“Schäuble will uns rausdrängen”
Kurs vor der wohl entscheidenden Sitzung der Eurogruppe hat sich Ex-Finanzmininster Varoufakis noch einmal zu Wort gemeldet. Tenor: Schäuble will ein Exempel statuieren und Griechenland rausdrängen.
Hier das Kernzitat seines Beitrags im britischen “Guardian”:
Based on months of negotiation, my conviction is that the German finance minister wants Greece to be pushed out of the single currency to put the fear of God into the French and have them accept his model of a disciplinarian eurozone.
Laut Varoufakis geht es also nicht nur um Griechenland, sondern auch um Frankreich, das dem verzweifelten Land hilft. Dazu passt folgende Agenturmeldung (Quelle: Reuters):
Das Ergebnis der Beratungen der Euro-Finanzminister über die griechischen Vorschläge zur Lösung der Schulenkrise ist nach Angaben des Bundesfinanzministeriums “völlig offen”.
Einen Bericht der “Bild”-Zeitung, wonach Schäuble bereits entschieden habe, dass er die Vorschläge aus Athen für nicht ausreichend hält, wollte der Sprecher nicht kommentieren. Die Zeitung zitierte außerdem einen nicht näher bezeichneten einflussreichen Beamten mit den Worten: “Das Papier ist eine Lachnummer.”
Wie schön, dass heute zuerst die Finanzminister tagen – Schäuble kann dort ein Veto einlegen (Einstimmigkeit nötig!). Danach kann sich Kanzlerin Merkel hinter dem Votum der Eurogruppe verstecken…
Mehr zur Salamitaktik der Euroretter bei der Grexit Planung hier, siehe auch “Ein Exempel statuieren”
Bernd Oberländer
12. Juli 2015 @ 20:39
Es ist höchste Zeit den Plan B klarer zu formulieren, um zu zeigen , dass wir uns nicht vor lauter Gut- gemeinten und schlecht Gemachten Kompromissen zum zahlenden Affen machen lassen! Mein hoher Respekt vor Wolfgang Schäuble ! Die Reaktion der opposition und von teilen der Spd zeigt wie naiv und hilflos von diesen pseudo-Gutmenschen hier mit unserem geld und unserer zukunft umgegangen wird ! Grexit now , wenn es sein muss !
ebo
12. Juli 2015 @ 20:49
@B.O. Schäuble sagt aber nicht Grexit now. Er will Griechenland unter Kuratel stellen und das Land weder aus dem Euro noch aus der Schuldenknechtschaft entlassen. Er setzt sich auch über den IWF hinweg, der einen Haircut fordert, will ihn aber weiter dabei haben. Das nenne ich … ach lassen, wir das!
Carlo
11. Juli 2015 @ 15:44
Merkel und Schäuble machen einen auf “guter Bulle” und “böser Bulle”, um das Gesicht vor der deutschen Öffentlichkeit zu wahren.
Das Schauspiel geht in die nächste Runde. Ein “alternativloser”, fauler Kompromiss wird das Ergebnis sein. Zwei oder drei Jahre Zeitgewinn sind das Ziel. Damit kommt man eventuell bis zu den nächsten Wahlen durch und hätte Luft, sich den Tsipras vom Hals zu schaffen, den man im “Notfal”l zum Alleinschuldigen erklären kann.
Griechenland ist pleite und bleibt pleite.
Alexander
11. Juli 2015 @ 15:28
@Nemschak+ebo: Und wenn man schon dabei ist neue Regeln finden, dann muss folgendes hinzu: Staaten, deren Wirtschaftsmodell davon abhängig ist, dass sich für deren Wirtschaftsentwicklung das Ausland ständig übermässig verschulden muss (2014 für DLand: > 220 mrd €), treten ebenfalls aus. Aber eigentlich reicht in einer Wahrungsunion auch folgende Regelung (die übrigens im MaasrtichtVertrag steht): die Löhne in den Staaten steigen entsprechend der eigenen Produktivitätsentwicklung (+ Inflationsziel der EZB) – wer dies zumindest mittelfristig nicht will (gilt unter anderem auch für Deutschland seit über 15 Jahren), der sollte besser austreten.
Andres Müller
11. Juli 2015 @ 15:11
Varoufakis sagt auf seinem Blog auch, dass die Schulden zuerst gezielt von den Banken zu den Steuerzahlern umgelenkt worden seien um danach die Diskussion mit Griechenland in der Absicht die Verluste nun den europäischen Bürgern aufzubrummen zu ändern.
“To frame the cynical transfer of irretrievable private losses on to the shoulders of taxpayers as an exercise in “tough love”….” ….
“Once the sordid operation was complete, Europe had automatically acquired another reason for refusing to discuss debt restructuring: it would now hit the pockets of European citizens! ”
http://yanisvaroufakis.eu/2015/07/11/behind-germanys-refusal-to-grant-greece-debt-relief-op-ed-in-the-guardian/
ebo
11. Juli 2015 @ 15:29
Guter Hinweis, und nun sitzen sie in der Falle! Der IWF kann noch so lange Schuldenschnitt fordern – er dient Berlin nur als dritte Kolonne, um die EU-Kommission zu schwächen…
Nemschak
11. Juli 2015 @ 12:56
Die Alternative wäre: eine geordnete Austrittsmöglichkeit aus dem Euro zu schaffen.
ebo
11. Juli 2015 @ 13:04
Eine sehr gute Idee. Außerdem sollte es eine alternative Stützungs-Strategie geben – die z.B. greift, wenn das BIP um mehr als 10 Prozent abgestürzt ist 🙂
Alexander
11. Juli 2015 @ 13:28
Und man sollte noch die Regel einführen, dass jedes Land der €-Währungsunion, dessen Wirtschaftsmodell nur funktioniert, wenn sich das Ausland dafür massiv verschuldet (2014 bei DLand >230 mrd €), ebenfalls aus der Währungsunion austritt. Alternativ könnte man auch festlegen, dass jedes Land seine Lohnerhöhungen an seine eigene Produktivitätsentwicklung koppelt (+ vereinbarte Inflationsrate).
Alexander
11. Juli 2015 @ 15:35
Und wenn man schon dabei ist Regeln zu ändern, dann muss folgendes hinzu: Staaten, deren Wirtschaftsmodell davon abhängig ist, dass sich für deren Wirtschaftsentwicklung das Ausland ständig übermässig verschulden muss (2014 für DLand: > 220 mrd €), treten ebenfalls aus. Aber eigentlich könnte ja man sich in der Wahrungsunion endlich mal an folgende Regelung halten (die im Maastricht-Vetrag steht): die Löhne in den €-Staaten steigen entsprechend der eigenen Produktivitätsentwicklung (+ Inflationsziel der EZB), und wer dies zumindest mittelfristig nicht will (unter anderem auch Deutschland seit über 15 Jahren!), der sollte besser austreten.
DerDicke
11. Juli 2015 @ 13:36
Aber nicht doch. Scheitert der Euro dann scheitert Europa, der Euro ist unumkehrbar, ein Austritt ist nicht möglich, die Verträge sind völkerrechtlich bindend und unumkehrbar,…
Außerdem – die Griechen wollen doch mehrheitlich den Euro behalten. Sehen wir das also einfach als SM-Spielerei an, wobei Schäuble den S und die Griechen den M Part übernehmen. Scheinbar haben alle ihren Spaß dabei.
S.B.
11. Juli 2015 @ 21:19
Ist ein bisschen spät dafür oder? Nicht nur mit Blick auf GR, sondern auch wegen des Umstandes, dass sich die EU-Mitgliedsstaaten – wenn überhaupt – in wesentlichen Sachverhalten, die sie selbst als Institutionen betreffen, nur in sehr langen Zeiträumen einigen können. Schnell geht’s nur, wenn es um den Alltagsterror gegen die eigenen Bürger geht (Glühbirnenverbot etc. etc.).