“Transferunion oder Tod”
Eigentlich ist es eine Banalität: Ohne ein gemeinsames Budget und Finanz-Transfers hat noch keine Währungsunion überlebt. Daran hat Frankreichs Wirtschaftsminister Macron in einem Interview erinnert.
Der Euro-Club müsse sich zu einer Transferunion mit demokratischen Strukturen weiterentwickeln, so Macron in der “Süddeutschen”. Wer dies nicht begreife, werde zum “Totengräber” Europas.
Das ist drastisch formuliert, aber durchaus nachvollziehbar. Doch ausgerechnet EU-Parlamentspräsident Schulz will es nicht verstehen. Macrons Reformvorschlag sei nicht umsetzbar, sagt der SPD-Mann.
Denn dafür brauche es Vertragsänderungen, so Schulz. Genau das hatte Macron aber auch gefordert. Schulz’ Aufgabe als engagierter EU-Politiker wäre es nun, sich dafür stark zu machen.
Schließlich spricht er nicht nur für Deutschland, sondern auch für Frankreich, Italien und Griechenland. Oder will er am Ende zu den “Totengräbern” zählen? – Mehr zur Eurokrise hier
Carlo
1. September 2015 @ 14:35
Den politischen Eliten fehlt der Wille und sie haben sich durch Deregulierungen, im Interesse der Globalisierung (LOL), selbst zahnlos gemacht. Da helfen die besten “demokratischen Strukturen” nicht, wenn sie nicht mehr funktionieren.
Wer zuvor am meisten Kasse gemacht hat, muss am meisten zahlen. So einfach ist das. Die Staaten und deren öffentliche Haushalte sind damit nicht gemeint. Damit sind Probleme wenigstens zeitweilig gelöst. Aber es ist nicht gewollt.
Die Damen und Herren in Brüssel und Hauptstädten können beschließen, was sie wollen. Die Rechnung geht immer an den Steuerzahler. Mit oder ohne Transferunion spielt dabei keine Rolle. Letztlich ist alles nur eine Vernebelung ihrer Ahnungslosigkeit und Machtlosigkeit.
Es stellt sich mir immer wieder die Frage, wie etwas, das aus Bits&Byte oder Papier besteht und aus dem Nichts geschaffen wird, knapp sein kann? So lange Politiker sich mit dieser Frage nicht beschäftigen (die Bank of England hat es erklärt), werden sie keine Lösung, für das Allgemeinwohl, finden.
Peter Nemschak
1. September 2015 @ 13:41
@ebo In Ihrer Argumentation mit den Leistungsbilanzüberschüssen vergessen Sie, dass es auch die Welt außerhalb der EU gibt. Frankreich braucht nicht zu kapitulieren sondern lediglich die notwendigen Strukturreformen nicht länger hinauszuzögern. Eine Transferunion sehe ich erst in weiter Ferne, wenn sich die Wirtschaftsstrukturen angeglichen haben, was nicht so schnell der Fall sein wird. Macron wird bis dahin längst politische Geschichte sein. Wenn Frankreich so produktiv ist, warum klemmt dann der Außenhandel mit Deutschland? An den Kosten kann es nicht liegen.
ebo
1. September 2015 @ 13:57
Wieso klemmt der Außenhandel mit D? FR war bis vor einer Woche der wichtigste Handelspartner, nun liegen die USA vorn. Zum ersten Mal seit 40 Jahren…was vor allem an (für deutsche Verhältnisse) zu schwachen Euro liegt. Also externe Effekte.
Peter Nemschak
1. September 2015 @ 16:48
Ist das ein Unglück?
S.B.
1. September 2015 @ 10:51
Es ist ja aufgrund meiner Kommentare hier nichts wirklich Neues mehr: Ich plädiere für den Tod von EU und Euro. Nach (Transfer-) Sozialismus steht mir schlicht nicht der Sinn. Der funktioniert ohnehin nur solange, bis der letzte Zahler (also D) komplett ausgesaugt ist. Dann geht es allen gleich schlecht, was allerdings auch das Ziel eines Großteils der Politiker und damit einhergehend von EU und Euro ist, nur eben nicht meins.
ebo
1. September 2015 @ 11:04
S.B. Da muss ich Dich enttäuschen, so leicht werden EU und Euro nicht abdanken… Erst muss DE alle Vorteile seiner aktuellen Dominanz auskosten, danach sehen wir weiter!
S.B.
1. September 2015 @ 11:14
@ebo: Schaun mer mal. Ich sehe die Sache genau anders herum: Wenn der Transferleistungsdruck auf Deutschland zu groß wird, wird es EU und Euro adieu sagen (ob nun direkt oder von hinten durch die Brust ins Auge; ich schätze eher Letzeres). Und mit der Forderung Frankreichs nach dauerhaftem Transfer von deutschem Geld, dürften wir kurz davor stehen. FR ist für D selbst beim besten Willen nicht zu stemmen. Zudem stünden die nächsten Kandidaten dann erstrecht auf dem Teppich.
Eine deutsche Dominanz sehe ich derzeit übrigens nur in der Aufnahme von Flüchtlingen. An diesem Beispiel kann man übrigens glasklar erkennen, wie es um die “Solidar- und Wertegemeinschaft EU” bestellt ist, besser, was ihr wahrer Charakter ist. Die EU ist eine reine Abzockinstitution (= Umverteilung). Es gibt weder gemeinsame Werte (Abzocken wollen wir nicht als Wert ansehen), noch Solidarität.
ebo
1. September 2015 @ 11:24
Was denn für ein “Transferleistungsdruck”? Bisher ist es nur eine Forderung. Derweil profitiert Schäuble mit Milliarden-Einsparungen vom “save harbor” Status. Neu ist nur, dass nun auch Flüchtlinge den “save harbor” suchen und nach DE wandern. Aber so ist das halt in der Marktwirtschaft 🙂
Peter Nemschak
1. September 2015 @ 11:33
Warum wollen Sie nicht, dass sich das effizientere Wirtschaftsmodell durchsetzt? Die protektionistischen Maßnahmen Hollandes für die französischen Bauern werden die landwirtschaftliche Struktur in Frankreich relativ zu Deutschland nicht verbessern. Dass die französische Bürokratie nicht gerade wirtschaftsfreundlich ist, können sie wohl kaum leugnen. Wenn Sie den Menschen das Gefühl geben, dass die EU eine Zwangsveranstaltung ist und die freie Entfaltung der Produktivkräfte behindert, werden sich noch mehr Menschen von ihr abwenden. Von vielen Menschen wird die EU schon jetzt als zu bürokratisch empfunden. Warum sind die USA wirtschaftlich dynamischer als Europa, doch nicht wegen der Transferunion zwischen den Bundesstaaten?
ebo
1. September 2015 @ 11:37
@Nemschak Was heißt denn hier “durchsetzt”? Soll FR vor DE kapitulieren, oder was? In Sachen Produktivität ist FR übrigens ebenbürtig bis überlegen. In Sachen Bürokratie auch – ein Zentralstaat ist einfach effizienter als ein Bundesstaat.
S.B.
1. September 2015 @ 11:43
@ebo: Sie wissen, dass es bei der Forderung nicht bleibt, siehe GR. Allein diese Forderung (der doch auf sich so stolzen Franzosen) zeigt, dass FR absolut auf dem letzten Loch pfeift.
Die Sache mit den Milliarden-Einsparungen ist doch der hinlänglich bekannte linke-Tasche-rechte-Tasche-Trick. Was der deutsche Staat spart, entgeht den deutschen Sparern in der Geldanlage (wahrscheinlich noch mehr). Bleibt also alles im Hause: Vorteil und Nachteil. Wobei meine Präferenz ganz klar dahin ginge, dass der (private) Sparer im Vorteil ist und nicht der räuberische Staat. Im (Zins-) Sozialismus ist das natürlich nicht machbar. Da profitiert der Staat.
Zu den Flüchtlingen: Diese suchen nicht den save harbor, sondern das Land, wo es das Meiste zu holen gibt. Kann man verstehen. Nicht verstehen kann man das Land, das mehr anbietet als alle anderen “Partner” drumherum. Da kann man nur sagen: selbst Schuld! Und demjenigen, der das nicht will, bleibt nur sagen: mitgehangen, mitgefangen.
ebo
1. September 2015 @ 11:58
S.B. Wer ständig massivste Leistungsbilanz-Überschüsse erzielt (mehr als China!), muss die daraus folgenden Defizite in den Euro-Partnerländern finanzieren. Sonst bricht der Laden irgendwann zusammen. So einfach ist das.
S.B.
1. September 2015 @ 12:06
@ebo: Hier sind wir wieder bei dem “WIR”-Problem. Nicht Deutschland und schon gar nicht “der deutsche Steuerzahler” erzielt massivste Leistungsbilanz-Überschüsse, sondern die deutsche Exportindustrie. Diese wiederum profitiert nicht nur virtuell, sondern real von diesen Überschüssen. Also soll die Exportinsutrie auch die Defizite in den Euro-Partnerländern (mit dem Begriff “Partner” wäre ich aus den bekannten Gründen eher vorsichtig) finanzieren. Ich als Steuerzahler, der nicht in der Exportindustrie arbeitet (noch nicht mal mittelbar), will damit nichts zu tun haben, denn ich ziehe keinen Vorteil daraus. Im Gegenteil: Der Defizitausgleich erfolgte durch alle deutschen Steuerzahler. Ich fühle mich dadurch benachteiligt.
Grundsätzlich habe ich auch nichts gegen einen Zusammenbruch dieses Umverteilungsladens mit der Bezeichnung EU. Dann muss sich alles wieder neu einsortieren. Zumindest anfänglich wird sich dies mehrheitlich nach dem gesunden Menschenverstand richten, da Verschuldung nur noch sehr schwer möglich sein wird.
Andreas
1. September 2015 @ 09:28
Die Alternative sind Regeln bei den Lohnstückkosten. Frankreich war in dieser Beziehung vorbildlich, es ist DE, das sich der Vernunft verweigert. DE finanziert sich auf Kosten des Auslandes und der zukünftigen Generationen usw. usf.
Peter Nemschak
1. September 2015 @ 08:03
Ganz so ist es nicht. Die Alternative sind gemeinsame Regeln zur Haushaltspolitik. Eine Transferunion ist für Deutschland ein schlechtes Geschäft. Frankreich war bisher bei den nötigen Reformen säumig und möchte den einfachen Weg gehen: auf Kosten Deutschlands sein Gesellschafts- und Sozialsystem finanzieren. Andere schwache Staaten im Süden würden es Frankreich gerne gleich tun. Wenn Frankreich diesen Weg gehen möchte, dann halt ohne Euro. Schade, denn der Euro hat für alle Beteiligten unbestreitbare Vorteile, auch wenn er Haushaltsdisziplin verlangt. Wir haben lange auch ohne Euro nicht schlecht gelebt. Daran sollen sich alle jene erinnern, die von den “goldenen 70-iger Jahren” träumen.
ebo
1. September 2015 @ 09:40
@Nemschak Die deutschen Regeln zur Haushaltspolitik funktionieren nicht. Sie sollten “Konvergenzkriterien” sein, stattdessen haben wir Divergenz in der Eurozone. Berlin bricht sie selbst – die deutsche Schuldenquote ist zu hoch, der Leistungsbilanz-Überschuss auch. Und wer sie einhält, ist nicht gegen Krisen gefeit – siehe Spanien.
Peter Nemschak
1. September 2015 @ 10:47
Das Wort Strukturreformen kommt bei Ihnen nicht vor. Warum soll Deutschland eine barocke französische Verwaltung oder den in Frankreich üblichen Etatismus und Dirigismus mitfinanzieren? So etwas funktioniert nur bei einem Bundesstaat nicht bei einem Bund souveräner Staaten. Im übrigen gehört Frankreich zu den Ländern, denen die Abgabe von Souveränität an eine außerstaatliche Institution besonders schwer fällt. Ich rechne mit einer Politik der kleinen Schritte, wie sie Merkel unlängst angedeutet hat: ein kleines EU-Budget zur Finanzierung von Strukturreformen, um die Wettbewerbsfähigkeit nationaler Ökonomien zu stärken. Was ist so schlecht daran? Strukturelle Umverteilung zwischen Staaten fördert nicht die wirtschaftliche Effizienz.
ebo
1. September 2015 @ 11:02
Macron ist der Mann, der die deutschen “Strukturreformen” (Hartz IV etc.) in Frankreich umsetzt. Deshalb ist er auch berufen, Reformen in der Struktur der Währungsunion zu fordern!