Selbstbewusstes Polen, marodes Europa (Update)

Die EU braucht mehr Solidarität – vielleicht auch eine neue Solidarnosc?

Nach Ungarn übernimmt nun Polen den EU-Vorsitz. Zum Auftakt der halbjährigen Ratspräsidentschaft erklärte Präsident Komorowski, er wünsche sich „ein starkes Polen in einem starken Europa“. Die Eurozone, der Polen trotz der grassierenden Schuldenkrise weiter beitreten will, brauche mehr Solidarität, aber auch mehr Disziplin, heißt es in Warschau. Die Euro-Länder müssten mehr sparen und die EU-Regeln einhalten.

Der ungarische Ratsvorsitz war in den letzten sechs Monaten vor allem durch innenpolitische Skandale und wirtschaftliche Probleme aufgefallen. Nun will Polen, wo die Wirtschaft boomt, der Union neuen Schwung geben und beweisen, dass es endgültig in Europa angekommen ist. In den letzten Jahren hatte es daran immer wieder Zweifel gegeben. Vor allem im Streit um die US-Raketenabwehr und den Georgien-Krieg hatte sich Polen isoliert.

Unter Komorowski und dem ebenso selbstbewussten wie proeuropäischen Premier Tusk dürfte es keine provozierenden Alleingänge mehr geben. Allerdings wird es Polen schwerfallen, das „alte Europa“ mitzureißen und eine neue Aufbruchstimmung zu erzeugen. Denn zum einen hat es – sieht man einmal von Deutschland ab – keine engen Partner. Das “Weimarer Dreieck” mit Deutschland und Frankreich döst vor sich hin; Anstöße sind derzeit keine zu erwarten.

Zum anderen ist die EU in einem beklagenswerten Zustand, aus dem sie weder der ständige Ratspräsident Van Rompuy noch die wechselnden nationalen Präsidentschaften – wie sie nun Polen innehat – befreien werden. Das europäische Projekt hat keine engagierten Anhänger in den 27 Hauptstädten mehr, wie der kleinliche und verlogene Streit um das künftige EU-Budget wieder einmal zeigt. Jeder denkt nur an sich und fordert “sein” Geld zurück – wie einst Maggie Thatcher.

Selbst Grundfesten der europäischen Einigung wie die Reisefreiheit sind nicht mehr heilig. Trotz zahlreicher Warnungen aus Berlin und Brüssel will Dänemark seine Grenzen nächste Woche dicht machen – angeblich, um Kriminelle abzuwehren. Zwar hat der EU-Gipfel erst letzte Woche beschlossen, dass die Grenzen nur in Ausnahmefällen geschlossen werden dürfen. Doch niemand hat die Autorität, dies auch durchzusetzen, wie selbst die New York Times beklagt.  

Die größten Probleme bereitet jedoch weiter die Schuldenkrise. Nachdem Griechenland knapp an einer Pleite vorbeigeschrammt ist, verlagern sich die Sorgen nun auf Irland, das ebenfalls einen zweiten Hilfsplan benötigen könnte. Zudem geraten Spanien und Italien immer mehr in den Sog der Krise. Selbst im nicht vom Euro abhängigen Großbritannien macht sich Angst breit; immer mehr Menschen protestieren gegen die rigorose Sparpolitik von Thatcher-Erbe Cameron.

Die Polen hätten sich wohl nicht träumen lassen, dass sie einst einem derart maroden Club vorstehen würden…

Nachtrag 3.7.11

Ausgerechnet beim wichtigsten Thema, der Schuldenkrise in der Eurozone, bleibt Polen außen vor. Zwar durfte Finanzminister Rostowski am Samstag an einer Telefonkonferenz der Eurogruppe teilnehmen. Er durfte jedoch nur zuhören – und das auch nur bei ausgewählten Themen. Dass Polen noch nicht den Euro hat, erweist sich bereits jetzt als Hindernis für die Arbeit in den nächsten sechs Monaten. Es sei denn, der Euro-Club öffnete sich. Dnn könnte allerdings auch Großbritannien ein Mitspracherecht fordern..

 

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