Post-nationale Illusion

Wir sind gute Europäer, mit Populismus und Nationalismus haben wir nichts zu tun. Das war bisher das deutsche Mantra. Seit der Landtagswahl ist es überholt – Deutschland ist „normal“ geworden.


[dropcap]F[/dropcap]rankreich hat den Front National, England die UKIP, Holland Geert Wilders. Selbst die Österreicher haben „ihre“ FPÖ. Nur Deutschland war „clean“.

Doch nach den spektakulären Wahlerfolgen der AfD gehört diese deutsche Ausnahme der Vergangenheit an. Auch wir haben nun wieder Populisten und Nationalisten.

Wie passt dass zur „guten“ post-nationalen Identität, die die deutschen Eliten seit dem 2. Weltkrieg gehegt und gepflegt haben? Schlecht. Sehr schlecht.

Nicht die Nation war ihr Mantra, sondern die Globalisierung. In einer globalen Welt gebe es keine nationalen Grenzen mehr, hieß es offiziell in Berlin, als die Flüchtlinge kamen.

Dialektik der Flüchtlingskrise

Schön wär’s. Doch das war nur noch eine post-nationale Illusion. Selbstverständlich gibt es weiter nationale Grenzen – Österreich und Mazedonien haben es bewiesen.

Und selbstverständlich lebt der Nationalstaat weiter. Er erlebt sogar eine Renaissance. Die neoliberale Globalisierung führt weltweit zu nationalen und regionalen Abwehr-Reflexen.

Darüber hinaus erlebt Deutschland gerade eine Dialektik der Flüchtlingskrise. Auch sie stärkt das verdrängte Nationale:

  1. Die meisten Flüchtlinge wollen nach Deutschland. Auch wenn es Merkel nicht wahrhaben will: Sie streben in das post-nationale Land ohne Grenzen – und werten Deutschland damit als Nation auf.
  2. Dass Deutschland die Grenzen aufgemacht hat, wird im europäischen Ausland nicht etwa als „europäische Lösung“ gesehen,  sondern als nationaler Alleingang – und als deutsches Problem.
  3. Auch viele Deutsche haben mit dieser Politik ihre Probleme – und suchen ihr Heil im Volk, in der Nation, in der Abgrenzung. Eine vermeintlich post-nationale Politik gebiert so neue Nationalisten.

Deshalb müssen (und sollten) wir aber nicht gleich alle Nationalisten werden. Das hieße ja, der AfD & Co. auf den Leim zu gehen.

Vielmehr geht es darum, Europa neu zu definieren – auf der Basis seiner Nationalstaaten, aber ohne Nationalismus. Das gilt auch und besonders für das „deutsche Europa“.

Bisher kam es selbstgefällig daher – als post-nationale, alternativlose Politik. Wir haben, nein: wir sind die „europäische Lösung“, hieß es in Berlin. Auch damit ist es nun vorbei, oder?