Sonderrechte für EU-Anhänger?
Fast die Hälfte der Briten hat gegen den Brexit gestimmt, fast die Hälfte der Türken (in Wahrheit wohl noch viel mehr) gegen Erdogan. Die EU will das honorieren – und sinnt über Sonderrechte nach.
“Warum machen wir nicht Visafreiheit für Intellektuelle, für Künstler, für Leute, die im Journalismus arbeiten”, sagte Außenminister Gabriel bei einem EU-Treffen zur Türkei auf Malta.
Solche Reiseerleichterungen würden für jenen Teil der Türkei gelten, “der gegen das Referendum gestimmt hat, der sich demokratisch entwickeln will”. Es gehe jetzt darum, die demokratische Türkei zu stärken.
Ähnliche Überlegungen werden für die EU-Anhänger in Großbritannien angestellt. Wer gegen den Brexit gestimmt hat, dürfe nicht allein gelassen werden, meint etwa der Chef der Liberalen im Europaparlament, Verhofstadt.
Die Brexit-Gegner könnten einen EU-Pass erhalten, fordern mehrere Initiativen. Eine Petition bei Change.org hat schon mehr als 300.000 Unterschriften. Im Europaparlament stößt sie auf Sympathien.
Für manch einen wäre ein eigener EU-Pass sogar der Einstieg in eine europäische Staatsbürgerschaft. Die Politologin U. Guérot sieht dies als Grundstein für eine “Europäische Republik” – jenseits der aktuellen EU.
Doch das ist bisher nur eine ferne Vision. In der Praxis geht es den EU-Politikern darum, ihre Anhänger in UK und in der Türkei bei der Stange zu halten, ohne an der EU-Politik irgend etwas zu ändern.
Dabei ist diese Politik, wie die Wahlergebnisse zeigen, in beiden Ländern krachend gescheitert. Der türkische Sultan Erdogan setzt seinen Putsch gegen Europa sogar eiskalt fort – mit noch mehr Säuberungen…
kaush
30. April 2017 @ 11:33
Ok, dass ist jetzt also die EU:
– Undemokratisch: Keine Anerkennung und Respektierung von demokratisch getroffenen Entscheidungen.
– Aktives (aggressives) Einmischen in die Angelegenheiten von souveränen Staaten. Nicht mehr “nur” im Nahen Osten und in Osteuropa, sondern jetzt auch in EUropa und der Türkei. Ganz toll.
Was ist dann der nächste Schritt? Brexit und Erdogan-Gegner mit Waffen beliefern?
Und wenn Le Pen gewinnt, mit Panzern nach Paris?
Die haben echt nicht mehr alle Tassen im Schrank. Ganz besonders auch Gabriel.
Oudejans
30. April 2017 @ 09:14
>>”Wer gegen den Brexit gestimmt hat, dürfe nicht allein gelassen werden, meint etwa der Chef der Liberalen im Europaparlament, Verhofstadt.”
Beginnen würde ich mit einer Vlugferbotszone.
Tried and tested.
Karl Pongratz
29. April 2017 @ 21:18
Was die EU-Verträge betrifft: „Es wäre nicht hilfreich, die EU zu parlamentarisieren“
Der Europarechtler Dieter Grimm über das Demokratiedefizit der Europäischen Union und wie man es beheben könnte.
http://www.ipg-journal.de/schwerpunkt-des-monats/welches-europa/artikel/detail/es-waere-nicht-hilfreich-die-eu-zu-parlamentarisieren-1913/
Karl Pongratz
29. April 2017 @ 21:14
Wäre ja schon toll wenn jetzt jeder Vollblut-Neoliberale aus GB einen EU-Pass bekäme. Nun, von den »Spitzenfunktionären« der SPD wird man sich an Lösungsvorschlägen zur EU-Krise nicht mehr erwarten dürfen.
Vernünftige Vorschläge gibts von Wagenknecht https://www.youtube.com/watch?list=PLG4aoPhmPo8WpKsIxlsHUBhtljF50tala&v=lcey1Gpan7A
(Mit einer Ausnahme, auch wenn ich persönlich eine Sozial-Union befürworte, man kann sie nicht erzwingen.)
Die EU-Verträge zu ändern wäre einmal das Wichtigste. Und die Verträge müssen so gestaltet werden das man einen Austritt aus der Union erst gar nicht in Erwägung ziehen muß. Ansonsten werden diese Zitterpartien über EU- und Euro-Austritt vor jeder Wahl oder Referendum auf unabsehbare Zeit weitergehen, bis es dann letztendlich zu spät ist.
Peter Nemschak
30. April 2017 @ 09:34
Weil die Völker in der EU sehr unterschiedlich denken, ist eine Veränderung der EU-Verträge kaum möglich. Politik ist ein konfliktisches Ringen um Kompromiss. Sie werden nie einen Zustand erreichen, bei dem sich alle Beteiligten restlos wohl fühlen..Die ideologischen Vorstellungen, wie eine Gesellschaft beschaffen sein soll, sind sehr unterschiedlich und auch stetem Wandel unterworfen. Die EU ist keine heilige Kuh sondern ein Zweckbündnis von Staaten ohne Ewigkeitsgarantie.
Peter Nemschak
29. April 2017 @ 12:45
Wie identifiziert man BREXIT-Gegner? Die Ausgabe von Zweitpässen im Falle von türkischen Journalisten würde die Zweitpassproblematik verstärken. Es ist der unmögliche Versuch mancher Kreise in der EU die Quadratur des Kreises zu schaffen. In Wahrheit geht es um Prioritäten. Dabei spielt Machtpolitik eine starke Rolle. Dass die Türkei derzeit nicht beitrittsfähig ist und auf absehbare Zeit auch nicht sein wird, ist eines, ihr den Kandidatenstatus abzuerkennen birgt die Gefahr, die Türkei geopolitisch an Russland zu „verlieren“. Dass seinerzeit sowohl Griechenland wie die Türkei Anfang der 1950-iger Jahre als Nachzügler in die NATO aufgenommen wurden, hatte einen analogen Grund. Die West-Ostrivalität hat das Ende des Kalten Kriegs überlebt, nicht nur für die USA sondern auch für die EU, auch wenn sie in den einzelnen Ländern aus innenpolitischen Gründen unterschiedlich stark ist. Dass der europäische Westen keine klare geografische Grenze zum Osten hat, ist Teil des Schicksals der EU. Diese unklare Grenze wird auch in Zukunft umkämpft bleiben.