Binnenmarkt schlägt Brexit, Borrell will neuen Türkei-Deal – und Manöver im Weltraum


Die Watchlist EUropa vom 16. März 2021 –

Rund ein Jahr nach dem Brexit bahnt sich die erste schwere Krise zwischen Großbritannien und der EU an. Der Grund dafür ist jedoch nicht der erbitterte Streit um den britisch-schwedischen Pharmakonzern AstraZeneca.

Es geht vielmehr um die neuen Handelsregeln für Nordirland – der europäische Binnenmarkt schlägt den Brexit.

London hatte Lockerungen beim Handel mit Nordirland eigenmächtig bis Oktober verlängert. Darauf reagiert die EU-Kommission nun mit einem Vertragsverletzungsverfahren.

Konkret geht es um das Nordirland-Protokoll, das Teil des vor einem Jahr geschlossenen Austrittsabkommens ist.

Dieses Protokoll sieht Kontrollen von Warenlieferungen zwischen Großbritannien und Nordirland vor, um den Binnenmarkt vor Missbrauch zu schützen. Bis Ende März gilt jedoch eine Ausnahmeregelung, die Lieferengpässe vermeiden helfen soll.

Leere Supermarkt-Regale

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Diese Regel hat London nun ohne Abstimmung mit Brüssel verlängert. Der britische Brexit-Beauftragte David Frost sagte, die Verlängerung sei rechtmäßig. Er sprach von „vorübergehenden, operativen Schritten“.

Das Nordirland-Protokoll habe “oft übermäßige Konsequenzen“, so Frost. Zur Begründung verwies er auf leere Supermarkt-Regale und ungelöste Probleme bei der Abfertigung von Warenlieferungen.

In Brüssel und Dublin spricht man dagegen von einem klaren Rechtsbruch. EU-Kommissionsvize Maros Sefcovic hatte Frost aufgefordert, seine Entscheidung zurückzunehmen. Da London nicht einlenken wollte, löste er nun das EU-Verfahren aus.

“Verstöße gegen internationales Recht”

Es gehe um “einseitige Entscheidungen und Verstöße gegen internationales Recht durch Großbritannien“.

Der Streit wandert nun vor einen Schlichtungsausschuss, in dem beide Seiten vertreten sind. Am Ende könnte sowohl eine gütliche Einigung als auch eine Vergeltung – etwa die Verhängung von Strafzöllen oder Lieferbeschränkungen – stehen.

Der Schritt ist heikel, denn die Lage in Nordirland ist ohnehin schon angespannt. Zum Eklat kam es im Februar, als die EU-Kommission einen Moment lang damit drohte, Impfstoff-Exporte von AstraZeneca nach Nordirland zu unterbinden.

Öl ins Feuer gegossen?

Diese Drohung wurde zwar binnen weniger Stunden zurückgezogen – angeblich handelte es sich um ein Missverständnis. Doch seither liegen die Nerven blank.

Die britische Regierung bezichtigt die EU, einzig und allein ihren Binnenmarkt im Auge zu haben und die angespannte Lage in Nordirland zu ignorieren.

Mit ihrem Vorgehen gieße sie Öl ins Feuer, statt sich um den Schutz des Karfreitags-Abkommens zu kümmern, heißt es in London…

Siehe auch “Der Brexit stiftet Unfrieden – und Brüssel ist nicht ganz unschuldig”

Watchlist

Kommt ein neuer Türkei-Deal – mit noch mehr Zahlungen aus Brüssel? Diese Frage stellt sich zum 5. Jahrestag der (nicht rechtsverbindlichen) Vereinbarung zwischen Kanzlerin Merkel und Sultan Erdogan.  EU-Außenvertreter Borrell hat sich offen für eine “Erneuerung” des Deals gezeigt. “Ich denke, dass in Zukunft eine Art von Vereinbarung dieser Art getroffen werden muss”, sagte er. Schließlich seien die Flüchtlinge – um die es Merkel vor allem ging – immer noch da. Hintergrund ist die ungelöste Syrien-Krise – mittlerweile hält die Türkei einen Teil des Landes besetzt. – Mehr dazu hier

Hotlist

  • Der Widerstand gegen das Mercosur-Handelsabkommen zwischen der EU und Südamerika weitet sich immer mehr aus, berichtet das Portal “finanzen.at“. Im Rahmen des Bündnisses “StopEUMercosur” sprachen sich jetzt 450 Organisationen in Europa und Südamerika gegen die Umsetzung des Paktes aus. Das Abkommen beruhe auf einem veralteten Handelsmodell und verschärfe soziale Ungleichheiten – sowohl in Europa als auch in Südamerika. – Die EU-Kommission setzt immer noch auf Freihandel – und sucht nach Wegen, den Mercosur-Deal zu retten
  • Über “Europas erstes Weltraummanöver” berichtet “German Forgein Policy”. Unter Beteiligung deutscher Soldaten habe vergangene Woche Europas erstes Manöver im All stattgefunden. Ausrichter war Frankreich; dort trainierten rund 60 Militärs Operationen gegen angreifende Satelliten oder Nanosatelliten feindlicher Mächte. Unter anderem habe man das Blenden eines gegnerischen Flugkörpers geübt. – Wer wohl die feindlichen Mächte waren, die aus dem All angreifen?
  • Der internationale Waffenhandel stagniert laut Friedensforschern weiter auf hohem Niveau. Entgegen dem weltweiten Trend legt Deutschland aber bei den Rüstungsausfuhren kräftig zu und belegt Platz 4 bei den Waffen-Exporteuren, berichtet n-tv. Das Exportvolumen der vergangenen fünf Jahre liege weiterhin nah an dem Rekord nach Ende des Kalten Kriegs, erklärten die Sipri-Experten. Wenn es nach EU und Nato geht, werden wir diesen Rekord sicher bald brechen…