Schizophrene Euro-Chefs (Update)

Der neue Zinsschritt hilft nicht mal gegen die Inflation

Mitten in der schlimmsten Schuldenkrise erhöht die Europäische Zentralbank ihren Leitzins von bisher 1,25 auf 1,5 Prozent. Die EZB setzt sich damit sowohl von der Federal Reserve in den USA als auch von der Bank of England ab. Der Alleingang erschwert die Erholung in den drei Krisenländern Griechenland, Portugal und Irland und beweist einmal mehr, dass sich die EZB zuallerst dem Kampf gegen die Inflation verpflichtet fühlt.

Das Problem ist jedoch, dass die Preissteigerung in Euroland nicht hausgemacht ist, sondern über Energie- und andere Rohstoffpreise importiert wird. Die Zinserhöhung wird gegen diese importierte Inflation nicht viel ausrichten. Auch zur Stabilisierung des Euro trägt sie nichts bei, da der Zinsschritt an den Märkten bereits eingepreist war. Kurz: Die EZB-Entscheidung verpufft wirkungslos, verschärft aber die Lage in den Euro-Krisenländern.

Doch nicht nur EZB-Chef Trichet verhält sich dogmatisch und in der Krise wenig zielführend.Auch Eurogruppenchef Juncker, EU-Währungskommissar Rehn, Bundesfinanzminister Schäuble und all die anderen Möchtegern-Euro-Führer versagen. Statt – wie verprochen – einen neuen, dringend benötigten Hilfsplan für Griechenland auszuarbeiten, haben sie dieses brennende Thema am letzten Wochenende kurzerhand vertagt. Vermutlich kommt erst im Herbst ein Entwurf.

Und statt Portugal zur Seite zu springen, das nach dem jüngsten Downgrading durch Moody‘s völlig hoffnungslos und verloren dasteht, schweigen die Chefs. Zwar hat Binnenmarkt-Kommissar Barnier es immerhin gewagt, Moody’s zu kritisieren und die Ratings EU-gestützter Staaten in Frage zu stellen. Doch bisher steht er damit allein. Jeder agiert für sich, nach seinen eigenen Gesetzen – ganz so, als gäbe es die Schuldenkrise nicht..

Gefragt wäre dagegen ein offensives und konzertiertes Vorgehen. Die EZB sollte ihre zinspolitischen Vorstöße so lange beenden, bis die Schuldenkrise in Euroland gebannt ist. Juncker und Rehn sollten die Rating-Agenturen in die Schranken weisen und entsprechende Gesetzesvorschläge auf den Tisch legen. Und Schäuble sollte endlich aufhören, Bürger und Märkte mit immer neuen Alleingängen zu verunsichern.

Doch davon sind wir weiter entfernt denn je. Die Eurozone wirkt schwach und schizophren – kein Wunder, dass die Märkte diesen merkwürdigen Club bei jeder Gelegenheit testen und provozieren… 

 

Nachtrag 8.7.11

In einem Punkt muss ich mich korrigieren: Die EZB hat doch ein Herz für Portugal und will portugiesische Anleihen weiter als Garantien akzeptieren – ungeachtet des Downgradings durch Moody’s. Allerdings dürfte dies nicht viel helfen, denn in Griechenland praktiziert die EZB dies bereits – mit den bekannten Ergebnissen…

 

Nachtrag 11.7.11

In zwei von drei EU-Länder werden die Reallöhne in diesem Jahr sinken, prognostiziert das WSI in Düsseldorf. Die Löhne und Gehälter werden also nicht – wie von der EZB befürchtet – zur Inflation beitragen, im Gegenteil. Auch aus diesem Grund ist die jüngste Zinserhöhung unsinnig.

 

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