Tsipras droht den Gläubigern
Nach dem IWF-Leak liegen die Nerven zwischen Athen, Washington und Berlin blank. Finanzminister Schäuble erklärte die Enthüllung für nicht existent, nun schlägt Premier Tsipras zurück.
Am 22. April müsse die Prüfung des aktuellen griechischen Reformprogramms beendet sei, sagte Tsipras nach der Rückkehr der verhassten Troika nach Athen.
Wenigstens in diesem Punkt sei er sich mit IWF-Chefin Lagarde einig, fügte er hinzu. Die große Frage ist nun, ob Schäuble mitspielt. Das fragt sich auch Tsipras, Zitat:
At the same time, I wonder whether the others agree with this view, and I hope that in the next few days we will not see an intention to handle the negotiations between Greece and the institutions in a foolish way. Because it will not be the first time. Besides, since 2010, a lot of foolish things have happened.
Im Hintergrund steht die Frage, die nun auch der IWF stellt: Wird Deutschland endlich dem überfälligen Schuldenschnitt zustimmen, ohne den Griechenland nicht auf die Beine kommen kann?
Oder legt es Schäuble auf eine Verschleppungs-Taktik an, die am Ende zum Grexit führen könnte? Am 22.4. wissen wir mehr… – Mehr zu Griechenland hier
GS
5. April 2016 @ 22:28
Ich habe mich schon gefragt, wie lange es noch dauert, bis die Eurokrise wieder aufflammt. Immerhin ist schon mehr ein halbes Jahr ruhig. Dabei ist bekanntlich nichts gelöst. Nun wird also die nächste Runde eingeläutet. Man darf gespannt sein, wie Merkel diesmal aus der Nummer rauskommt.
Persönlich bin ich ja der Meinung, dass die Programme für Griechenland ein Wahnsinn sind. Gleichzeitig habe ich aber nicht ansatzweise Lust, für diesen Euro-Wahnsinn aufzukommen. Es ist ja auch nicht so als wäre alles toll in Griechenland und hunderte Milliarden Euro an EU-Zuschüssen seit 1981 (schon bis vor der Eurokrise) nicht im Nirgendwo versickert.
Was mich aber bei den Wikileaks irritiert ist dieses Gelaber um ein “Ereignis”, das nun herbei geführt werden müsse. Das sagt viel darüber aus, wie Politik funktioniert. Mal sehen, was kommt und wer sich opfern müssen, damit die Big Boys (und Girls) ihre Spielchen spielen können. Ätzend.
luciérnaga rebelde
5. April 2016 @ 17:08
Was hat eigentlich Herr Schäuble gegen Griechenland? Hat er dort vielleicht einmal nicht seine Wurscht mit Bier regelrecht bekommen? Oder will er vielleicht auch grade auch noch die NATO platzen lassen?
GS
5. April 2016 @ 22:17
Gar nichts. Sein Problem ist vielmehr, dass das Narrativ zusammenbricht, nachdem Deutschland der große Profiteur des Euro sei, der auch für die Eurorettung nichts zahlen muss und Griechenland & Co. mit der Rettungspolitik saniert werden würden, sodass danach alles super sei. Jeder, der es sehen will, weiß, dass das alles nicht stimmt. Aber jetzt könnte es eben für jeden fühlbar werden. Man macht Haushaltsüberschüsse in beträchtlichem Ausmaß, aber entlastet nicht die Bürger, deren Arbeitseinkommen so stark mit Steuern und Abgaben belastet werden, wie in kaum einem anderen Land, oder tut was für Bildung, Forschung und Infrastruktur, nein, die Kohle braucht man jetzt für die Flüchtlinge und eben Griechenland. Ist das schön! Nur vielleicht nicht für die Regierungsparteien.
Peter Nemschak
6. April 2016 @ 07:27
Deutschland hat vom Euro auf Grund seiner klugen Wirtschaftspolitik profitiert. Das hätten die anderen Länder Deutschland nachmachen können, waren aber politisch unfähig dazu. Deutschland profitiert heute von den seinerzeitigen Arbeitsmarktreformen Schröders, die vielleicht nicht allen gefallen, aber dem Land und der Mehrheit seiner Bürger genützt haben.
Peter Nemschak
5. April 2016 @ 15:50
Um auf die Beine zu kommen, benötigt Griechenland kurzfristig den Schuldenschnitt nicht. Der Schuldendienst ist auf Grund der niedrigen Zinsen und langen Laufzeiten jedenfalls für heuer und die absehbare Zukunft leistbar. Die Chance auf einen Schuldenschnitt in der Zukunft ist das wirkungsvollste Druckmittel der Gläubiger, um das bisher schleppend umgesetzte Reformprogramm zu beschleunigen bzw. überhaupt durchzuführen. Schäuble schützt die Steuerzahler in den Nettozahlungsländern vor einer dauernden Transferunion zu ihren Lasten in Richtung Griechenland und andere reformscheue Länder im Süden Europas. Warum soll der europäische Steuerzahler den aufgeblähten Militäretat Griechenlands finanzieren, nur weil sich Griechenland mit der Türkei (beides NATO-Länder) seit Jahren unbewältigte Territorialkonflikte leistet? Nachdem der Nettosteuerzahler keinen Einfluss hat, politisch die Ereignisse in Griechenland zu steuern, warum sollte er einer Transferunion zustimmen? Eine Transferunion hat politisch einen europäischen Bundesstaat zur Voraussetzung. Wenn die griechische Wirtschaft und der griechische Staat mit einem Verbleib im Euro nicht oder nur unter unzumutbaren Bedingungen fähig sind, dann wäre ein Ausscheiden aus dem Euro sinnvoll. Worin besteht das Ultimatum? Welche Druckmittel hat Tsipras? Notfalls müssen die europäischen Gläubigerländer die bestehenden Forderungen des IWF gegen Griechenland übernehmen. Aus Sicht des IWF ist eine Weigerung zur Finanzierung verständlich, da sich der IWF nicht von einer Unterstützung Griechenlands durch die EU politisch (Transferunion ja oder nein) abhängig machen will, sondern auf die autonome langfristige Schuldentragfähigkeit Griechenlands besteht. Mit anderen Worten, der IWF will sich nicht von der EU instrumentalisieren lassen, um so weniger als Europa wirtschaftlich weltweit relativ an Gewicht verloren hat und sein Einfluss im IWF zurückgegangen ist.
Claus
5. April 2016 @ 14:37
Jetzt wäre eigentlich der ideale Zeitpunkt für Schäuble & Co., die IWF-Hosen herunterzulassen. Das gibt Zeit bis zu den nächsten Wahlen im September. Kurzes politisch-mediales Intermezzo mit „Solidarität mit Griechenland“, „großer friedenstiftender europäischer Idee“ und selbstverständlich „keine Kosten für den deutschen Steuerzahler“. Im August die völkerverbindenden Olympischen Spiele in Rio mit dem neuen Größtformat-High-Resolution-TV, Nullprozent finanziert. Uns geht es doch gut, und mehr braucht man eigentlich nicht! Dann die Wahlen im September: Landtag in Meck-Pomm, Kommunalwahlen in Niedersachsen, Abgeordnetenhaus in Berlin. IWF-Schuldenschnitt – war da was? Bis dahin hat es der Dumm-Michel längst vergessen. Also, Wolfgang, nur Mut, hau rein!