Leere Rettungs-Rhetorik

Zum Jahresende sieht es so aus, als habe sich die Eurokrise entspannt. Finanzminister Schäuble behauptet sogar, das Schlimmste liege hinter uns. In Wahrheit hat sich nur die Lage auf den Märkten etwas beruhigt. In der Realwirtschaft spitzt sich die Krise weiter zu – und dauerhaft „gerettet“ wurde ohnehin niemand. Eine kritische Bilanz.

2012 war das Jahr, in dem die „Rettung“ zu Routine wurde – und die „Rettungsroutine“ zum Wort des Jahres. Vor allem Griechenland musste ständig vor dem Absturz geschützt werden – und vor deutschen Politikern, die lauthals den „Grexit“ forderten (siehe „Ein Exempel statuieren“).

Doch wo immer wieder das Schlimmste verhindert und Zeit gekauft werden muss, da verkommt die „Rettung“zu leerer Rhetorik. Dies umso mehr, als es letztlich nicht die Politik, sondern die EZB war, die  für eine Beruhigung sorgte – allerdings auch nur mit Worten (Draghis „wir werden alles tun“), und nicht mit Taten (das umstrittene Anleihenkaufprogramm lässt auf sich warten).

Auch sonst fällt die Bilanz mager aus:

  • Alle drei „Programmländer“ Griechenland, Irland und Portugal brauchen weiter Hilfe, Griechenland und Portugal sogar mehr denn je.
  • Drei weitere Länder – Spanien, Zypern und Slowenien – kämpfen mit massiven Refinanzierungsproblemen.
  • Zwei Länder – Spanien und Zypern – haben Hilfe beantragt.
  • Und ein Land – Spanien – hat auch tatsächlich Notkredite bekommen, wenn auch (zunächst) nur für seine Banken.

Von drei ist die Zahl der Krisenstaaten also seit Anfang des Jahres auf sechs angestiegen – eine glatte Verdoppelung. Für zwei Länder hat der IWF einen Schuldenschnitt gefordert – eine Premiere. In Wahrheit werden wohl fast alle Krisenländer früher oder später einen Haircut brauchen (siehe auch „Der Schuldenschnitt kommt“).

Bemerkenswert ist auch, dass keines der neuen Krisenländer wegen unseriöser Budgetpolitik oder mangelnder Wettbewerbsfähigkeit Probleme bekam. Spanien, Zypern und Slowenien leiden vielmehr alle an der Bankenkrise, die auf einen (Immobilien-)Boom folgte.

Das zeigt, dass die von Kanzlerin Merkel und anderen Euro“rettern“ verordnete Therapie – Ausgaben kürzen, Wettbewerbsfähigkeit steigern – ins Leere geht. Die Politik jagt einem Phantom hinterher – der eigentliche Krisenherd liegt nach wie vor im Finanzsektor.

Doch auch bei den Banken sieht die Lage nicht viel besser aus. Wie die EU-Kommission kurz vor Weihnachten bekannt gab, wurden seit Beginn der Finanzkrise 2008 staatliche Bankenhilfen in Höhe von 5058 Mrd. Euro genehmigt – das macht stolze 40 % des EU-BIPs aus. Davon wurden immerhin 1616 Mrd. Euro in Anspruch genommen.

Kohle vom Staat gab es nicht nur in den Euro-Krisenländern, sondern auch beim angeblichen „Musterschüler“ Deutschland.

Bis Ende November musste der deutsche Steuerzahler „seine“ Banken mit 22,9 Mrd. Euro stützen, wie das „WSJ“ meldet. Hinzu kommen die möglicherweise noch zu tragenden Verluste aus der Abwicklung der Bad Banks der Hypo Real Estate (HRE) und der WestLB.

Insgesamt kann der Bankenrettungsfonds Soffin Kredite in Höhe von maximal 80 Milliarden Euro und Garantien über 400 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Er kann damit durchaus mit dem – gerade in Deutschland – umstrittenen Euro-Rettungsfonds ESM mithalten.

Deutschland hält – was die Bankenstützung betrifft – damit weiter einen Spitzenplatz in der Eurozone; nur Irland und UK geben noch mehr für ihre Geldinstitute aus. Deshalb halte ich das größte Euroland auch weiter für ein Risiko (mehr dazu hier).

Insgesamt fällt die Bilanz der Euro“retter“ bescheiden aus. Kein einziger Krisenstaat ist dauerhaft gerettet (Irland kriegt vielleicht 2013 die Kurve, schön wär’s), auch die Banken verschlingen vier Jahre nach Beginn der Finanzkrise immer noch Unsummen.

Zugleich hat der einseitig aufs Sparen fixierte „Rettungs“kurs die gesamte Eurozone in die Rezession gestürzt; die Arbeitslosigkeit erreicht neue historische Höchststände.

Wie man vor diesem Hintergrund von „Fortschritten“ sprechen kann, bleibt Schäubles Geheimnis. Aber offenbar glaubt er ja selbst nicht daran, wie seine Pläne für harte Einschnitte nach der Bundestagswahl zeigen…