Der Brexit als Chance

So schnell kann’s gehen: Plötzlich ist nicht mehr die Flüchtlingskrise das größte Problem der EU, sondern der drohende Austritt Großbritanniens. Dabei wäre der Brexit nach Lage der Dinge durchaus eine Chance.


[dropcap]W[/dropcap]eniger Freizügigkeit, weniger Sozialleistungen, mehr nationale Vetos und mehr neoliberale Politik: Das ist im Kern das Angebot, das EU-Ratspräsident Tusk dem britischen Premier Cameron gemacht hat.

Es entspricht weitgehend dem, was Cameron gefordert hatte. Der konservative Premier sprach denn auch von einem großen Fortschritt. Im Pokerspiel mit Tusk hat er sich als der bessere Bluffer erwiesen.

Doch die Briten kaufen ihm den Deal nicht ab. Mehr Souveränität, mehr Demokratie und mehr Wohlstand hatte Cameron versprochen – das Ergebnis bezeichnet die britische Presse als schlechten „Witz“.

Es könnte also gut sein, dass der „faire Deal“ (Kommissionschef Juncker) bei der Volksabstimmung in UK scheitert. Der Brexit ist nicht etwa abgewendet, sonder sogar noch wahrscheinlicher geworden.

Wie so oft hat Brüssel das Problem nicht gelöst, sondern verschärft. Aus der Angst, UK zu verlieren und einen Prozess der Desintegration auszulösen, haben Juncker und Tusk die Lage verschlimmbessert.

Die EU braucht einen Neustart

Was nun? Am besten wäre es, den Streit einfach zu vertagen und erst einmal die Flüchtlingskrise zu lösen. Dass der Brexit wichtiger sei als die Merkel-Migrations-Krise, ist ohnehin eine Schnapsidee.

Wenn das nicht möglich ist, sollten wir die Perspektive wechseln. Es gilt dann, den Brexit als Chance zu begreifen – für eine Union, die die Orientierung verloren hat und dringend einen Neustart braucht.

Ein „No“ wäre schlecht für Großbritannien, aber gut für die EU: Sie müsste sich endlich ehrlich machen…

Siehe zum Brexit auch „Let them go“