Lost in Kiev

In der Ukraine eskaliert die Gewalt – und die EU schaut zu. Ausgerechnet am Tag nach Ablauf des Ultimatums von Präsident Janukowitsch war kein einziger EU-Diplomat vor Ort. Es ist nicht das einzige Scheitern des Friedensnobel-Preisträgers und seiner viel gerühmten „Soft Power“.

Es ist noch zu früh, definitive Schlüsse zu ziehen. Die Lage in Kiew ist zu dramatisch und unübersichtlich. Dennoch ist nach dieser Gewalt-Nacht klar, dass die „Vermittlung“ der EU gescheitert ist.

Wie konnte es dazu kommen? Gab es nicht gerade Zeichen der Entspannung, hatte Kanzlerin Merkel nicht noch am Vorabend ihren Helden Klitschko in Berlin empfangen – und Sanktionen abgelehnt?

Hat Januschenko die Offensive von langer Hand geplant und damit ein Massaker in Kauf genommen? Oder hat der paramilitärisch bewaffnete „rechte Sektor“ die Eskalation provoziert? Ich weiß es nicht.

Klar ist nur, dass die EU versagt hat, und zwar auf ganzer Linie. Sie gerierte sich als Vermittlerin, wo sie doch Partei war (und ist). Sie bot Freihandel, wo es um Finanzhilfen und Gaslieferungen ging.

Sie sprach blauäugig von „der friedlichen Opposition“, als sich längst gewaltbereite Nationalisten und Faschisten in deren Reihen gemischt hatten. Die hatten schon die ersten Krawalle im November provoziert.

Vor allem aber leugnete sie die geopolitische Dimension des Konflikts, und das gleich mehrfach. Als Russlands Putin die Ukraine kaufte, empfing man ihn in Brüssel mit Phrasen. Strategische Partnerschaft? Perdu.

Und als die USA unüberhörbar „Fuck the EU“ riefen und die europäischen Bemühungen konterkarierten, lächelte man verlegen und tat so, als sei nichts geschehen (siehe „Der amerikanische Freund“).

Von einem Friedensnobelpreisträger hätte man mehr erwartet. Deutschland und die EU haben in der Ukraine keine Befriedung geschafft, sondern – nolens volens – eine gefährliche Eskalation bewirkt.

Denn sie hatten und haben keine Strategie. Russen und Amerikaner haben dies erkannt, vermutlich werden auch sie die entscheidende Rolle bei einer möglichen Lösung spielen, wie üblich.

Die Soft Power ist an der Hard Power gescheitert. Nun nimmt uns niemand mehr ernst, nicht mal die ukrainische Opposition, wie es scheint (siehe der Tweet unten). Ach, EUropa…