Schlecht beraten

Mit seiner Kritik an der europäischen Ukraine-Politik hat Altkanzler Schröder einen wunden Punkt getroffen. Ganz ähnlich haben vor ihm schon die US-Experten Brzezinski und Kissinger argumentiert. Doch an Brüssel prallt die Kritik ab, die EU steuert unbeirrt auf die nächste Eskalation zu.  

Es sei ein grundlegender Fehler gewesen, Russland nicht von vorne herein in das geplante EU-Assozierungsabkommen einzubeziehen, so Schröder. Die EU-Kommission denke nur an Zölle, nicht an Geopolitik.

Ganz ähnlich argumentieren die Altmeister der US-Realpolitik, Brzezinski und Kissinger. Statt die Ukraine mit Gewalt in EU und Nato zu zerren, sollte man eine „Finnlandisierung“ anstreben, um den Konflikt zu entschärfen.

Ein neutraler Status zwischen Europa und Russland, mit engen Handelsbeziehungen zu beiden Mächten – das wäre in der Tat die beste Lösung für den aktuellen Konflikt. So ließe sich sogar die Krim-Frage lösen.

Das Problem ist nur, dass niemand in Brüssel so weit denkt. Ich habe mir mal angeschaut, was die zahlreichen europäischen Thinktanks zur Ukraine geschrieben haben – niemand kam auf diese nahe liegende Lösung.

Alle haben sie eine schnelle EU-Assoziierung gefordert, niemand hat – wie amerikanische Experten – vor den negativen Folgen für die ukrainische Wirtschaft gewarnt. Debatte? Fehlanzeige. Strategie? Keine.

Auch jetzt zeichnet sich kein Umdenken ab. Im Gegenteil: Bei den „führenden“ Experten von Carnegie über den German Marshall Fund bis zum European Council on Foreign Relations  geben die Falken den Ton an.

Die EU ist außenpolitisch schlecht beraten – und hoffnungslos zerstritten. Weil sie keine gemeinsame Strategie zustande bringt, klammert sie sich an ihre bizarren Beschlüsse – und bereitet die nächsten Sanktionen vor.

Schon am Montag sollen die EU-Außenminister die „zweite Welle“ der Reiseverbote und Kontensperrungen gegen Russland beschließen, gleich nach dem prorussischen „Referendum“ auf der Krim.

Und wenn das nichts ändert? Dann kommt die dritte Eskalationsstufe – mit Handelssanktionen. Und wenn das auch nicht hilft? Dann muss der Friedensnobelpreisträger wohl ein bisschen Krieg spielen, oder was?