Späte ATTACe

Eine alte Forderung der Globalisierungskritiker wird wahr: Die EU-Finanzminister haben grünes Licht für eine Finanztransaktionsteuer gegeben. Angeführt von Paris und Berlin, kann die Tobin Tax nun in elf EU-Ländern eingeführt werden. Ob sie wirklich „Biss“ hat und wie erhofft spekulative Geschäfte bremst, bleibt offen.

Denn bisher haben die Elf nur eine „verstärkte Zusammenarbeit“ eingeleitet, um ungestört vorangehen zu können. Nun warten die Minister noch auf einen Vorschlag der EU-Kommission.

EU-Steuerkommissar Semeta versprach, schnell zu handeln. Der Beschluss, mit dem sich Deutschland und Frankreich über Einwände aus Großbritannien und Schweden hinwegsetzen, sei ein „wichtiger Meilenstein“ für die europäische Steuerpolitik.

Semeta betonte, dass zwar nur elf von 27 Staaten mitmachten, diese aber für zwei Drittel der EU-Wirtschaftsleistung und sogar 90 Prozent der Wirtschaftsleistung in der Eurozone stünden.

Auch Finanzminister Schäuble freute sich: „Der Finanzsektor soll an den Kosten der Finanzkrise angemessen beteiligt werden“, sagte er am Rande der deutsch-französischen Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag des Elysée-Vertrags in Berlin. „Diesem Ziel sind wir ein gutes Stück nähergekommen.“

Die Idee für die neue Steuer kommt allerdings aus Frankreich bzw. aus den USA. Der US-Ökonom James Tobin hatte bereits 1972 eine Finanztransaktionssteuer von einem Prozent vorgeschlagen. Er wollte damit Devisenspekulationen bremsen.

In Frankreich griff dann die globalisierungskritische Bewegung Attac den Vorschlag auf. Ich erinnere mich noch an volle Säle bei den ersten Treffen in Paris – und an die arroganten Reaktionen im Establishment.

Zunächst stieß die „Tobin Tax“ nämlich sowohl in Paris als auch in Berlin auf Widerstand. Erst mit der Finanz- und Eurokrise wurde der Vorschlag langsam hoffähig. Nun mündet er in einer „Tobin Tax light“.

„Dass die Steuer jetzt trotz heftigen Widerstands der Bankenlobby kommt, zeigt, dass es mit genügend Druck von unten durchaus möglich ist, Finanzmärkte zu regulieren“, sagte D. von Larcher von Attac.

„Wenn es beim bisherigen Entwurf der EU-Kommission bleibt, werden vor allem hochspekulative Geschäftsmodelle wie der Hochfrequenzhandel deutliche Einschränkungen hinnehmen müssen“, so von Larcher.

Nach den bisherigen Plänen sollen alle Finanzgeschäfte mit einer Abgabe von 0,1 Prozent belegt werden, Derivategeschäfte mit 0,01 Prozent. Die erhofften Einnahmen wollte die Kommission noch nicht beziffern, für die Gesamt-EU hätten sie bei knapp 60 Milliarden Euro gelegen.

Unklar ist noch, wie die Mittel verwendet werden. Brüssel würde sie gerne zumindest teilweise zur Linderung der Eurokrise einsetzen. Und Paris möchte sie in die Entwicklungshilfe stecken. Doch Berlin ist dagegen.

Schäuble plant offenbar, mit den Einnahmen seinen Haushalt zu sanieren. Damit würde eine transnationale Initiative, die auf globale Finanzgeschäfte zielt, wieder einmal für nationale Zwecke missbraucht…