“Sind nun alle verrückt geworden?”

Die USA und die EU drehen weiter an der Sanktionsschraube gegen Russland. Bei einem außerplanmäßigen G-7-Treffen in Den Haag wurden die nächsten Schritte besprochen. Doch wohin führt die Eskalation? Geradewegs in die Sackgasse, warnen erfahrene Diplomaten.

Sie haben den Kalten Krieg erlebt, die Sowjetunion mit abgewickelt und die Balkankriege beendet. Doch jetzt verstehen die erfahrensten Strategen und Diplomaten des Westens die Welt nicht mehr.

Fast unisono warnen sie vor einer Eskalation ohne Ende, einer Konfrontation ohne Exit-Strategie. Hier ein paar Beispiele, die zum Nachdenken anregen sollten:

H. Kissinger, ehemaliger US-Außenminister

Public discussion on Ukraine is all about confrontation. But do we know where we are going? In my life, I have seen four wars begun with great enthusiasm and public support, all of which we did not know how to end and from three of which we withdrew unilaterally. The test of policy is how it ends, not how it begins.

H. Kujat, ehemaliger Generalinspekteur Bundeswehr und  ExVorsitzender des NATO-Militärausschusses:

Wenn man das Krisenmanagement der Europäischen Union betrachtet – im Wesentlichen gestaltet von Deutschland – da kann einem angst und bange werden. (Es werde nicht deeskaliert, sondern eskaliert.) Man spricht nicht miteinander, man spricht übereinander.

Ch. Hill, US-Unterhändler bei den Dayton-Gesprächen:

At a time when the instinct is quite understandably to throw the book at the Russians, real statesmanship will be needed. To use the cliché of the month in Washington, everybody needs an exit ramp. The question is whether there are enough good drivers.

Lord D. Owen, ehemaliger EU-Verhandler in Ex-Jugoslawien:

For G8 heads of government to indulge, until this highly sensitive issue is resolved, in tit-for-tat sanctions and boycotts is below the level of events and everyone can see that. There is no substitute for nitty, gritty compromise which, if successful over Crimea and East Ukraine, should extend to all those other boundary disputes which have the potential to spark conflict in Georgia, Kosovo, Nagorno Karabakh and Moldavia.

J. Attali, ehemaliger Mitterrand-Berater:

Il m’arrive parfois de demander s’il est possible d’avoir raison contre tout le monde. Ou bien s’il faut se résigner à penser que l’unanimité vaut raison. Au vu du tour que prend l’affaire ukrainienne, je me sens cependant renforcé dans ma première intuition, exprimée ici : il est fou, pour l’Occident, de faire du problème de la Crimée l’occasion d’une confrontation avec la Russie.

Der Franzose Attali gefällt mir persönlich am besten. Sind denn alle verrückt geworden, oder liege ich total daneben, fragt er sich sinngemäß. Mir geht es ganz ähnlich…

Siehe zu diesem Thema auch “Alle gegen Putin” sowie meinen Kommentar auf Cicero online: “Europas Ukraine-Politik ist krachend gescheitert”