Nun ist auch noch Polen verloren (II)
Polen ignoriert die EU. Obwohl Brüssel eine Aussetzung der umstrittenen Justizreform fordert und mit Sanktionen droht, legt die Regierung in Warschau die Richter an die Leine. Das zeigt, dass Polen für die EU verloren ist – wie bereits im März in diesem Blog zu lesen war.
Repost vom 9.3.2017
Nach Großbritannien droht sich nun schon das zweite große EU-Land aus der Union zu verabschieden. Wenn schon nicht offiziell, so doch geistig-moralisch und politisch.
Wieder sind es konservative Parteien, die versagt haben. Den Brexit haben die EU-skeptischen Tories zu verantworten, den Bruch über Tusk die rechtsnationale PiS.
Und die EVP, der auch CDU/CSU angehören, hat nichts kommen sehen. Sie hat mit Cameron gedealt und mit Orban geflirtet. Kaczynski hatte sie offenbar nicht auf dem Zettel.
Bleibt die Frage, was der starke Mann Polens, dem Kanzlerin Merkel erst vor ein paar Wochen ihre Reverenz erwiesen hat, als nächstes ausheckt. Er könnte den Gipfel immer noch stören.
Er könnte aber auch die Feiern zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge Ende März boykottieren. Dann würden zwei Länder fehlen – Großbritannien feiert wohl auch nicht mit.
Nicht völlig ausgeschlossen ist auch, dass sich Kaczynski nun noch demonstrativer in die Arme von US-Präsident Trump wirft. Vielleicht war das Tusk-Störfeuer ja bereits abgestimmt?
Denn Tusk hatte es ja gewagt, Trump in eine Reihe mit Putin und dem IS zu stellen… Übrigens ist Trumps Wahlsieg auch die Folge des Versagens der konservativen Republikaner…
Kaczynski hat tatsächlich versucht, den Sondergipfel in Rom zu stören. Und er hat auch mit Trump angebändelt, wie hier vermutet wurde. Der Original-Post steht hier
Winston
22. Juli 2017 @ 09:10
Würde Polen nicht massivst von der EU subventioniert, würde Polen sofort aus der EU austreten. Dito Ungarn.
Oudejans
22. Juli 2017 @ 10:58
Dazu müßten ja zunächst 9547 internationale Abkommen neu verhandelt werden, bis zu welchem Zeitpunkt Polen nicht eine einzige Flasche Zubrowka auch nur verschenken könnte!
Sie stellen sich das viel zu einfach vor.
ebo
22. Juli 2017 @ 11:04
Genau. Aus der EU kann man bis zum Beweis des Gegenteils nicht austreten. Im März 2019 sehen wir weiter…
Dr. Zlotoff
21. Juli 2017 @ 16:57
Hier ist immer von „Versagen“ die Rede… Kann es sein, dass es sich nur von einer bestimmten, unbewsst als universal gedachten Perspektive als „Versagen“ darstellt, in Wahrheit aber unterschiedliche Zielvorstellungen im Spiel sind, die eben keineswegs univesal sind? Anders gefragt: Ist es nicht auch ein bissl arrogant, alle ungefragt auf bestimmte, zu erreichende Ziele zu abonnieren und dann von „Versagen“ zu reden, wenn diese nicht allgemein geteilt werden?
ebo
21. Juli 2017 @ 18:25
Gute Frage. Natürlich sind unterschiedliche Zielvorstellungen im Spiel, insbesondere widerstreitende nationale Interessen. Allerdings hat die EU sich zum Ziel gesetzt, diese Interessen auf einem höheren Level („Europa“) zu versöhnen und aufzuheben. Zudem beruft sie sich auf gemeinsame Werte (Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte). Wenn diese Werte nicht mehr von allen eingehalten werden, sich Interessen nicht mehr ausgleichen lassen und man dies nicht einmal wahrhaben will – wie würden Sie das dann nennen?
Toussaint L’Ouvertur (@Jubachstrand)
21. Juli 2017 @ 21:38
Was meinen Sie damit?
ebo
21. Juli 2017 @ 21:40
Womit genau?
Peter Nemschak
22. Juli 2017 @ 10:39
Auch die Werte kann man, wie alles, etwas schlampig nehmen. Man muss nicht unbedingt ein Wertetaliban sein. In Ungarn und Polen, zunehmend auch Kroatien, kann sichtlich die Mehrheit der Bürger mit der jetzigen Situation, die uns unbefriedigend scheint, allen Warnern und Unkenrufern zum Trotz ganz gut leben. Solange keinem Land ein Alleingang größere, vor allem wirtschaftliche, Vorteile als ein Verbleib in der EU bringt, wird die EU zusammenhalten. Auch der BREXIT wirkt für die Briten aus heutiger Sicht unattraktiv und für andere, potentiell Austrittswillige, abschreckend. Letztlich sind es wirtschaftliche Interessen, in Osteuropa das hohe Maß an finanzieller Unterstützung durch die EU, welche den Zusammenhalt bestimmen.
Peter Nemschak
21. Juli 2017 @ 14:26
@Pjotr56 Eine so lange Friedenszeit wie die seit 1945, sieht man von den Kriegen in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens ab, gab es in Europa während der letzen 500 Jahre noch nie: zwei Generationen sind ohne Krieg aufgewachsen. Dass Deutschland neoliberal wäre, ist wohl ein Sommerscherz. Wäre dem so, ginge es der Mehrheit wirtschaftlich nicht so gut wie heute.
Peter Nemschak
21. Juli 2017 @ 12:17
Nichts wird den Polen passieren, und die EU wird trotzdem weiterleben. Selbst der Bundesstaat Österreich hat es seinerzeit nicht geschafft, einen populären rechtspopulistischen Landeschef, der sich trotz wiederholter Aufforderung geweigert hat, ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs (Installierung zweisprachiger Ortstafeln in Südkärnten) umzusetzen, zu entfernen. Was soll die Aufregung um den gemeinsamen Wertekatalog der EU ? Er ist bloß eine Orientierungshilfe wie vieles andere auch in unserer Multiwertegesellschaft.
Oudejans
21. Juli 2017 @ 11:48
Vielleicht sollten die Briten gar nicht groß verhandeln, sondern die EU ab 2019 einfach ignorieren.
Merkel macht es vor. Sonst wäre doch zB gerade Wahlkampf.
Stures ignorieren von Vertragsrecht hat seinen Ursprung im Dreieck Berlin-Paris-Brüssel. Das kann ein Kaczynski schon lange.
What goes around comes around.
Pjotr56
21. Juli 2017 @ 11:40
Warum in die Ferne schweifen?
„Kritik an polnischer Justizreform: Sitzt Deutschland im Glashaus?
Auch die Richterwahlpraxis in der Bundesrepublik kann angegriffen werden“
Quelle:
https://www.heise.de/tp/features/Kritik-an-polnischer-Justizreform-Sitzt-Deutschland-im-Glashaus-3779572.html
ebo
21. Juli 2017 @ 12:32
@Pjotr Richtig, das deutsche System ist auch nicht gerade vorbildlich. Im Kern geht es auch gar nicht um die Justiz. Es geht darum, dass sich Polen immer weiter von Westeuropa und von der EU entfernt. Daran wird auch ein EU-Verfahrn nichts ändern, das können nur die polnischen Bürger korrigieren. Die EU hingegen täte gut daran, den schleichenden Zerfall endlich zur Kenntnis zu nehmen und nach den Ursachen zu suchen – bevor es zu spät ist.
Pjotr56
21. Juli 2017 @ 13:21
„… – bevor es zu spät ist.“ Lieber ebo, für ein Europa der Menschen, die Frieden, Kooperation und Freundschaft untereinander und dem Rest der Welt anstreben ist es nie zu spät.
Aber leider hat dieses Europa bisher nicht existiert, und es sieht danach aus, als würden der neoliberale, deutsche Hegemon sowie zunehmend nationalistische Partikularinteressen die einzigen europäischen „Werte“ sein.
Claus
21. Juli 2017 @ 09:02
Zeit Online vom 20. Juli: „235 Abgeordneten (…) stimmten für ein Gesetz, das der Regierung die Kontrolle über das Oberste Gericht überträgt. (…) Das neue Gesetz (…) sieht vor, dass künftig Staatspräsident Andrzej Duda die Richterkandidaten für den Gerichtshof auswählt.“
Und in Deutschland werden Richter am BVerfG Karlsruhe in kuscheligem Regierungsproporz und intransparenten Verfahren berufen. Und der Bundesjustizminister feuert auch schon mal den Generalbundesanwalt, wenn ihm dieser politisch querkommt.
Kann mir jemand erklären, warum wir uns über die Justizreform in Polen aufregen sollen?
Ute Plass
21. Juli 2017 @ 11:08
Informativ dazu:
http://www.deutschlandfunk.de/polen-die-justizreform-ist-notwendig.694.de.html?dram:article_id=391533