Sie reden von „Hausaufgaben“

Bisher waren alle EU-Länder gleich – wenigstens auf dem Papier. Doch seit der Frankreich-Wahl scheinen neue Regeln zu gelten: Mitreden darf nur, wer „seine Hausaufgaben“ macht und strikt „durchregiert“. Doch wer definiert die Ziele, gelten sie auch für Deutschland?


Auf den ersten Blick ist E. Macron der aufsteigende Stern über dem EU-Himmel. Er hat nicht nur „alles richtig gemacht“, wie man neuerdings sagt. Er darf nun auch über Europas Schicksal mitbestimmen.

Arm in Arm mit Kanzlerin Merkel könne Macron nun die EU reformieren, heißt es in Brüssel. Darüber freuen sich nicht nur die Liberalen, sondern auch Grüne und Sozialisten, obwohl sie die Wahl krachend verloren haben.

Allein das lässt schon aufhorchen. Gibt es plötzlich keine Parteien und keine Programme mehr? Hat die „pensée unique“, wie man das TINA-Denken in Frankreich nennt, gesiegt? Gibt es keine Alternativen mehr?

Die EU-Reform hätte man früher haben können

Okay, in Frankreich ist es damit vorbei. Macron regiert mit absoluter Mehrheit, die Opposition zählt nicht mehr. Doch die EU-Reform, über die nun alle jubeln, hätte man auch schon früher haben können.

Exat dieselben Forderungen, die Macron nun als Präsident erhebt, hat er nämlich auch schon als Wirtschaftsminister gestellt. Auch Ex-Präsident Hollande wollte ein EU-Budget und einen „Neustart“.

Doch das haben Merkel und Kommissionschef Juncker geflissentlich ignoriert. Nun begrüßen sie die neuen alten Ideen, stellen aber eine neue Bedingung: Macron müsse „seine Hausaufgaben“ machen.

Hat UK denn seine „Hausaufgaben“ gemacht?

Ja, was soll das denn heißen? Haben Finnland und die Niederlande etwa „ihre Hausaufgaben“ gemacht, als sie gemeinsam mit Deutschland in der Eurogruppe den Ton angaben? Nein, sie steckten selbst in der Krise.

Hat Großbritannien etwa „seine Hausaufgaben“ gemacht, als es zusammen mit Deutschland das EU-Buget kürzte und eine gemeinsame Sicherheitspolitik blockierte? Nein, es hat die nationale Karte gespielt.

Doch nun gelten offenbar andere Regeln. Und Macron war so dumm, sie sofort zu akzeptieren. Um die EU zu erneuern, müsse man zuerst Frankreich wieder stark machen, heißt es neuerdings in Paris.

Die Reformen wurden längst eingeleitet

Auch das lässt aufhorchen. Ist Frankreich denn schwächer geworden? Es ist immer noch das zweitgrößte EU-Land, die Bevölkerung ist jung und dynamisch, die Produktivität hoch – höher als in Deutschland.

Die geforderten Reformen wurden auch schon längst eingeleitet – sogar unter Ex-Präsident Hollande, mit Ex-Wirtschaftsminister Macron. Haben das alle vergessen? Kritisiert sich Macron jetzt etwa selbst?

Nein, er verspricht Resultate. Er will eine höhere Wettbewerbsfähigkeit und mehr Wachstum, um mehr Jobs zu generieren. Damit folgt er eins zu eins dem neuen, von Merkel definierten EU-Mantra.

Resultate brauchen Zeit, viel Zeit

Dabei kosten Arbeitsmarkt-Reformen erstmal Jobs. Zudem hängt die französische Konjunktur mehr von der Binnennachfrage ab als von Exporten. Doch genau die wird mit angebotsorientierten Reformen geschwächt.

Und selbst wenn Macron seine „Hausaufgaben machen“ und die Hartz-Reformen eins zu eins umsetzen würde, könnte er nicht sicher sein, dass Wachstum und Jobs folgen. Sogar bei uns hat das Jahre gedauert.

Doch so viel Zeit hat die EU nicht mehr. Sie kann nicht auf Resultate in Frankreich warten, um den überfälligen Neustart zu wagen. Deswegen ist das Gerede von den „Hausaufgaben“ gefährlicher Unsinn.

Und wer definiert eigentlich diese Aufgaben? Müssen jetzt alle dem deutschen Modell folgen? Oder sollen die EU-Staaten die Vorgaben aus Brüssel umsetzen, sind Regierungen bloß noch Erfüllungsgehilfen?

Was ist mit den deutschen Hausaufgaben?

Damit würde die EU auf den Kopf gestellt. Auch demokratische Wahlen würden ihres Sinns entleert. Wenn die Wahlen nur noch das bringen dürfen, was Berlin und/oder Brüssel wünschen, sind sie sinnlos.

Und was ist eigentlich mit den deutschen „Hausaufgaben“? Mehr Investitionen, höhere Löhne, ein liberaler Handwerks- und Dienstleistungssektor? Das fordert die EU seit Jahren. Doch nichts passiert.

Merkel setzt sich souverän über die Forderungen aus Brüssel hinweg, trotz exorbitanter Leistungsbilanz-Überschüsse. Dieselbe Souveränität sollte man auch Frankreich zubilligen. Oder?

Illustration: Pixabay

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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