Schäuble geht zur rechten Zeit
Für den Aufstieg der AfD war er mindestens ebenso mitverantwortlich wie Kanzlerin Merkel. Schließlich machte er deren Politik “alternativlos”. Doch nun muss W. Schäuble die AfD im Zaum halten – im Bundestag.
Es ist nicht die einzige Ironie im Leben des CDU-Politikers. Eine andere Pointe ist, dass der Mann, der in Berlin als großer Europäer gefeiert wird, in Brüssel beinahe zum Totengräber der EU geworden wäre.
Und das gleich zweimal – beim übereilten Schuldenschnitt für Griechenland 2012, der die Finanz- und Eurokrise zum Flächenbrand machte. Und beim versuchten Grexit-Coup im Chaos-Jahr 2015.
Nur in der Eurogruppe wurde Schäuble zuletzt noch ein wenig geliebt. Doch nun geht er – genau zur rechten Zeit. Denn der Euroclub muss sich wandeln, neue Gesichter und ein anderer Geist sind gefragt.
Der Wandel dürfte schon bald beginnen, wenn auch Eurogruppenchef Dijsselbloem abtritt. Der Niederländer, den Schäuble persönlich in sein Amt gehievt hatte, soll das Feld räumen, wenn Den Haag eine neue Regierung bekommt.
Auch der spanische Finanzminister De Guindos, ein Hardliner wie Schäuble, könnte bald gehen – vermutlich zur EZB nach Frankfurt. Damit wären die größten Bremser einer Reform der Eurogruppe weg.
Der Weg wäre frei für ein Ende der deutschen Dominanz (Schäuble war der un-heimliche Chef), für mehr Transparenz (Dijsselbloem hat alles mit dem CDU-Mann ausgekungelt) und ein wenig Demokratie.
Das Europaparlament fordert schon lange, dass die Eurogruppe nicht nur Rechenschaft ablegen, sondern sich auch vor den Abgeordneten verantworten soll. Auch die nationalen Parlamente wollen mitreden.
Ob es dafür einen Finanzminister braucht, der zugleich die Eurogruppe leitet, wie dies offenbar Frankreichs Macron vorschwebt, bleibt abzuwarten. Entscheidend ist, dass die Geheimniskrämerei endet.
Und dass die EU-Kommission Ernst macht mit ihrer Abkehr von der Austerität – und auf eine andere, wachstumsfreundliche Finanzpolitik einschwenkt. Währungskommissar Moscovici hat es immerhin schon angekündigt.
Jetzt, mit dem Abgang von Schäuble, gibt es eine gute Gelegenheit zur Reform. Es gilt sie zu nutzen, bevor die FDP das Finanzressort übernimmt und möglicherweise alles noch viel schlimmer macht…
Freiberufler
30. September 2017 @ 11:43
Ende der deutschen Dominanz würde bedeuten, dass sich der, der alles zahlt und ohne den der ganze Laden auseinander fliegen würde, von den Bankrotteuren das Geschäft diktieren lässt. So veheerend die deutsche Politik ist – wer bezahlt eine Party, auf der er nichts zu sagen hat?
Herbert Hensler
29. September 2017 @ 14:52
das im Zaume halten hat er mit Griechenland und seinem Schoßhündchen bis zum Überdruss geübt.
Johannes
29. September 2017 @ 13:03
Schafft vor dem Euro Zonen Budget die Hungerlöhne in Deutschland ab.
Sonst knallt es, bei den kleinen Mitgliedern zu Hause. Ich hab echt nix mehr zu verlieren, ich bin bereit in den Knast zu gehen, vorher werde ich aber Rache nehmen.
Schafft die Hungerlöhne ab, liebe Grünen, sonst brennt es, bei EUCH.
Anonymous
28. September 2017 @ 22:34
Ich kann nicht ganz nachvollziehen, dass Schäuble “zur rechten Zeit” gehe. Er hätte nie Finanzminister werden dürfen! Das gilt natürlich auch für alle anderen ordoliberalen Betonköpfe, die die Zukunft Deutschlands und Europas den Interessen der deutschen Exportindustrie opfern …
Alexander
28. September 2017 @ 23:02
Ich habe es schon öfters gesagt: Ich halte es für nicht unwahrscheinlich, dass Historiker eines Tages berechnen werden, wieviele Megatonnen Bomben man hätte abwerfen müssen, um eine wirtschaftliche und soziale Zerstörung anzurichten, wie es die Politik dieses finanzpolitischen Scharlatans getan hat!
Dixie Chique
29. September 2017 @ 11:14
Der Haupteingang des Den Haager UN-Kriegsverbrechertribunals ist jedenfalls schon jetzt barrierefrei. Besser nicht warten, bis auch noch Demenz einsetzt.
GS
28. September 2017 @ 21:00
Diskutiert wird ja weiter über Italien. Es heißt, dort sei man not amused über Macrons Vorschläge. Das große Damoklesschwert über der Eurozone war ja nie die Bundestagswahl, sondern die Wahl in Italien, wo die drei großen Anti-Euro-Parteien weiter bei 55 % in den Umfragen stehen.
ebo
28. September 2017 @ 21:09
Der Premier hat sich aber schon am Mittwoch hinter Macron gestellt.
Peter Nemschak
28. September 2017 @ 18:31
So wie die Wirtschaft in der EU derzeit wächst, dürfte die sogenannte Austerität nicht geschadet haben. Die FDP sollte Garant dafür sein, dass die rote Spendierfreudigkeit nicht aus dem Ruder gerät. Die bisherigen Koalitionsparteien sollten sich einmal fragen, warum die FDP ein erstaunliches Come-back gefeiert hat. Ein linkes Europa ist nicht nach jedermanns Geschmack, vor allem nicht jener, die es finanzieren müssen.
ebo
28. September 2017 @ 19:04
Haben Sie schon mal was von der Nullzins-Politik der EZB und dem Anleihenkaufprogramm gehört? Haben Sie nicht mitbekommen, wie radikal Griechenland die Ausgaben kürzen musste, und dass nun auch Frankreich auf sparkurs ist?
hintermbusch
28. September 2017 @ 20:08
Es war schon schlimm, und in Griechenland und in Portugal ist es noch schlimm:
https://twitter.com/heimbergecon/status/907882846165114880
Eine Halbierung der Gesundheitsausgaben: da geht es ans Eingemachte. Ein Alptraum für die meisten normalen Bürger.
GS
28. September 2017 @ 18:02
Den letzten Absatz kann ich nicht nachvollziehen. Es gibt kein Reformfenster. Solange nicht klar ist, wer in der nächsten deutschen Regierung sitzt, kann und wird gar nichts passieren. Wie soll denn eine deutsche Regierung auf Abruf eine Reform mittragen oder gar voranbringen?
ebo
28. September 2017 @ 19:02
Ach, und ich dachte, Merkel bleibt und behält die Richtlinienkompetenz?
Peter Nemschak
28. September 2017 @ 19:20
Warum sollte sie potentielle Koalitionspartner vergrämen?
ebo
28. September 2017 @ 20:00
Tja, gerade hat sie sich zu Macrons Vorschlägen bekannt. Wäre auch idiotisch, nach 12 Jahren als “Führerin der freien Welt” plötzlich so zu tun, alsi sei sie von einem Herrn Lindner abhängig!
GS
28. September 2017 @ 20:51
Ja, wahrscheinlich bleibt sie. Aber die Union wird ja nicht allein regieren und hat auch hat auch keine eigene Parlamentsmehrheit. Was Merkel im Detail an Macrons Vorschlägen begrüßt, muss sich erst mal zeigen. Unwahrscheinlich, da extrem unüblich, halte ich es, dass sie jetzt bahnbrechende Entscheidungen trifft, die nicht mit potenziellen Koalitionspartnern abgesprochen sind. Dann kann sie die Koalition mit der FDP nämlich gleich vergessen. Die werden sich nicht wieder so unterbuttern lassen wie 2009-13. Zumal Merkel in ihrem eigenen Laden (interessanterweise auch bei den Journalisten…anders als noch vor einer Woche) nicht mehr unantastbar ist. Sie wird sich jetzt auch mal wieder um die Konservativen kümmern müssen. Sonst gibt’s ne Palastrevolte.
Also ich sehe das Reformfenster einfach nicht. Wo siehst Du es denn?
ebo
28. September 2017 @ 21:08
Ich sehe es auch skeptisch. Bis Anfang Dezember hat sie allerdings noch Zeit…