Sie reden von Vertrauen
Zieht Finanzminister Schäuble den Stecker in Griechenland? In einer Podiumsdiskussion warf der CDU-Mann der Linksregierung in Athen vor, alles Vertrauen zerstört zu haben. Welches Vertrauen?
Mit Vertrauen ist es so eine Sache. Es gibt mehrere Arten davon. Ein persönliches, ein politisches, ein demokratisch beglaubigtes und ein kommerzielles, wie es sich etwa auf den Märkten manifestiert.
Die ganze Politik der Euroretter, Schäuble vorneweg, war auf das Vertrauen der Märkte ausgerichtet. Um die Menschen in den Krisenländern ging es nie, um ihre demokratisch gewählten Politiker auch nicht.
Und so zögerten Schäuble & Co. keine Sekunde, Irland, Portugal und Spanien in schmerzliche Bailouts zu drängen, die diese Länder nie haben wollten und womöglich auch nicht gebracht hätten.
Sie zögerten keine Sekunde, gewählte Premierminister aus dem Amt zu drängen und Volksabstimmungen zu verbieten oder – wenn das nicht ging – in ihr Gegenteil umzudrehen.
Das fing schon vor der Eurokrise mit den Referenden in Frankreich, den Niederlanden und Irland an: Der in Berlin konzipierte Lissabon-Vertrag wurde gegen den Willen der Wähler durchgeboxt.
Das ging weiter, als Ex-Premier Papandreou in Griechenland ein Referendum über die “Rettung” seines Landes abhalten wollte. Das war 2011. Danach ging das Leiden der Griechen erst richtig los.
Und es geht auch heute weiter, wenn sich die Eurogruppe über die neue Regierung in Athen hinwegsetzt und die alten, längst gescheiterten Konditionen erneuert, als wenn nichts geschehen wäre.
Schäuble & Co. haben nicht einmal gefragt, warum die Griechen der konservativen Vorgänger-Regierung das Vertrauen entzogen haben. Dabei war die doch angeblich auf “gutem Wege”…
P.S. Wenn Schäuble es ernst meinte, müsste er jetzt die EU-Hilfen für Griechenland stoppen. Das wird er aber nicht tun, da habe ich vollstes Vertrauen 🙂
Heidi Preiss
17. März 2015 @ 20:29
Alles, was die griechische Regierung vorschlug, wurde kategorisch abgelehnt. Umgekehrt kam kein Vorschlag aus Berlin, wie die Not der Griechen gemindert und die med. Katastrophe aufgehalten werden soll.
Es scheint nicht wirklich um Geld zu gehen, nein, ein Erfolg der Syriza wird gefürchtet. Könnte ja Schule machen.
M.E. geht es auch überhaupt nicht um eine Aufbauhilfe für die griechische Wirtschaft, sondern um eine von demokratisch nicht legitimierten Kommissaren der Glücksrittervereinigung überwachte Ausbeutung des Landes und seines öffentlichen Eigentums.
Tim
17. März 2015 @ 22:58
@ Heidi Preiss
Die “Ausbeutung des Landes und seines öffentlichen Eigentums” wurde bislang schon von den griechischen Eliten vorbildlich erledigt. Dazu braucht Griechenland keine Troika.
Was Griechenland braucht, ist eine glaubwürdige Formulierung der Position, daß man ein moderner und leistungsstarker Rechtsstaat sein möchte. Daran hat es in den letzten 30 Jahren sehr gefehlt, weshalb auch in den derzeitigen Verhandlungen völlig zu recht niemand Vertrauen in die griechische Regierung hat.
Griechenland ist wohl leider der erste failed state in der EU.
Anna
17. März 2015 @ 18:22
Vertrauen setzt zwei Seiten voraus, die untereinander vertrauen. Und immer mehr Buerger/Parteien der EU vertrauen nicht mehr der anderen Seite. Das Misstrauen gegenueber Deutschland wird immer groesser (auf jeden Fall in Spanien). Ich lese viele spanische Kommentare, es entwickelt sich ein regelrechter Hass gegen das Austeritaetsregime von Angela Merkel.
Ich hoffe fuer die Griechen, dass sie einen neuen Weg finden, raus aus dem Euro. Und moeglicherweise werden dann andere Suedlaender folgen (ich bin gespannt, wie naechsten Sonntag Podemos in Andalusien bei den Wahlen abschneiden wird; koennte eine Ueberraschung werden 😉 )
Peter Nemschak
17. März 2015 @ 13:53
Vertrauen bilden heißt das zu tun, was zugesagt wurde. Griechische Regierungen der letzten 40 Jahre haben diesbezüglich wenig getan. Auch die jetzige Regierung bleibt vage in ihren Ankündigungen. Das Wort “Nachvollziehbarkeit” scheint sie nicht zu kennen.
cashca
17. März 2015 @ 12:33
Ein Mann wie Schäuble hat jedes Recht verwirkt von Vertrauen zu reden. Er selbst ist der größte Täuscher, Irreführer und Trickser, er täuscht sogar das eigene Volk.
Er war maßgeblich daran beteiligt, die Grechen in die Schuldenfalle zu locken.
Wie könnten die Griechen diesem Mann noch vertrauen.
Es ist also umgekehrt, die EU, Brüssel und ihre Herrscher haben das Vertrauen verspielt. Sie haben sich pausenlos über das Recht gestellt, es ausgehöhlt, wo es nur gerade für sie notwendig war, gelogen und betrogen nach Strich und Faden.
Solche Leute sollen den Mund in Zukunft halten, am besten abtreten.
Peter Nemschak
17. März 2015 @ 13:56
Woher wollen Sie wissen, dass “diese Länder” bail-outs nicht gebraucht hätten? Der Kapitalmarkt war für diese Länder nach 2008 entweder geschlossen oder nur zu prohibitiven Konditionen erreichbar.