So scheitert EUropa (II)
Das Flüchtlingsdrama auf Kos hält EUropa in Atem. Am Wochenende schickte Athen eine Fähre, auf der die Flüchtlinge notdürftig registriert werden sollen. Von Hilfe aus Brüssel weiter keine Spur – die EU versagt.
Die Welt erlebe die größte Flüchtlingskrise seit dem 2. Weltkrieg, sagte der zuständige EU-Kommissar Avramopoulos (ein Grieche!) am Wochenende in Brüssel. Er kündigte schnelle Hilfe an.
Doch vor Ort sieht man davon nichts. Auch der scheinbar großzügige Geldsegen aus Brüssel ist keine echte Hilfe. Athen fehlt nämlich die zur Umsetzung nötige Verwaltung.
Die EU müsste also selbst aktiv werden, eigene Beamte und Boote schicken. Doch dazu ist sie offenbar weder willens noch in der Lage. Dazu kommen verheerende Fehler in drei Bereichen:
- Außenpolitisch: Die EU hat nichts getan, um den Krieg in Syrien zu beenden – und kaum etwas, um die Türkei in die Schranken zu weisen, die die Flüchtlinge offenbar gezielt nach Kos schickt.
- Wirtschafts- und sozialpolitisch: Mitten in der schlimmsten humanitären Krise zwingt die EU Griechenland ein neues Sparprogramm und weiteren sozialen Kahlschlag auf.
- Innenpolitisch: Die versprochene Umsiedlung von Flüchtlingen kommt nicht voran. Auch der Kampf gegen Schlepper funktioniert nicht; nach Griechenland verschärft sich auch in Österreich die Lage.
Wenn das so weiter geht, wackelt nicht nur das “bewährte” Schengen-System. Auch der bisher tadellose Ruf der EU als humanitär aktive Zivilmacht wird massiven Schaden nehmen…
Siehe auch “So scheitert EUropa” (I) und “Neues Versagen auf dem Balkan”
Ute Plass
17. August 2015 @ 17:15
@ Peter Nemschak – “Würde die EU keine Waffen verkaufen, gäbe es deshalb um keinen Toten und Verletzten weniger. Das bedeutet für mich Realismus.”
Ein sehr zerstörerischer Realismus. Wie kann der Ausstieg aus diesem gelingen?
Peter Nemschak
17. August 2015 @ 21:31
Ebo hat recht. Sein Beitrag handelt von Flüchtlingen, nicht von Waffen. Also, lassen wir das für eine passendere Gelegenheit.
Peter Nemschak
17. August 2015 @ 14:44
@ebo das hat mit neoliberalem Denken überhaupt nichts zu tun, eher damit dass Griechenland bisher noch nicht bei der EU aktiv geworden ist und der EU für solche Fälle supranationaIe Institutionen fehlen, die auf Anforderung eines Mitgliedslandes rasch und unkompliziert eingreifen können, eine Art stehende zivile Eingreiftruppe für Katastrophenfälle. Das unterscheidet die EU vom Bundesstaat USA, der im übrigen wesentlich neoliberaler denkt als die EU.
Gudrun Vetter
17. August 2015 @ 12:59
Die EU müßte mit EU-Geldern (die auch die Staaten, die sich weigern Flüchtlinge aufzunehmen, mitfinanzieren), Flüchtlings-Camps in den Mittelmeer-Anreinerstaaten unterhalten, wo die Flüchtlinge (aus Afrika, Afghanistan, Vorderem Orient usw), menschenwürdig untergebracht werden, bis sie wieder in ihre Heimatländer zurück können. Damit wurde man ihnen die gefährliche Passage übers Mittelmeer ersparen.
Wenn sie trotzdem mit Schleuserschiffen oder auf dem Landweg kommen, müßten sie
sofort in diese Camps zurück transportiert werden weil sie dort in Sicherheit und gut versorgt wären. Der Flüchtlingsstrom würde dann bald nachlassen und nur die wirklich Bedrohten würden in diesen Camps eine sichere Bleibe finden.
Das würde sicher billiger kommen, als diese Menschen in Europa integrieren zu wollen, mit dem zu erwartenden Familiennachzug von Großfamilien und dem Sicherheitsrisiko.
Peter Nemschak
17. August 2015 @ 10:54
@ebo Selbstverständlich braucht Griechenland administrative Hilfe von der EU, die selbst mit dem Flüchtlingsproblem nur höchst unzulänglich, wenn überhaupt zu Rande kommt. Nur: wurde diese Hilfe von Griechenland überhaupt angefordert und von der EU abschlägig behandelt? Dann wäre der zuständige Kommissar vor dem EU-Parlament rechenschaftspflichtig.
OXIgen
17. August 2015 @ 03:08
Das derzeitige Flüchtlingsdrama ist nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird. Wenn der ungarische Grenzzaun fertiggestellt ist und dort keine Maus mehr durchkommt, wird Serbien von der EU dazu erpresst werden, riesige Auffanglager bereitzustellen, um die Flüchtlingsflut aufzuhalten. Mazedonien, bislang nur Transitland, ist jetzt schon heillos überfordert und tut das einzige was es tun kann: durchwinken. Bis auch das nicht mehr geht, weil Serbien niemanden mehr aufnehmen kann. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Balkan (wieder) zum Pulverfass wird.
Die EU, die dieses Drama zu einem großen Teil mit verursacht hat, könnte es selbst mit wirklich humanitärer Hilfe nicht mehr lösen. Denn je mehr Menschen geholfen wird, je mehr wenigstens vorläufig bleiben können, desto mehr werden ihnen folgen wollen. Die USA, die wahren Schuldigen an dem Elend, die ein Land nach dem anderen in Schutt und Asche bomben, sind fein raus, denn der Atlantik ist für Schlauchboote nun mal unüberwindlich.
Der Krieg der Reichen gegen die Armen ist in ein neues Stadium eingetreten und nimmt Fahrt auf. Ihren tadellosen Ruf hat die EU übrigens schon lange verloren, vor allem bei ihren eigenen Bürgern, der letzte noch vorhandene Rest wurde am 13. Juli 2015 in den historischen Mülleimer gekippt. Die einzige Lösung der Probleme liegt dort, wo sie verursacht werden. Aber das ist so völlig gegen die Interessen der Soziopathen, wie winston sie richtig benennt, dass man sich da keinen Illusionen hingeben sollte.
winston
16. August 2015 @ 22:02
USA, Russland und China haben auch nicht Afrika vor der Haustür wie Europa.
Eine Destabilisierung Syriens und vor allem Libyens ist aus Europäischer Sicht an Dummheit kaum noch zu überbieten.
Es wird jeden Tag klarer, Europa wird von Soziopathen und Psychopathen regiert.
Ute Plass
16. August 2015 @ 21:24
@Peter Nemschak – “Verkaufen die Mitglieder der EU keine Waffen, werden es andere tun und tun es ohnedies (USA, Russland, China etc.). Etwas mehr Realismus ist angebracht.”
Bedeutet Ihr Realismus, dass, wenn andere Verbrechen begehen, dieser die eigenen rechtfertigt?
Peter Nemschak
17. August 2015 @ 10:16
Würde die EU keine Waffen verkaufen, gäbe es deshalb um keinen Toten und Verletzten weniger. Das bedeutet für mich Realismus.
ebo
17. August 2015 @ 10:28
Waffen? In meinem aktuellen Post geht es um Flüchtlinge, die von der Türkei nach Griechenland geschleust werden – und die EU schaut zu. Was sagen Sie dazu?
Carlo
16. August 2015 @ 20:17
Herr Nemschak, falls es Ihnen entgangen ist: Meine Beschreibung ist die Realität. Ohne “wenn” und “aber”.
Wie kommen Sie darauf, meinen Realitätssinn in Frage stellen zu wollen? Denken sie ernsthaft, dass Sie mit mir diskutieren können? Sie schaffen es nicht einmal, auf Fragen einzugehen, geschweige sie zu beantworten. Sie füllen Ihre Texte mit neoliberalen Phrasen und hoffen vielleicht, dass alle Welt sie schluckt. Da sind Sie bei mir an der falschen Adresse.
Peter Nemschak
16. August 2015 @ 20:35
Sie werden doch nicht behaupten, dass Russland, die USA China und andere keine Waffen in hohen Umfang Waffen in Krisengebiete liefern. Mit moralisieren werden Sie die Welt nicht verbessern sondern sich bestenfalls selbst befriedigen. Was hat das alles mit neoliberal zu tun?
Carlo
16. August 2015 @ 22:21
Nein, das werde ich nicht behaupten und ich tat es an keiner Stelle. Ebenso schrieb ich nicht, dass ich Waffenproduktion und Waffenhandel grundsätzlich für moralisch verwerflich halte. Das habe ich nun nachgeholt.
Neoliberal stand in meinem Text, aber in einem anderen Kontext. Mit verstehendem Lesen würde man darauf stoßen.
rainer
16. August 2015 @ 20:09
…geal wie die EU scheitert, Hauptsache sie scheitert….
Carlo
16. August 2015 @ 18:57
Wer Waffen nach überall verkauft, muss von überall Flüchtlinge nehmen. Nur, die Gewinne aus den Waffenexporten werden privatisiert, aber die Kosten durch die Flüchtlinge werden vergesellschaftet.
Naja und dass die ein EU hilfloser Zuschauer ist, habe ich nicht anders erwartet. Man hat nicht einmal die Probleme auf dem eigenen Kontinent unter Kontrolle, wie will man sich da um die Welt kümmern.
Die EU ist ein schlecht gemachtes Patchwork-Gebilde der Finanz-, Wirtschafts- und Politikeliten. Dementsprechend wird es erst aktiv, wenn entweder hohe Gewinne oder hohe Verluste absehbar sind. Um Menschenrechte kümmert sich niemand, sonst gäbe es auch für GR, ES oder PT andere Lösungen.
Peter Nemschak
16. August 2015 @ 19:12
Verkaufen die Mitglieder der EU keine Waffen, werden es andere tun und tun es ohnedies (USA, Russland, China etc.). Etwas mehr Realismus ist angebracht.
DerDicke
17. August 2015 @ 13:53
DIESE Argumentation liebe ich, damit kann man jede – aber auch wirklich jede – Schweinerei rechtfertigen.
Darüber kommt nur noch “wir erschießen einfach alle, der liebe Gott wird sie dann schon richtig sortieren”.
Schmarri
17. August 2015 @ 14:56
Ich habe aber im ganzen Leben noch keine Waffe verkauft, und ich kenne auch sonst keinen Deutschen, der das getan hätte…
Aber egal, Hauptsache, man kann sich mal wieder an die Brust schlagen und sich schuldig fühlen. Ein Buntland voller Masochisten. Der Islam lacht sich scheckig, und nicht bloß der, auch und vor allem unsere Freunde und Besatzer, die “unsere”(!!) Waffen so gerne einsetzen. Aber klar, USA sind sakrosankt. Ein so gehirngewaschenes Volk wie die Mainstreamdeutschen gibt es kein zweites Mal auf der Welt. Kein Gedanke an die seit 70 Jahren nicht mehr vorhandene Souveränität unseres Landes, keiner an die massive Unterwanderung des Landes mit ausländischen Geheimdiensten, keine Ahnung von Geopolitik… Auf, ihr Schafe, zur Schlachtbank, und der Carlo scheint vorangehen zu wollen.
luciérnaga rebelde
16. August 2015 @ 18:31
Da nützt kein “tadelloser Ruf der EU” solange als sie andrerseits dauernd imperialistische -als humanitäre Hilfe beschönigte- Kriege anzettelt. Dass dies Flüchtlinge zur Folge hat, und zwar nicht zehntausende, sondern millionen, scheint den Norden nicht sehr zu tangieren solange als der Süden diese Ströme immer noch abfangen kann. Dass dies eine riesige Belastung für die bereits an Brechpunkt angelangten Länder bedeutet, scheint die Eurogruppe nicht besonders zu interessieren. Wird aber mal krachen, und dann was?
Johannes
16. August 2015 @ 18:06
“Athen fehlt nämlich die zur Umsetzung nötige Verwaltung” Ach was, ich dachte Griechenland hat eine gute Verwaltung.
Und die EU müsste Beamte schicken? Ist ja was ganz Neues was hier verlangt wird, genauso das macht die EU schon, aber eben nicht beim Thema Flüchtlinge. Wie wird das aufgenommen, hier auf dem Blog und in GR???? Genau!
Warum höre ich eigentlich nicht hier auf dem Blog, das der “hässliche Italiäner” zurück ist, das der “braune Österreicher” zurück ist, wird hier mit zweierlei Maß gemessen?
Griechenland hasst Ausländer, in Deutschland würde man dafür als Nazi beschimpft werden, aber Griechenland darf ja alles.
Alles wie immer, Deutschland soll zahlen … man überlege sich was in der EU los wäre, würde Deutschland auf das Dublin Abkommen setzen und Flüchtlinge zurück nach Italien und GR schicken würde.
ebo
16. August 2015 @ 21:36
@Johannes Es geht um eine Finanzverwaltung, die EU-Gelder aufnimmt. Sie wird auf Anordnung der Troika neu aufgebaut. Und das dauert… Deshalb sollte die EU, wenn es sie ernst meint mit der Flüchtlingshilfe, Griechenland zu einem Notstandsgebiet erklären und selbst die Dinge in die Hand nehmen. Stattdessen macht man Athen immer neue Vorschriften und Auflagen und klagt dann auch noch, dass auf der entferntesten Insel ein Chaos herrscht…
Peter Nemschak
17. August 2015 @ 12:06
EU-Fördergelder gab es seit Beitritt Griechenlands zur EU in den 80-er Jahren des letzten Jahrhunderts. Hat Griechenland diese Gelder mangels Finanzverwaltung nie in Anspruch genommen? Offenbar hindert der sogenannte nationale Stolz (worauf?) Griechenland Hilfe anzufordern und sich als Notstandsgebiet erklären zu lassen.
ebo
17. August 2015 @ 13:46
Wie gesagt, es handelt sich um eine Anordnung der Troika. Dass GR ein Notstandsgebiet ist, ist offensichtlich; indes hindert das neoliberale Denken in Berlin in Brüssel die Gläubiger daran, dies endlich anzuerkennen.