Project Fear

An den Gräbern von Verdun haben Kanzlerin Merkel und Präsident Hollande vor einer neuen Spaltung Europas gewarnt. Dabei sind sie selbst gespalten. Gegen den drohenden Brexit setzen sie vor allem auf Angst.


[dropcap]D[/dropcap]as wäre mal eine gute Gelegenheit gewesen, eine gemeinsame Vision für das „europäische Haus“ zu präsentieren: 100 Jahre nach der „Hölle von Verdun“ probten Merkel und Hollande den Schulterschluss.

Doch statt zu sagen, was sie an der EU schätzen – oder was sie besser machen wollen – kamen nur die üblichen (und durchaus nötigen) Warnungen vor Spaltung, Nationalismus, Krieg.

Berlin und Paris reihen sich damit in die Angstkampagne ein, mit der das proeuropäische Lager in Großbritannien den Brexit verhindern will. „Project Fear“ nennt man das in London.

Täglich werden dort neue Horrorszenarien für den Fall präsentiert, dass die Briten am 23. Juni für den Austritt aus der EU stimmen. „Brexit will make you POORER“, meldet der Sunday Express.

Weniger Wachstum, höhere Hauspreise, jahrelanger Streit um Handel und Außenpolitik sind noch die harmlosen Warnungen. IWF, OECD und G-7 malen sogar einen weltweiten Schock an die Wand.

Was fehlt, ist eine positive Vision für den Verbleib in der EU. Doch es gibt sie nicht. Bei Krisentreffen in Hannover, Rom und Brüssel haben die EU-Partner keine gemeinsame Linie gefunden.

Hollande fordert für den Ernstfall des „Brexit“ eine engere Zusammenarbeit in der Eurozone und einen harten Kurs gegenüber Großbritannien, um mögliche Nachahmer abzuschrecken.

Wo bleibt das „project hope“?

Merkel steht einem Integrations-Schub jedoch skeptisch gegenüber. Sie möchte andere EU-Staaten wie die Niederlande oder Polen bei der Stange halten, die sich gegen „mehr Europa“ wehren.

Deshalb verkündeten Merkel und Hollande in Verdun wieder nur den kleinsten gemeinsamen Nenner – die Angst vor Spaltung und Desintegration der EU. Angst ist jedoch kein Zukunftsprojekt.

Allein mit „project fear“ wird dieses EUropa nicht überleben – selbst wenn der Brexit noch einmal vertagt werden sollte. Wir brauchen ein neues „project hope“, sprich: eine andere Politik, die wieder Hoffnung macht!