Seitensprung mit System

Erst ein Kurztrip in die Türkei, dann eine Umarmung mit Obama: Immer wenn sie in Bedrängnis gerät, sucht Kanzlerin Merkel außenpolitischen Glanz. Hinter den Abstechern steckt aber noch eine andere Absicht.


[dropcap]E[/dropcap]rinnert sich noch jemand an den Beginn der Eurokrise Anfang 2010? Monatelang hielt Merkel Frankreich und die EU-Kommission hin, bevor sie Hilfen an Griechenland bewilligte.

Das Ja kam aber nur unter einer Bedingung: dass der IWF mitmachen müsse. Ohne die Hilfe externer Experten, so die Kanzlerin, werde Deutschland nicht helfen.

Es war der Todesstoß für einen Europäischen Währungsfonds, wie ihn Finanzminister Schäuble herbeiwünschte – und macht die Eurozone bis heute abhängig vom IWF.

Genauso verfuhr Merkel im Ringen um die Ukraine: Sie kettete Europa an die USA – und verhinderte so, dass die EU einen eigenen Kurs fährt. Die gesamte Ostpolitik wurde so von Washington abhängig.

Ein weiteres Beispiel ist die Türkei. Just in dem Moment, da einige EU-Staaten die Balkanroute abriegelten, drückte Merkel ihren umstrittenen Flüchtlingsdeal durch. Es war ein Coup.

Denn nun sind die EUropäer auf Gedeih und Verderb von der Türkei abhängig. Sogar Ratspräsdient Tusk liefert plötzlich Ergebenheitsadressen nach Ankara – und PR-Lügen nach Brüssel.

Deutsche Hegemonie gestärkt

Drei Länder, eine Strategie: Stets hat Merkel den außen- und wirtschaftspolitischen Seitensprung gezielt gesucht und bewußt genutzt, um Europa schwach zu halten und Kritiker an die Kette zulegen.

Gleichzeitig hat sie damit die deutsche Hegemonie in der EU gestärkt. Kein Wunder, dass Obama die Kanzlerin mittlerweile mehr zu schätzen scheint als den britischen Premier Cameron.

Der wollte und will die EU zwar auch schwächen – aber durch einen Rückzug auf die Nation, der bald schon in die Isolation führen könnte. Merkels Strategie ist viel geschickter…