak
2. Oktober 2014 @ 11:17
Ohne einen Bundesstaat mit einer glaubwürdigen gemeinsamen Außenpolitik und schlagkräftigen Armee (inklusive Nuklearmacht!) – unwahrscheinlich in unserer Generation – ist eine Abhängigkeit von den USA oder Russland nicht zu vermeiden. Der Spielraum für eine Unabhängigkeit Europas von den Großmächten ist unter den gegebenen Umständen beschränkt. Vor die Wahl gestellt, zwischen den USA und Russland entscheiden zu müssen, würden die meisten von uns für die USA optieren. Das Gesellschaftsmodell Russlands ist für die Mehrheit weniger attraktiv.
Peter Nemschak
2. Oktober 2014 @ 09:52
Ein gewichtiges Argument, die Macht des Westens im globalen Wettbewerb, vor allem gegenüber Asien, zu stärken. Was ist so schlecht daran?
ebo
2. Oktober 2014 @ 09:58
Aus liberaler Sicht sind Handels- und Normierungskartelle ok? Aha. Das war mir neu…
Peter Nemschak
2. Oktober 2014 @ 10:22
Was heißt Normierungskartell? Ich würde das eher als Normierungsführerschaft bezeichnen. Den anderen Staaten steht es frei sich anzuschließen. Den meisten Bürgern im Westen sind, bin ich überzeugt, westliche Normen lieber als asiatische. Sie scheinen eine ausgeprägte Machtallergie zu haben. Machtverhältnisse bestimmen seit Menschengedenken das Leben von Menschen und Gesellschaften. Konflikte sind natürliche Bestandteile unseres Lebens auf dieser Welt. Sie wegzudenken ist Realitätsverweigerung.
ebo
2. Oktober 2014 @ 10:26
Herrje, für den Handel gibt es die WTO, für technische Normen alle möglichen internationalen Ausschüsse, für Ventile wird es auch einen Verein geben. Dafür brauchen wir kein TTIP, und schon gar kein ISDS. – Was die Macht betrifft: ich bin für einen europäischen Machtpol in einer multipolaren Welt – aber gegen die neue, selbst verschuldete Abhängigkeit von den USA!
Johannes
2. Oktober 2014 @ 14:46
Ich habe sonst immer ein riesen Problem wenn Ebo über den Euro schreibt, aber sonst hat er “leider” (???) recht. Sonst glauben wir alle doch auch nicht mehr jedes EU-Märchen, warum soll das bei TTIP anders sein?