Schäubles bitteres Erbe
Um Griechenland ist es etwas ruhiger geworden. Das heißt aber nicht, dass es dem Land besser ginge, wie sich in der Sommerpause gezeigt hat. Auch die Austerität geht munter weiter. – Teil fünf der Serie “Ein Jahr danach”
Bis 2060 soll Griechenland eine willenlose europäische Schuldenkolonie bleiben. Wenn es gut läuft, sinkt die Schuldenquote bis dahin auf 62 Prozent (von derzeit 176). Wenn nicht, könnte sie aber auch auf 258 Prozent steigen – was permanente Austerität bedeutet. Bleibt nur die Frage, ob bis dahin nicht alle Griechen ausgewandert sind…
Mit diesen Worten kommentierte ich vor einem Jahr die Pläne von Finanzminister Schäuble, Griechenland auch nach dem Ende des laufenden dritten Bailouts im Jahr 2018 zu knebeln.
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“Automatische Austerität – bis 2060?” hieß damals die ungläubige Frage. Heute wissen wir, dass sich Schäuble auch mit diesem unglaublichen Plan durchgesetzt hat. Der Alptraum nimmt kein Ende.
Das sieht man auch an den Entwicklungen dieser Tage. Die Gläubiger haben zwar wieder einen Hilfskredit ausgezahlt – es soll der letzte sein. Doch die Frage des Schuldenschnitts ist weiter ungeklärt.
Deshalb hat sich der IWF auch immer noch nicht beteiligt – entgegen Schäubles Zusagen an den Bundestag. Wenn die Abgeordneten Mumm hätten, würden sie den CDU-Mann dafür grillen.
Stattdessen lastet der Druck weiter auf der Linksregierung in Athen. Sie muss jetzt mal eben 95 “prior actions” umsetzen, um wieder das Plazet der Troika (plus ESM) zu bekommen.
Das dürfte Premier Tsipras mindestens bis zum Jahresende in Atem halten. Schäubles bitteres Erbe belastet Griechenland und EUropa bis über seine Abwahl/Neuwahl hinaus!
Immerhin gibt es einen Hoffnungsschimmer: Währungskommissar Moscovici hat die undemokratischen Strukturen der Eurogruppe gebrandmarkt und Reformen gefordert. Ob in Berlin jemand zuhört?
Teil vier steht hier, die nächste Folge kommt am Freitag.
GS
6. September 2017 @ 18:02
Hätte als Grieche schon längst Staatsbankrott angemeldet und eine eigene Währung eingeführt. Warum halten die Griechen nur an die für sie ruinöse Konstruktion fest?
Peter Nemschak
6. September 2017 @ 20:11
…weil sie trotz allem für die Griechen vorteilhaft ist. Griechenland gehört so wie andere Länder im Süden zu jenen mit einer wesentlich ungleicheren Einkommens- und Vermögensverteilung als in Deutschland. Diese zu korrigieren ist nicht Sache der EU sondern der Griechen.
Dixie Chique
7. September 2017 @ 11:48
@GS
..weil sie nicht das Glück haben, wie Island geographisch recht isoliert, sondern mitten auf der Bruchlinie zwischen Team Rot und Team Blau – um es mal mit den Worten Pepe Escobars zu formulieren – zu liegen. Sie sind sich nicht nur der fortdauernden deutsch-türkischen, anti-orthodoxen Achse bewußt, sondern müssen auch den Wünschen des US-Imperiums entsprechen, was der NeoLiberalCon Obama mit seinen symbolträchtigen Besuchen in Athen dereinst klarzustellen sich beeilte. Von dieser Seite besteht nicht nur massives Interesse an ägäischen Gas- und Ölvorkommen und an militärischer Bewegungsfreiheit in der Region, auch die EU als wesentlicher Baustein des Imperiums sollte nun nicht gerade in dieser kritischen Zeit an dieser kritischen mediterranen Bruchstelle auseinanderfliegen, bloß weil die naive örtliche Bevölkerung mit ihrem Referendum die neoliberale EU-Kröte als solche für alle sichtbar entlarvt hatte.
@Herr Nemschak
Ihre wiederholten Herablassungen zum Wesen der “Länder im Süden” könnten nach gängiger Definition als triggernde Hate Speech gelesen werden. Ich störe mich daran zum Glück nicht, meiner bescheidenen Meinung nach beinhaltet “freie Meinungsäußerung” logischerweise auch “Free Hate Speech”. Allerdings finde ich Ihr borniertes Ausblenden verfügbarer Fakten und das daraus resultierende Nicht-Verstehen-Wollen mühsamer und verheerender als bloße Begriffsstutzigkeit.
Peter Nemschak
7. September 2017 @ 17:17
Was die größere Einkommens- und Vermögensungleichheit des Südens vergleichsweise mit Deutschland und den Ländern des Nordens betrifft, ist diese ein Faktum. Meine Meinung, dass Griechenland auf Grund seiner strukturell wirtschaftlich schwachen Situation nicht in die Eurozone gehört, ist nicht nur meine sondern die Einschätzung von Experten. Das hat mit hate-speech nichts zu tun. Von Ihren Phantasien betreffend das US-Imperium halte ich nichts. Griechenland wird mit oder ohne Euro Mitglied der NATO und der EU bleiben. Im übrigen dauert die von Ihnen kritisierte neoliberale Periode nunmehr 40 Jahre. Die Wähler hatten im demokratischen Westen bei zumindest 10 nationalen Wahlen die Gelegenheit diesen wirtschaftspolitischen Ansatz abzulehnen und einen alterativen zu fordern. Bleiben Sie am Boden der Realität mit Ihren Äußerungen.
Dixie Chique
8. September 2017 @ 13:07
Ihre tiefenanalytische Beweisführung ist bestechend .. “ich halte nichts davon, also phantasieren Sie, und somit erübrigt sich auch der Rest” !
Wie soll ich nur wieder auf den Boden der Realität zurückfinden, wenn Sie mir diesen so stringent unter den Füssen wegziehen??
Sapperlot, können wir uns glücklich schätzen, daß wir in Kürze wieder mal echte Gelegenheit haben, eine wirtschaftspolitische Alternative einzufordern. Die ollen Griechen haben das 2015 ja auch hingekriegt. Nicht auszudenken, wenn die auch noch dem demokratischen Westen zuzuordnen wären..