Das soll eine „klare Botschaft“ sein?
Hurra, die EU hat ein neues Budget für 2018 – und das ganz ohne Jamaika! Die Mitgliedstaaten und das Europaparlament einigten sich auf Ausgaben von 144,7 Mrd. Euro. Auch die Türkei wurde bedacht – aber wie…
Angesichts der Spannungen mit der Türkei wurden die sog. Vorbeitrittshilfen um 105 Mill. Euro gekürzt. Weitere 70 Mill. Euro sind gesperrt; sie sollen erst fließen, wenn der Rechtsstaat wiederhergestellt wird.
Der konservative Parlamentsberichterstatter S. Muresan sprach von einer „klaren Botschaft“. Es könne keine bedingungslose Zahlung von EU-Hilfen für Länder geben, „die grundlegende Rechte verletzen“.
Doch die „klare Botschaft“ ist – völlig unklar. Denn zum einen betonen die Abgeordneten, dass die (nicht im EU-Budget enthaltenen) Hilfen für den Flüchtlingsdeal mit Sultan Erdogan weiter fließen sollen.
Zum anderen sind 105 Mill. – die nun beschlossene Kürzung – nicht einmal ein Vierzigstel von 4,45 Mrd., die der Türkei insgesamt als Vorbeitrittshilfen zugesagt worden waren. Also weniger als 2,5 Prozent!
Bei Erdogan dürfte das bestenfalls als Nadelstich ankommen. Er kann sich bei Kanzlerin Merkel bedanken. Sie hat dafür gesorgt, dass die einzige „klare Botschaft“ – ein Stopp der Beitrittsgespräche – ausgeblieben ist.
Dabei hatte sie im Wahlkampf etwas ganz Anderes versprochen. Auch die meisten „Jamaikaner“ wollten Erdogan eine viel härtere Botschaft zukommen lassen…
Siehe auch „Merkel macht, was sie will – trotz Jamaika“
Baer
20. November 2017 @ 10:33
@Nemschak
Wo Bitteschön hat in den letzten Jahren deutsche Außenpolitik stattgefunden?Die Guten und die Bösen nach amerikanischem Gusto hofieren oder sanktionieren ist der grundsätzlich falsche Weg.
Eigenständige Außenpolitik sieht anders aus.
Oudejans
19. November 2017 @ 18:58
>>“Zum anderen sind 105 Mill. – die nun beschlossene Kürzung – nicht einmal ein Vierzigstel von 4,45 Mrd., die der Türkei insgesamt als Vorbeitrittshilfen zugesagt worden waren. Also weniger als 2,5 Prozent!“
In an nutshell: Ein Rechtsstaat kostet 70 000 000 Euro.
Was kostet da wohl eine ganze EU?
Anonymous
19. November 2017 @ 21:34
Die Beitrittsverhandlungen liegen b.a.w. auf Eis. Mit den Mechanismen der internationalen Politik scheinen sie nicht vertraut zu sein. Ihre Emotionen stehen ihnen im Weg.
Christopher Lucht
19. November 2017 @ 11:32
Die 4.45 Mrd sind der Gesamtbetrag für 7 Jahre. Die 104 Mio. nur die Kürzumg für 2018. Also ein sechstel.
ebo
19. November 2017 @ 11:36
So kann man nicht rechnen, denn die 4,45 Mrd. werden nicht in Jahresbeiträgen ausgezahlt. Ein „klares Signal“ wäre es gewesen, von den 4,45 Mrd. ein Viertel auf Eis zu legen oder ganz zu streichen. Oder eben die Beitrittsverhandlungen zu stoppen. Dann hätte man die Finanzhilfen auch komplett blockieren können, was nun nicht geht…
Peter Nemschak
19. November 2017 @ 12:08
Es ist politisch unsinnig die Beitrittsverhandlungen zu stoppen. Emotionen dürfen in der Gestaltung der internationalen Beziehungen keinen Platz haben. So funktioniert Innenpolitik, wo unterschiedliche Ideologien um die Macht ringen, aber nicht Außenpolitik. Wird dieser Grundsatz verletzt, gibt es Krieg. Europa darf nicht die gleichen Fehler wie die USA begehen.
ebo
19. November 2017 @ 23:50
Haben Sie schon den neuen „Spiegel“ gelesen? Die Titelstory handelt von der Türkei… http://www.spiegel.de/spiegel//index-13149.html
Oudejans
19. November 2017 @ 19:01
Ohne Beitrittsverhandlungen gibt es Krieg?
Ihr Ernst?
Peter Nemschak
19. November 2017 @ 11:27
Die Türkei, Rechtsstaat hin oder her, ist ein wichtiger Partner der EU, um den Flüchtlingsstrom in Grenzen zu halten. In den internationalen Beziehungen treffen unterschiedliche Wertvorstellungen aufeinander. Würde man die eigene verabsolutieren, hätten wir noch mehr Kriege auf dieser Welt. Diplomatie hat etwas mit Realitätssinn zu tun.
Claus
19. November 2017 @ 19:35
@Peter Nemschak: „Diplomatie hat etwas mit Realitätssinn zu tun“? Dann sei die Frage erlaubt, wie die Türkei-Beziehungen, wie sie sich jetzt darstellen, überhaupt entstehen konnten. Einschließlich dem Migranten-Rückhalte-Abkommen zwischen Merkel und Erdogan.
Schauen wir doch mal bei Wiki nach, dort steht: „Diplomatisches Verhalten nennt man (u.a.) das Tun und Lassen eines Verhandelnden, das geeignet ist, den langfristigen Nutzen zu maximieren (es wäre also undiplomatisch, sich einen kurzfristigen Nutzen zu sichern, dabei aber langfristig Nachteile oder Konflikte zu riskieren bzw. in Kauf zu nehmen).“
Glauben Sie, dass das, was da gegenwärtig in den Türkei-Beziehungen läuft, im langfristigen Nutzen der EU oder Deutschlands ist? Wäre denn die NATO-Mitgliedschaft der Türkei noch sinnvoll oder vertretbar, wenn es nicht primär um die geopolitischen Interessen der USA gegen Russland wie auch gegen eine vermutlich friedenstiftende und wirtschaftlich sinnvolle Achse Paris – Berlin – Moskau ginge?