Schluss mit Brüssel
Mehr Markt, weniger Föderalismus – London kriegt nach dem Brexit das Resteuropa, das es sich immer wünschte. Alles beruht auf dem souveränen Nationalstaat, die „immer engere Union“ ist tot. Ein Gastbeitrag.
Von Peter Riesbeck
Europa hat verstanden. Die Briten gehen. Und die EU macht Schluss mit immer mehr Integration. EU-Kommissionspräsident Juncker legte seine Agenda für das neue Resteuropa vor.
Die EU wird nicht nur kleiner, sie gibt sich auch bescheidener. Beispiel: Verteidigung. Im Vorjahr hatte Juncker noch den Aufbau einer europäischen Armee gefordert, jetzt ging es um mehr „strukturierte Zusammenarbeit“ zwischen den Mitgliedstaaten.
Das neue Europa richtet sich ein mit dem Nationalstaat und der Zusammenarbeit zwischen den Regierungen. Schluss mit Brüssel. Schluss mit Europas Finalität.
Die Konturen von Resteuropa werden sichtbar. Los von Brüssel heißt die Devise. Kleineuropa ruht auf dem souveränen Nationalstaat.
Und wo es nach 1945, um dessen Einhegung, gar Überwindung ging unter dem Stichwort Frieden ging, dreht es sich nun um Sicherheit.
Sie ist der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich das disparate Europa einigen kann. Innere Sicherheit (Anti-Terrorkampf), damit kann Frankreich leben, aber auch Deutschland. Die äußere Sicherheit (vor dem ungenannten Russland), dient Osteuropas Interessen.
Sicherheit ist wichtig. Nicht ohne Grund steht sie bei Thomas Hobbes am Beginn der Begründung des neuzeitlichen Staates. Ob sie zur Begründung des Kleineuropas reicht, ist fraglich. Zu tief sind die Gräben – gerade in der EU der 27.
Eine Ost-West-Lücke klafft entlang der Flüchtlingskrise, in der Wirtschaftspolitik spaltet sich Europa rund um die Debatte um Investitionen und Spardiszplinin entlang der Nord-Süd-Verwerfungslinie.
Deutschland ist zu groß
Und der Norden rund um den protestantischen Halbmond Holland, Dänemark, Schweden ist gänzlich heimatlos. Dazwischen sitzt der Klops: Deutschland.
Zu groß (und in der Flüchtlingspolitk befangen), um ehrlich zu makeln. Zu groß, um ohne Frankreich zu gestalten. Kleineuropa sucht noch nach seiner neuen Konstitution.
Auffällig: Von Demokratie ist wenig die Rede. Auch von Menschen. Wenn überhaupt, kommen sie – Stichwort Roaming – als Verbraucher vor.
Fiese Laune der Geschichte
Schon kursieren andere Pläne. Die Personenfreizügigkeit – gerade in Flüchtlingszeiten – einschränken, dafür den Binnenmarkt retten.
Britannien geht und erhält das Europa, dass es sich immer wünschte. Eine sich selbst beschränkende EU. Eine fiese Laune der Geschichte.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog „Maneken Pis“, der Originalpost steht hier
mister-ede
16. September 2016 @ 07:04
Ich kann mir eine solche EU gut vorstellen und auch, dass GB dann weiter Mitglied bleibt oder auch Norwegen in eine solche EU eintritt.
Eine Europäische Föderation, bestehend evtl. aus Portugal, Spanien, Italien, Frankreich, Benelux, Deutschland und Österreich, mit echter gemeinsamen Verfassung, einem vollwertigen Parlament, vollwertiger Regierung und viel Bürgerrückkopplung durch direktdemokratische Mittel ist dann ja auch problemlos möglich.
http://www.mister-ede.de/politik/die-europaeische-foederation/5216
S.B
15. September 2016 @ 21:15
„Britannien geht und erhält das Europa, dass es sich immer wünschte. Eine sich selbst beschränkende EU. Eine fiese Laune der Geschichte.“
Ich würde sagen: Eine gerade noch rechtzeitige, glückliche Fügung gegen die sich wie eine Krake in jeden Lebensbereich einmischende, zutiefst undemokratische EU-Diktatur. Ich habe keine Ahnung, wie man so etwas hinterhertrauern kann.
Ein Europa der kooperierenden Nationalstasten ist völlig ausreichend. Staatsübergreifende Nivellierung von allem und jedem ist unangebracht.
@Peter Nemschak: Warum Weltoffenheit, so weit gefasst und undifferenziert, wie sie derzeit praktiziert wird, ein Fortschritt in der Evolution sein soll, erschließt sich mir nicht. Sie mag eine Weiterentwicklung (gewesen) sein. Aber nicht jede Weiterentwicklung ist ein Fortschritt.
Die Kleinstaaterei hat lange Zeit das Sicherheitsproblem wesentlich effektiver gelöst, als die „weltoffene“, grenzenlose und damit ungeschützte EU. Wer das Gegenteil behauptet, betreibt Realitätsverweigerumg.
Peter Nemschak
15. September 2016 @ 20:52
Dass Kleinstaaterei das Sicherheitsproblem nicht löst, sollte jedem geschichtsbewussten Menschen bekannt sein. Ich bin überzeugt, dass wieder weltoffenere Zeiten kommen werden. Der Fort-Schritt der Evolution ist eben nicht linear wie wir wissen. Intelligente und tüchtige Individuen werden sich wie immer auch in schwierigen Zeiten einzurichten wissen.