Das Schuldendrama wird zur Farce
Diesmal soll es nicht nur ein Durchbruch sein, sondern eine Wende: Bald könne Griechenland wieder auf eigenen Beinen stehen, behauptet die Eurogruppe. Doch die Fakten sprechen eine andere Sprache.
Nun haben also auch die Gläubiger geliefert. Nachdem sie Griechenland das härteste Reform- und Kürzungsprogramm aller Zeiten aufoktroyiert haben, gewähren sie nun endlich frische Hilfskredite.
Doch die 8,5 Mrd. Euro reichen gerade mal, um die nächsten fälligen Altkredite abzustottern und Schulden bei griechischen Unternehmen zu begleichen. Bei den Menschen kommt davon nichts an.
Zudem ist fraglich, ob die Summe ausreicht, damit Griechenland bald wieder auf eigenen Beinen steht, wie EU-Kommissar Moscovici behauptet. Bis Sommer 2018, wenn der 3. Bailout endet, reicht es wohl kaum.
Eine Farce ist schließlich die IWF-Beteiligung, die ja bekanntlich an Schuldenerleichterungen gebunden war. De facto wird es weder das eine noch das andere geben. Der IWF tut nur so, als komme er an Bord.
Finanziell wird er sich erst dann beteiligen, wenn es Schuldenerleichterungen gibt. Doch die Eurogruppe tut – auf Druck von Finanzminister Schäuble – alles, damit es nicht dazu kommt.
So hat sie beschlossen, dass Griechenland bis 2060 einen Primärüberschuss (vor Schuldendienst) von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung erwirtschaften soll. Das hat noch kein Land der Welt geschafft.
Solange der IWF nicht an Bord ist, wird aber die EZB Griechenland keinen Zugang zum Anleiheprogramm (“Quantative Easing”) gewähren. Damit bleibt Athen von günstiger Refinanzierung ausgeschlossen.
Und so entfällt auch das – vor allem von Frankreich geforderte – “positive” Zeichen für Investoren. Sie werden nun weiter warten und nichts tun – genau wie der IWF und die EZB.
“Kicking the can down the road” nennt man das. Das Schuldendrama geht weiter – aber es wird zur Farce. Diesmal sind es vor allem die Gläubiger, die unglaubwürdig werden.
Sie müssen diese unwürdige Maskerade mitmachen, damit Schäuble den Schein wahren und Wahlkampf für Kanzlerin Merkel führen kann. Aber das will natürlich niemand zugeben…
Siehe auch “Schäubles Schuldenfalle”
Sklave
17. Juni 2017 @ 14:46
Das einfachste wäre doch, Deutschland zu zerschlagen und anteilsmäßig auf die EU aufzuteilen. Die, die schon länger hier leben, können dann versklavt werden. Vielleicht gibt die EU dann Ruhe.
ebo
17. Juni 2017 @ 15:11
Die EU gibt schon lange Ruhe, sie wehrt sich nicht mehr gegen die Zumutungen Schäubles. Nur der IWF muckt noch auf, ein bisschen. Aber den kriegen wir schon auch noch auf Kurs…
Claus
16. Juni 2017 @ 14:38
So schreibt NZZ:
“Wie die IMF-Chefin Christine Lagarde, die an der Sitzung teilnahm, ausführte, wird sie dem IMF-Exekutivdirektorium in Kürze die grundsätzliche Genehmigung eines 14-monatigen Beistandsabkommens für Griechenland empfehlen. Es werde wohl in der Grössenordnung von 2 Mrd. $ liegen. Auszahlungen werde es aber erst geben, wenn die von den Europäern in Aussicht gestellten Schuldenerleichterungen «vollständig identifiziert» seien.”
Soweit zur IWF-“Beteiligung” von Herrn Schäuble, die absolut nichts mit dem zu tun hat, was im Bundestag abgesegnet wurde. Nun bin ich gespannt, ob der Bundestag erneut mit der Sache befasst wird – oder, im Sinne der Staatsräson – lieber nicht?
GS
16. Juni 2017 @ 11:21
“Kicking the can down the road” – nun, das ist das, was seit knapp 10 Jahren überall in der Welt passiert. In den USA ist bspw. die Summe der öffentlichen und privaten Verschuldung in % des BIP bereits auf höherem Niveau als 2008. Die Fed zieht einstweilen die Zügel an, Zinsen steigen und Bilanzsumme wird abgebaut – wie lange es wohl dauert bis der Ausstieg aus dem Ausstieg von der lockeren Geldpolitik vollzogen werden wird? Aber immerhin, man ist wenigstens etwas weiter als in Europa und gewinnt wieder Spielraum. Von der EZB kann man das nicht sagen.
In Griechenland läuft es genauso. In regelmäßigen Abständen ein neues Rettungspaket, vielleicht kommt nach der Bundestagswahl ja auch ein kleiner Schuldenschnitt, wer weiß? Aber wer glaubt, dass damit das Thema wirklich erledigt ist?
Dixie Chique
16. Juni 2017 @ 12:46
“Kicking the can down the road” ist, was Varoufakis damals als “extend and pretend” bezeichnete. De facto handelt es sich um eine befristete (bis mind. 2060) Annektion.
Ein geschichtlich beispielloser Vorgang, der genau deswegen auch nicht als das erkannt und benannt wird, was er ist.
Alexander
16. Juni 2017 @ 07:14
Zeit diesen Artikel von vor zwei Jahren wieder hervorzukramen:
„Kein Zweifel, Austerität ist die wichtigste politische Idee der Gegenwart. Das Erschreckende daran ist: Es ist eine Idee, die keine Theorie im Rücken hat, keine nachweisbaren Erfolge zeigt, dafür aber direkt zur grössten politischen Katastrophe des letzten Jahrhunderts führte.“
„Was immer mit Griechenland noch wird, das Ergebnis ist klar: Die Austerität steht als Doktrin fester denn je. Es ist egal, dass ihre Resultate vernichtend sind, dass ihre Sprache langsam sowjetisch klingt und dass niemand auch nur das geringste Vergnügen an ihr hat. Oder an Europa. Es ist die einzige Idee, die der Politik noch geblieben ist.
Und auf sie setzt ein ganzer Kontinent seine Zukunft.“
http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/Die-gefaehrlichste-Idee-Europas/story/27729647
Was die Regierungskunst von Merkel und Schäuble betrifft habe ich keine Zweifel, dass Historiker in 20 Jahren zu vernichtenden Urteilen gelangen werden!
Peter Nemschak
16. Juni 2017 @ 10:21
Um eine schuldenfinanzierte Ausgabenpolitik betreiben zu können, braucht es Kreditgeber, die bereit sind, diese zu finanzieren. Dieser Umstand wird gerne übersehen.
Dixie Chique
16. Juni 2017 @ 12:34
Noch besser wäre es, wenn sich neben den Historikern auch Den Haag mit den beiden befasste.
bluecrystal7
16. Juni 2017 @ 15:01
Vielen Dank für diesen Beitrag, Alexander! Besser kann man es nicht beschreiben!