Der nächste Coup
„This is a coup“, hieß es nach dem Griechen-Raus-Gipfel im Juli 2015. Kanzlerin Merkel hatte mit Finanzminister Schäuble über Bande gespielt und die EU überrumpelt. Dasselbe erleben wir jetzt wieder.
[dropcap]G[/dropcap]emeint ist kein Staatsstreich, obwohl das in der Türkei vielleicht angesagt wäre. Mir geht es um die Art, mit der Merkel den EU-Sondergipfel vorbereitet und alle Chefs ausgebootet hat.
Erst das Vortreffen mit Davutoglu: Bei der Kungelrunde kommt etwas ganz anderes heraus, als abgesprochen war. Nicht einmal Ratspräsident Tusk, der zuvor eigens nach Ankara gereist war, war eingeweiht.
Dann der Gipfel: Die meisten Chefs fallen aus allen Wolken, als sie den Merkel-Davutoglu-Plan lesen. Das Treffen wird umfunktioniert, statt um die EU-Krise geht es nur noch um die Türkei.
Schließlich die Substanz: Die Spitzenrunde soll Vorschläge (z.B. Massenabschiebung in die Türkei) absegnen, von denen nicht einmal klar ist, ob sie überhaupt legal sind. Dazu ein Tweet:
Is the EU-Turkey deal even legal? Probably not, but who cares anymore! https://t.co/JLKRsOF2iVpic.twitter.com/hXZqYaiH5G
— Duncan Robinson (@duncanrobinson) March 7, 2016
All das erinnert an 2015, wo Schäuble seinen „temporären time-out“ für Griechenland propagierte, und als Alternative eine Treuhandanstalt in Luxemburg anbot. Legal? Illegal? Scheißegal!
Immerhin gab es diesmal mehr Widerstand als damals, als nur drei EU-Staaten auf Distanz zu Merkel gingen. Deshalb wurden nun letzte Entscheidungen auf den nächsten Gipfel vertagt.
Aber an der Grundlinie dürfte sich nichts mehr ändern. Merkel sprach von einem „Durchbruch“ – selbst einen Türkei-Beitritt will sie nicht mehr ausschließen. Das wäre dann wohl der nächste Coup…
winston
9. März 2016 @ 22:12
Streik in Rouen. Zentrale des Parti Socialiste wurde komplett demoliert.
Ob die Franzosen langsam aufwachen ?
http://france3-regions.francetvinfo.fr/haute-normandie/seine-maritime/forte-mobilisation-dans-les-rues-de-rouen-et-du-havre-contre-la-reforme-du-code-du-travail-947583.html
GS
9. März 2016 @ 15:12
Wenn das stimmt, was heute in der Financial Times steht, hat Merkel beim Gipfel ziemlich viel Porzellan zerschlagen. Aber ich verstehe einfach nicht, warum niemand aufbegehrt. Wenn ein Hollande Schneid hätte und sowas wie führen könnte, wäre Merkel in Windeseile isoliert.
ebo
9. März 2016 @ 15:30
Stand doch auch schon in diesem Blog – es war ein Coup. Das Problem ist, dass die anderen EU-Politiker andere Sorgen haben – und keine Alternativen.
Johannes
9. März 2016 @ 19:49
@GS
Das wird die Merkel mit Geld wieder gut machen. Alle wissen, Merkel wird das Checkbuch der Deutschen zücken, sie hat ja keine andere Wahl *hahahahaha
Und für Menschen wie mich ist das zusätzliche Munition. Sprüche wie „Deutschland ist der Zahlmeister der EU“ lassen sich dann noch viel viel besser in die Welt hinausposaunen. Man muss auch das Positive in alle diesem Sch…. sehen 😉
GS
9. März 2016 @ 23:04
@Johannes
Weiß nicht. Von den 15 Mrd. Euro Nettobeitrag, den Deutschland derzeit jährlich abdrückt, höre ich z.B. nie etwas. Macht schlanke 100 Mrd. Euro alle sieben Jahre…
Johannes
8. März 2016 @ 19:53
Deutschland wird weiterhin die meisten Flüchtlinhe aufnehmen, so wird es am Ende kommen.
Das hat auch Vorteile: Deutschland rückt weiter nach rechts was die EU- und Europolitik von CDU/SPD/GRÜNEN gefährdet und unter Druck setzt. Und die Politiker müssen der EU die Gelder kürzen.
Flüchtlinge für Deutschland = weniger deutsches Geld für den EU-Haushalt. Und dagegen kann man kaum argumentieren, es sei denn, man will sich gegen Flüchtlinge aussprechen, was ja zumindest in Deutschland ganz ganz ganz böse ist. Ich finde es schön, dass SPD und CDU sich so sehr ans Bein pinkeln.
Die AfD ist gerettet (die war doch schon tot wenn man ehrlich ist) und Deutschland rückt nach rechts.
In 5-6 Jahren wird dann die CDU anfangen, mit der AfD zusammenzuarbeiten. Und so bleibt die CDU an der Macht. Läuft doch alles gut für die olle Merkel.
Ute Plass
8. März 2016 @ 11:49
Stichwort Metternich: Dazu hörte ich gestern eine Buchbesprechung,
in der Metternich als Stratege und Visionär dargestellt wird, der die Gefahren des Nationalismus früh erkannte und dem Europa Jahrzehnte des Friedens zu verdanken hat.
http://www.deutschlandfunk.de/biografie-eines-europaeischen-staatsmannes-der-wahre-fuerst.1310.de.html?dram:article_id=347677
Ob über die Politik der Kanzlerin einmal ähnliches in den Geschichtsbüchern zu lesen sein wird? Aktuell erschließt sich mir weder Angela Merkels politische Strategie noch so etwas wie Weitsicht.
Peter Nemschak
8. März 2016 @ 12:31
Alllerdings hatte der Friede seinen Preis in der Unfreiheit der Reaktion, die schließlich zu den Revolutionen des Jahrs 1848 führten. Gegen den Nationalismus des 19.Jhdts. war Metternich letztlich allerdings chancenlos.
GS
8. März 2016 @ 10:43
Der Inhalt selbst hat es in sich. Für jeden Flüchtling, den die Türkei von Griechenland zurücknimmt, soll einer aus der Türkei nach Europa kommen. Na da bin ich ja mal gespannt, ob die Türken jetzt nicht die Schleuser unterstützen werden, möglichst viele nach Griechenland zu bringen.
Dieser Dilettantismus ist einfach unglaublich. Und dann schwärmt der türkische Regierungschef noch von Pressefreiheit…
Anonymous
8. März 2016 @ 11:51
Macht in der Mitte führt zu Krieg–Napoleon—Hitler wer ist der nächste?
Peter Nemschak
8. März 2016 @ 13:44
Bei funktionierender Verteilung hat Europa Platz für mehr temporär Schutzsuchende.
Peter Nemschak
8. März 2016 @ 09:21
Die Gesellschaft wandelt sich ebenso wie ihre Gesetze. Das Verhalten Merkels erinnert ein wenig an eine Karikatur, die zur Zeit des Wiener Kongresses entstanden ist und Metternich als peitschenschwingenden Kutscher am Kutschbock einer Kutsche zeigt, die über die Schlaglöcher einer Straße dahinrumpelt. Die darin befindlichen Fahrgäste mit angsterfüllten Gesichtern stellen die anderen europäischen Mächte dar, die nicht wissen, wie ihnen geschieht.
S.B.
8. März 2016 @ 10:10
Die Frage ist: Warum lassen die „europäischen Fahrgäste“, die angsterfüllt in Merkels Kutsche mitfahren, deren Willkür quasi widerspruchslos über sich ergehen? Für mich ist das völlig unverständlich. Es sei denn, sie sind in Wahrheit nichts anderes als willfährige Vasallen. Kann mir jemand erklären, warum sich ganz Süd- und Westeuropa einfach der Merkelschen Doktrin unterwirft. Das war mit GR schon so und ist nun in der Flüchtlingskrise genauso (abgesehen von der nicht akzeptierten Umverteilung).
Peter Nemschak
8. März 2016 @ 11:23
Unabhängig von Merkel, wer sonst außer Deutschland kann derzeit die Führungsrolle in Europa wahrnehmen? Lesen Sie „Macht in der Mitte“ vom Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler, der die Zusammenhänge in seinem Buch ausleuchtet.
S.B.
8. März 2016 @ 13:12
Wozu brauchen wir ein Land, noch dazu D, das die Führungsrolle in Europa übernimmt. Wer und was muss denn gegen wen und was geführt werden? Verstehe ich nicht.
winston
8. März 2016 @ 19:22
Entweder totale Ignoranz und Inkompetenz oder sie sind gekauft. Vermutlich beides zusammen.
Die Medien spielen dabei eine zentrale Rolle. Das Brüsseler Politbüro gibt gewaltige Summen für pro-EU und pro-Euro Propaganda aus. Eurokritische Meinungen von namhaften Ökonomen werden nicht zugelassen und komplett unterdrückt. Es findet in keinster Weise eine offene und transparente Debatte statt.
Und immer dran denken im Brüsseler Politbüro lässt es sich ganz gut leben, vor allem finanziell.
Würde in der Schweiz der Kanton Zürich den anderen Schweizer Kantonen vorschreiben was sie zu tun und zu lassen haben, wäre es ganz schnell Schluss mit lustig in der Schweiz.