Nun ist Polen doch verloren
Noch ist Polen nicht verloren, hieß es in diesem Blog nach dem Patt im Streit um die Rechtsstaatlichkeit. Doch nun hat sich die Regierung in Warschau endgültig ins Abseits manövriert.
Sie hat den (noch) amtierenden EU-Ratspräsidenten Tusk – einen Polen – auf offener Bühne desavouiert und einen Gegenkandidaten nominiert. Beides ist in der EU-Geschichte einmalig.
Und es schadet vor allem – Polen. Ex-Premier Tusk steht nun ohne Rückhalt aus seinem eigenen Land da. Gegenkandidat Saryusz-Wolski, ein Europaabgeordneter, wird auf die Knochen blamiert.
Denn der Mann, der schon einmal den außenpolitischen Ausschuß leitete und neuerdings aggressive Töne gegen Russland anschlägt, hat keine Chance auf die Nominierung zum Ratspräsidenten.
Die polnische Rechtsregierung hat damit den Interessen des eigenen Landes geschadet. Sie hat sich auch aus dem Kreis der anderen EU-Länder verabschiedet, die an Tusk festhalten wollen. Ihr ist nicht mehr zu helfen.
Wie üblich trifft auch diese Peinlichkeit auch Kanzlerin Merkel. Schließlich hatte sie Tusk vor fünf Jahren aufs Schild gehoben. Und erst vor ein paar Wochen erwies sie der polnischen Regierung ihre Reverenz.
Was hat der Besuch in Warschau und der Kniefall vor Kaczyński eigentlich gebracht? Tusk sei “der deutsche Kandidat”, sagte Kaczynski zur Begründung seines Kamikaze-Manövers…
rabattjaeger
7. März 2017 @ 08:33
Tusk hat polen verkauft, man denke nur an die affäre amber.gold, wo tusk samt sönchen und anderen po-politikern milliarden von anlegern gestohlen haben.. oder die goldmine, welche als “unrentabel” für ein paar millionchen vertickt wurde, in wirklichket aber einige milliarten wert war.. tusk hat sein land, seine leute verraten.. er ist merkel in den allerwertesten gekrochen und hat von ihr die immunität erhalten.. sonst säße er schon längst in u-haft.. DESHALB unterstützen die polen tusk nicht.
Peter Nemschak
6. März 2017 @ 10:38
@ebo Die Gesellschaften sind gespalten, wobei die Europäer den Nachteil haben, dass der europäische Gedanke, manifestiert im täglichen Pendlergrenzverkehr zwischen Polen und Deutschland oder der Westslowakei und Österreich als Selbstverständlichkeit erlebt wird. Was die Rechte der Frauen betrifft, ähneln sich Irland und Polen mehr als beide Deutschland.
Peter Nemschak
6. März 2017 @ 10:33
@S.B. Was ist am Kellergeruch des Nationalen so erotisierend? Offenbar ist der lange herrschende Fortschrittsglaube, jener Glaube, das jedes Jahre alles besser würde, brüchig geworden. Nostalgie herrscht aber nicht nur am rechten sondern auch am linken Ende des politischen Spektrums. Das wird sich erst wieder ändern, wenn die Milleniumsgeneration zur führenden Generation des digitalen Zeitalters geworden ist.
S.B.
6. März 2017 @ 16:02
@Peter Nemschak: Warum soll das Nationale Kellergeruch haben? Das scheint bei Ihnen ein Dictum zu sein. Globalisierung ist doch kein Selbstzweck. Und nicht jede Weiterentwicklung ist ein Fortschritt. Insoweit geht es insbesondere um das neoliberale Element.
DerDicke
7. März 2017 @ 08:30
Alles rein pragmatisch.
Probleme lassen sich am einfachsten möglichst weit unten lösen (auf Kommunaler oder Landesebene). Auch ist für einen Menschen das Mitgefühl und die Solidarität nur beschränkt möglich und wird auf das nähere Umfeld fokussiert – wer anderes behauptet ist ein Heuchler.
Am nähsten stehen Familie und Freunde, dann kommen die Nachbarn, das Viertel, der Ort. Ab hier geht es rapide Abwärts. Beim Bundesland ist man noch mit dabei, im eigenen Staat – ok. Dann ist irgendwann Ende. Der Sack Reis in China. Man kann sich nicht um alles kümmern und auch nicht alles beweinen was passiert. Der Mensch ist primär für sich selbst und sein direktes Umfeld verantwortlich. Was man nicht selbst mitgestalten kann – und sei es nur durch Wahlen – befindet sich schlicht in der Verantwortung anderer Leute die dort vor Ort sind.
Ich könnte jetzt noch schreiben wie wichtig Identität und Kultur sind, die Identifikation mit diesen Dingen durch die die Bevölkerung erst zu dem notwendigen Zusammenhalt kommt (z.B. um das Staatsgebiet zu verteidigen), wie ein Staat entsteht und sich überhaupt erst legitimiert, die Notwendigkeit dass das Staatsvolk einen Teil seiner Souveränität an den Staat abgibt (Gewaltmonopol) und die Probleme die es bringt wenn Teile der auf dem Staatsgebiet lebenden dies verweigern.
Und wie ein Staat zum “failed State” wird wenn zu viele Dinge aus dem Ruder laufen. Langfristig sind auch wir auf diesem Weg, unfähig unser Staatsgebiet zu schützen, unwillig jene zu Sanktionieren die sich nicht an die Regeln halten, ultratolerant gegenüber jenen die uns wegen unseres Glauben (oder Nichtglaubens) verachten – über kurz oder lang sind wir auch nicht mehr in der Lage die öffentliche Ordnung auf dem gesamten Staatsgebiet sicherzustellen (gilt jetzt schon für einige Teile von deutschen Großstädten).
Nationalstaaten sind nun mal die größte Einheit mit der ein gewöhnlicher Mensch sich identifizieren kann. Und auch die größte Einheit, in der Entscheidungen “von oben” nachvollziehbar und mit einer verständlichen Legitimation erfolgen. Und wo “oben” noch Rücksicht auf regionale Unterschiede genommen wird.
Beispiel? Wir sparen auf Geheiß von Brüssel auf Teufel komm raus Wasser damit unserer Kanalisation vergammelt und mit Millionen Kubikmetern Frischwasser nachgespült werden muss, was uns gleich doppelt ein schweinegeld kostet – hoher Wasserpreis und zusätzlich die externen Spülungen. Weil in Spanien das Wasser knappt ist. In Deutschland gibt es mit sehr wenigen Ausnahmen nicht den geringsten Grund Wasser zu sparen – im Gegenteil, auch in den Kläranlagen ist die Konzentration viel zu hoch und es muss jede Menge Wasser nachgeführt werden…
In Brüssel ist man aber nicht mehr in der Lage zu differenzieren. Weil das künstliche Konstrukt viel zu groß und unübersichtlich ist.
S.B.
5. März 2017 @ 21:09
Wenn Polen aus Sicht der neoliberalen EU verloren ist, gibt es ja immerhin einen (weiteren) Lichtstreif am Horizont.
Mit Sicherheit schaut die polnische Regierung auch, wer überm großen Teich zur Zeit das politische Sagen hat. Schließlich leiden die Polen unter extremer Russophobie (wie auch Peter Nemschak 😉 ) und ihre Schutzmacht vermuten sie nicht auf europäischem Boden.
ebo
5. März 2017 @ 21:18
Nicht die EU gibt Polen einen Korb, sondern genau umgekehrt. Ihre rechtsnationalen Freunde manövrieren sich selbst ins Aus, Trump wird ihnen auch nicht helfen.
S.B.
6. März 2017 @ 08:55
“Nicht die EU gibt Polen einen Korb, sondern genau umgekehrt.” – Ich würde sagen, das beruht auf Gegenseitigkeit.
In welches Aus manövrieren sich “meine” rechtsnationalen Freunde denn? In das Aus von der EU. Gut, wer rechtzeitig die Zeichen der Zeit erkennt. Denn ein kluger Mann hat einmal gesagt: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.
Zuvor haben sich übrigens schon Ihre neoliberalen Globalisten-Freunde ins Aus manövriert. Denen wird Trump erst recht nicht helfen. Schaun mer mal, wie es weitergeht…
ebo
6. März 2017 @ 10:28
Mir ist rätselhaft, wie man einen Kaczynski bejubeln kann.
Peter Nemschak
5. März 2017 @ 20:02
Das polnische Selbstbewusstsein ist, auch wenn es für uns skurril und anachronistisch erscheinen mag, katholisch nationalkonservativ geprägt. Das war auch die eigentliche Quelle seinerzeit beim Kampf gegen den Kommunismus.Was die Staaten in der Globalisierung umtreibt, ist die Suche nach einem sense of purpose. Die Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg kann diesen sense of purpose nicht ersetzen. Auch die Begeisterung vieler für Trump kommt aus eben dieser Quelle.
ebo
5. März 2017 @ 20:25
Und warum war Tusk dann lange Jahre erfolgreicher Premierminister? Er ist nicht nationalkonservativ, sondern sozialliberal.
Peter Nemschak
6. März 2017 @ 10:26
….weil das Pendel nach dem Ende des Kommunismus in den damals geltenden westlichen Diskurs umgeschlagen ist. Dieser war wesentlich liberaler als heute. Die liberale Demokratie als Garant wirtschaftlichen Fortschritts war Anfang der 1990-iger Jahre politischer Goldstandard.
ebo
6. März 2017 @ 10:29
..und jetzt ist Rechtsnationalismus der neue “Goldstandard”? Nee, in Polen gibt es immer noch viele europäisch denkende Menschen, vermutlich ist es die Mehrheit