Postfaktische Union
Das Lamento über „postfaktische“ Behauptungen ist nun auch in Brüssel angekommen. EU-Ratspräsident Tusk beklagte sich darüber beim CETA-Gipfel. Dabei liegt das Problem ganz woanders, jedenfalls in EUropa.
[dropcap]D[/dropcap]as eigentliche Problem im CETA-Streit waren nämlich nicht falsche Tatsachenbehauptungen oder die Ignoranz von Fakten, wie etwa beim US-Präsidentschaftskandidaten Trump.
Das eigentliche Problem ist eine post-faktische Politik, die Ankündigungen und Versprechen macht, die sie selbst nicht einhalten kann oder will. Tusk hat selbst so eine post-faktische Ansage gemacht.
„Mission accomplished“ tweetete er, nachdem die Wallonen ihren Widerstand gegen CETA aufgegeben haben. Dabei ist das Abkommen noch längst nicht in trockenen Tüchern. Tusks „Mission“ ist unvollendet.
Post-faktisch war auch die Behauptung, dass das amerikanische Pendant zu CETA, TTIP, noch in diesem Jahr kommen würde. Das haben u.a. Kommissionschef Juncker und Kanzlerin Merkel postuliert – es ist falsch.
Ebenso falsch ist, dass die Handelspolitik transparenter geworden sei, wie Handelskommissarin Malmström behauptet. Die CETA-Saga ist eine von sieben Jahren Intransparenz, auch mit Dokumenten kann man die Bürger täuschen.
[sociallocker id=36002]Auch die Flüchtlingspolitik liefert reihenweise Beispiele von post-faktischer Politik. So behauptet die EU-Kommission bis heute steif und fest, die Umverteilung von Flüchtlingen gehe weiter. Sie ist schlecht informiert.
Die EU-Chefs haben sie bei ihrem Sondergipfel in Bratislava beerdigt, die Flüchtlingsquote taucht in der Gipfel-Erklärung nicht mehr auf. Stattdessen haben die 27 behaupet, sie wollten eine „Rückkehr zu Schengen“.
Mehr tote Flüchtlinge, nicht weniger
Das ist auch post-faktisch, oder schlicht falsch. Gerade erst haben Merkel und ihre Fans durchgesetzt, dass die Grenzkontrollen um weitere drei Monate verlängert werden. Und das, obwohl kaum noch Flüchtlinge kommen!
Richtig bitter wird es, wenn man auf die Bilanz der Merkel’schen Flüchtlingspolitik schaut. Nach dem Türkei-Deal kündigte sie an, nun würden weniger Boatpeople kommen und auch weniger ertrinken. Es sei eine humane Maßnahme.
De facto sind schon jetzt mehr Menschen im Mittelmeer ertrunken als im gesamten Jahr 2015. Denn die Flüchtlinge kommen nun über andere, gefährlichere „Routen“. Doch Merkel hat ihre post-faktische Ansage nicht korrigiert…
Siehe auch: Lost in Krisen-Modus – über die Widersprüche der EU-Politik
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Dr. Franz Ost
5. November 2016 @ 10:15
Diesem wunderbaren Artikel ist wenig hinzuzufügen, er ist klar definiert und gut recherchiert. Leider wird er den normalen Leser nicht motivieren, geschweige denn den BILD-Bürger erwecken. Warum ist das so? Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und lebt den Herdentrieb. Das wissen natürlich auch die wahren Marionettenspieler hinter den Regierungen. Divide et impera und Panem et circensis (Teile und Herrsche sowie Brot und Spiele) sind die Zauberworte seit der ersten echten Weltmacht ROM.
Dr. Franz Ost
5. November 2016 @ 13:13
Leider wurde dieser Kommentar zensiert.
ebo
6. November 2016 @ 10:21
Er wurde gekürzt, weil es in diesem Blog nicht um Chem-Trails und dergleichen geht, sondern um die EU-Politik.
S.B.
3. November 2016 @ 11:36
„Auch die Flüchtlingspolitik liefert reihenweise Beispiele von post-faktischer Politik. So behauptet die EU-Kommission bis heute steif und fest, die Umverteilung von Flüchtlingen gehe weiter. Sie ist schlecht informiert.“
Sie ist nicht schlecht informiert. Sie lügt. Erwartet irgendjemand etwas anderes von diesen Leuten? Das ist das Tagesgeschäft der Politiker.
„Und das, obwohl kaum noch Flüchtlinge kommen!“
Das ist eine post-faktische Behauptung. 😉
Nur weil nicht mehr darüber berichtet wird, heißt das nicht, dass kaum noch Flüchtlinge ankommen. Siehe hier zu den Asyl-Erstanträgen bis 09/2016: http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Statistik/Asyl/aktuelle-zahlen-zu-asyl-september-2016.pdf?__blob=publicationFile
Das über die neu ankommenden Migranten gar nicht mehr berichtet wird, hat seine Ursache schlichtweg darin, dass die Willkommenskultur unter dem Eindruck „des bereits Erreichten“ selbst bei den lautesten Refugee-welcome-Klatschern milde ausgedrückt erheblich gelitten hat. Beispiele hier: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/leipzig-conne-island-macht-sexuelle-uebergriffe-von-fluechtlingen-oeffentlich-a-1117198.html und hier http://www.swp.de/crailsheim/lokales/landkreis_schwaebisch_hall/es-war-einmal-ein-ferienhof-13904154.html
Reinard
3. November 2016 @ 08:55
Da liegt wohl eine Verwechslung vor, eine Freudsche: Tusk bewirbt sich nicht (noch nicht) um das amerikanische Präsidentenamt.
ebo
3. November 2016 @ 09:38
Haha, stimmt, wird korrigiert!
Peter Nemschak
3. November 2016 @ 08:33
Mit der Schließung der Außengrenzen hat die EU klar gemacht, dass sie massenhaften Zuzug von Menschen nicht wünscht, auch um den Preis, dass viele Menschen auf der Flucht umkommen. Merkel ist die letzte und einzig verbliebene Politikerin, die noch keine Obergrenze bei Flüchtlingen will und daher Schwierigkeiten mit den Bürgern im eigenen Land hat.