Schweigen “im Herzen Europas”
Die schottische Regierungschefin empfing Kommissionschef Juncker mit offenen Armen in Brüssel. Doch mit dem abgesetzten katalanischen Präsidenten Puigdemont will er nichts zu tun haben. Warum eigentlich?
“Wir haben uns nach Brüssel verlegt, um das katalanische Problem im institutionellen Herzen Europas zu erläutern”, sagte Puigdemont am Dienstag in Brüssel. Doch die Tür zur EU-Kommission blieb verschlossen.
Dabei hatte Behördenchef Juncker versprochen, eine “politische Kommission” zu führen, die “kleine Dinge klein” und “große Dinge groß” behandeln würde. Nun hat er ein dickes Ei, quasi vor seiner Haustür.
Denn der Presseclub, in dem Puigdemont auftritt, liegt kaum 500 Meter entfernt in Sichtweite der EU-Kommission. Wenn der Katalanen-Führer in Brüssel bleibt, wird das große Problem sogar noch größer.
Denn dann dürfte Spanien irgendwann die Verhaftung und Auslieferung fordern. Es könnte zu unschönen Szenen kommen, mitten im “Herzen Europas”, also im Brüsseler Europaviertel.
Doch während die belgischen Behörden wenigstens über ihren umstrittenen Gast reen, kommt aus der Kommission nur betretenes Schweigen. Die EU-Politik hat abgedankt, ausgerechnet jetzt.
Dabei hat Juncker sonst nicht so große Berührungsängste. Vor einem Jahr empfing er die schottische Regierungschefin in allen Ehren in Brüssel. Das war durchaus keine Ausnahme.
Juncker verhandelt mit den Ex-Rebellen (und mutmaßlichen Kriegsverbechern) aus Kosovo ebenso wie mit der illegalen, von niemandem anerkannten Regierung von Nordzypern.
Nur über Katalonien wird ein “Cordon sanitaire” verhängt. Wenn man streng legalistisch denkt, kann man das womöglich rechtfertigen. Aber doch nicht als Chef einer “politischen” Kommission…
Siehe auch “Dreierlei Maß für Separatisten”
Peter Nemschak
31. Oktober 2017 @ 18:41
Warum soll sich die supranationale EU-Kommission in einer innerspanisches Problem hineinziehen lassen? Sie hat klar signalisiert, dass Separatismus der falsche Weg nach vorne ist. Eine Einmischung würde den Separatismus bloß aufwerten. Dass sich die Schotten und Katalanen politisch in ihrem Loslösungsdrang von ihrem Nationalstaat nahe stehen, verwundert nicht. Die EU hat Vorstellungen von ihrer Identität und muss sie gegen Widerstände durchsetzen, auch wenn es manchen nicht passt. Wenn man versucht, sich überall Freunde zu machen, macht man sich nirgendwo Freunde.
ebo
31. Oktober 2017 @ 21:08
Wenn ich Chef einer “politischen Kommission” sein will, muss ich auch bereit sein, mir nicht genehme Politiker zu treffen. Zumal, wenn es um den inneren Frieden und Zusammenhalt EUropas geht. Juncker könnte die Gelegenheit z.B. nutzen, Puigdemont die Regeln der EU zu erklären, sich aber auch für ein faires Verfahren in Spanien einzusetzen. Das wäre das Mindeste, zumal P. seinerseits bereits der Gewalt abgeschworen und die von Madrid angesetzte Neuwahl in seiner Region akzeptiert hat.
Peter Nemschak
31. Oktober 2017 @ 22:19
Vielleicht hat er das bereits getan. So etwas macht man diplomatisch, eine Kunst, die nicht Ihre Stärke zu sein scheint. Manchmal habe ich den Eindruck, Sie leben in derselben Parallelwelt wie manche, die hier posten.
ebo
31. Oktober 2017 @ 22:47
dpa-Meldung um 16.40h: Der ehemalige katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont hat im Zuge seiner Brüsselreise offenbar keinen Kontakt zur Europäischen Kommission gehabt. Eine Behördensprecherin sagte am Dienstag in Brüssel auf die Frage, ob Puigdemont die Kommission kontaktiert habe: “Nein, nach meinem Wissen ist das nicht der Fall.”
Reinard Schmitz
1. November 2017 @ 08:59
Lieber Herr Nemschak, heute bolzen und holzen Sie ja mal wieder ordentlich. Die Frage, warum mit den einen so und mit Katalonien änders, müssten Sie uns schon noch beantworten. Und zwar inhaltlich.
Peter Nemschak
1. November 2017 @ 12:17
Die EU kann nicht Vermittler sein, weil sie Partei mit ihren eigenen Interessen ist. Dieses Interesse heißt Sicherung des Zusammenhalts der in Zukunft 27 Mitgliedsländer. Separatismus und Zersplitterung stehen diesem Interesse entgegen. Im übrigen besteht eine der Aufgaben des Europäischen Rats, des höchsten Gremiums der EU bei Konflikten zwischen den Mitgliedsländern nicht in innerstaatlichen Konflikten, zu vermitteln.