Was die EZB uns glauben macht
Nach den Staatsanleihen will die EZB nun auch Unternehmensanleihen aufkaufen. Die steht jedenfalls auf der Tagesordnung der Zentralbänker. Dabei ist ihr letzter Coup – die Abschaffung des 500-Euro-Scheins – noch nicht verdaut.
Von Norbert Häring
Wir sollen glauben, dass die Europäische Zentralbank aus eigener Initiative beschlossen hat, den 500-Euro-Schein abzuschaffen.
Es soll scheinen, als sei sie ein klein bisschen spät doch noch zu der Überzeugung gekommen, dass viele Kriminelle diesen Schein nutzen.
Wir sollen schlucken, dass, ganz zufällig, kurz vorher die SPD-Fraktion im Bundestag genau das gefordert hat, und dass das nichts damit zu tun hat, dass wiederum kurz vorher der Chef der Deutschen Bank in Davos das Ende des Bargeldes forderte und voraussagte.
Wir sollen glauben, dass die Aktion der SPD-Fraktion nicht bestellt war, um das Feld für CDU-Finanzminister Schäuble zu bereiten, damit dieser kurz darauf eine Obergrenze für Barzahlungen fordern konnte – obwohl das in der Bevölkerung keinerlei Rückhalt hat.
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Andreas Meyer
3. Juni 2016 @ 12:09
@skyjumper Ich denke, Sie kriegen hier einiges Durcheinander, bzw. kommen zu den falschen Schlüssen.
Die EZB ist keine Geschäftsbank sondern Organ der ESZB mit fest definierten Aufgaben und Instrumenten, die wir hier nicht wiederholen müssen.
Das Bilanzierungssystem, auf welches Sie hinweisen, hat verschiedene Aufgaben; daraus abzuleiten, dass die EZB gleichen Risiken ausgesetzt wäre wie europäische Geschäftsbanken, ist aber falsch.
Ungleichgewichte, hohe TARGET Salden, etc. gehören zu den “normalen” Erscheinungen einer Währungsunion mit strukturell unterschiedlichen Mitgliedern. Zentralbanken, wie z.B. jene in den USA oder UK haben, wie Sie wissen, die Funktion des “lenders of last resort; bei der EZB ist das etwas komplizierter …
Grundsätzlich kann die EZB als Notenbank aber nicht “Pleite” gehen. Abwertungen von “collaterals”, wie z.B. Anleihen, sind normale Vorgänge für eine Zentralbank und kommen regelmäßig vor. Die EZB kann sogar Verluste im dreistelligen Milliardenbereich machen, ohne dass dies ein Problem wäre oder die Steuerzahler dafür haften müssten. Diese Verluste müssten weder kurzfristig gedeckt werden, noch führen sie zu einer Insolvenz der Notenbank.
Aufgabe der EZB ist letztendlich die Sicherstellung der Preisstabilität, eine kontrollierte Inflationsentwicklung und die Versorgung der Volkswirtschaft mit Geld, insbesondere die Sicherstellung des reibungslosen Zahlungsverkehrs.
Die Vorschläge eines Bürgerkontos sind daher natürlich nur sinnvoll, wenn die EZB die Rolle einer typischen Zentralbank als lender of last resort auch tatsächlich wahrnehmen würde und das “Bürgerkonto” gesetzlich (d.h. einklagbar) von jeder Art der Möglichkeit eines “haircuts” ausgeschlossen wird.
Da mit einem Geld des Bürgerkontos nicht gewirtschaftet werden soll (vgl. oben), ist dieses Guthaben auch keinem Risiko ausgesetzt. Es könnte z.B. einfach getrennt bilanziert werden oder müsste schlicht von der Zentralbank gesichert werden – im Ergebnis ist es das selbe. Was Sie oben Schreiben ist für ein Bürgerkonto daher ohne Belang.
Einziges Risiko wären eine hohe Inflation und der Mangel an Bargeldreserven; letzterem könnte die EZB durch den Druck von Bargeld leicht begegnen. Wäre das Bürgerkonto ein elektronisches Konto, mit welchem jeder Bürger die wesentlichen Kosten des Lebensunterhaltes begleichen kann (Steuern, Miete, Elektrizität, etc.) dann entfiele sogar der Bedarf an Bargeld.
Skyjumper
2. Juni 2016 @ 21:06
“…… dann müsste der Vorschlag eines sicheren „Bürgerkontos“ bei der EZB weiterentwickelt werden……. ”
Sie übersehen bei diesem Vorschlag dass die EZB zumindest auf dem Papier den gleichen Bilanzierungs- und Rechtsvorschriften unterstellt ist wie jedes andere Wirtschaftsunternehmen (mit Banklizenz) auch. Die EZB kann – auf dem Papier – genau so pleite gehen wie jedes andere Wirtschaftsunternehmen auch.
Was die EZB von anderen Geschäftsbanken unterscheidet ist der hochkarätige Eigentümerkreis, nämlich die Mitgliedsstaaten der Eurozone.
Nehmen Sie allerdings jetzt noch folgende Erkenntnis hinzu:
” aber sollte es hart auf hart kommen, so sind alle EU-Staaten schlicht nicht in der Lage, alle diese Einlagen auch wirklich zu sichern”
Was unterscheidet ein Konto bei der EZB dann noch von einem x-beliebigen anderen Konto? Giralgeld hat IMMER einen Counterpart. Je nachdem wer das ist, ist das Risiko kleiner oder größer, aber es ist immer da.
Und schauen Sie sich die Bilanz der EZB mal an! Die Bilanz ist in den letzten Jahren durch die Anleihenkäufe und diverse Kreditprogramme extremst angeschwollen und beträgt zur Zeit knapp 3.000 Mrd. €. Das Eigenkapital der EZB beträgt aber nach wie vor nur knapp 6 Mrd. €.
Nur 0,2 % Verlust über sämtliche Aktiva (sehr unrealistisch dass es alle Anlagen trifft, ich weiß) und die EZB ist pleite bzw. muss ihre Eigentümer (die Staaten) um Nachschüsse bitten. Deutschland haftet übrigens mit etwa 27 % an den 3.000 Mrd. 🙂 Aber hey, was soll’s, das sind ja nur knapp 3 Jahre kompletter Bundeshaushalt.
Andreas Meyer
2. Juni 2016 @ 19:55
Hier muss ich ebo recht geben. Auch bei der Bewertung der offensichtlich fadenscheinigen Gründe für die Abschaffung der 500er Banknote befindet sich N. Häring in bester internationaler Gesellschaft. Wenn in den obersten Etagen der globalen Finanzmächte solche Entscheidungen gefällt werden, dann lehrt uns schon allein die Erfahrung, dass mindestens ein gesundes Misstrauen angebracht ist.
Neben den Negativzinsen, ist auch der Aspekt “Erhöhung der Gewinne aus dem elektronischen Zahlungsverkehr” für die klamme Finanzwelt wichtig. Auch wenn der Finanzsektor derzeit oberflächlich stabilisiert erscheint, zeigen die Entwicklungen der letzten Jahre, dass von den guten Vorsätzen zu wenig übrig geblieben ist: die Abhängigkeit der Banken von heimischen Staatsanleihen ist seit 2007 mächtig gestiegen (vgl. Bruegel Institut 12/2015) und die Zahl der “Zombie-Banken” ist in der EU weiterhin sehr hoch. Unter Fachleuten gilt die BRRD als nahezu wirkungslos, und vielen Banken gehen in Sachen Transparenz wieder rückwärts . Bei der nächsten Bankenkrise kann ein Haircut der Einlagen nur wirksam sein, wenn der Abzug von Bargeld begrenzt wird. Auch wenn es arrogant wirk, ja ich hatte schon mal ‘nen 500er :- ) . Z.B. beim Autokauf (gebraucht) ist eine Zahlung “Zug um Zug” notwendig.
Ein anderer Aspekt wird aber meiner Meinung nach nicht ausreichend gewürdigt. Wir haben am Beispiel von Griechenland gesehen, wie wichtig gerade in Krisenzeiten ein funktionierendes Steuersystem ist als Garant für eine gerechte Lastenverteilung ist. Derzeit hat der griechische Staat über 86 Milliarden Euro Außenstände; davon gilt zirka die Hälfte als verloren, da die Steuerzahler aufgrund der dramatischen Wirtschaftskrise (infolge der brutalen Austerität) schlicht nicht in der Lage sind zu zahlen (hauptsächlich ist die ENFIA betroffen). Durch Kapitalflucht seien schätzungsweise 55 Milliarden Euro an Steuern verloren gegangen (cf. Michel Huson, CADMT).
Auch Deutschland hat, wie wir wissen arge Probleme mit Steuervermeidung, Steuerflucht, Steuerhinterziehung, dem “Steuerparadies” Bayern (“Standortvorteil”), etc. Siehe auch die berühmten Steuer-CD’s. Die nächste Finanzkrise wird kommen und dann ist es wichtig, dass Steuern effizient und wirksam eingetrieben werden, was wiederum eine hohe Transparenz von Eigentum, Einkommen und im Zahlungsverkehr voraussetzt. Dies wird kaum zu erreichen sein, solange hohe Summen von Bargeld im Spiel sind. Anders gesagt, Transparenz ist von höchster Bedeutung, um im Krisenfall die Steuereinnahmen und damit die gerechte Verteilung von Lasten sicherzustellen. Folgt man dieser Logik aber, dann müsste der Vorschlag eines sicheren “Bürgerkontos” bei der EZB weiterentwickelt werden. Nicht nur Norbert Häring macht diesen Vorschlag, sondern auch viele NGO wie ATTAC, CADTM, usw. Dies erscheint mir auf den ersten Blick eine vernünftige Lösung: zu Zeiten des Nullzins möchte ich zumindest vermeiden, dass mit meinem Guthaben spekuliert wird und ich möchte mich natürlich nicht dem Risiko eines Haircuts aussetzen (Bankeinlagen sind “nur” bis 100.000 Euro gesichert, aber sollte es hart auf hart kommen, so sind alle EU-Staaten schlicht nicht in der Lage, alle diese Einlagen auch wirklich zu sichern).
Anonymous
2. Juni 2016 @ 10:00
Also das scheint mir mal wieder ein wenig zuviel Verschwörungstheorie hier, sorry. Man kann über eine Höchstgrenze für Brageldkäufe usw. gute Argumente dafür und dagegen haben. Ich selber nehme es einfach pragmatisch hin, dass ich sowieo nicht über soviel Bargeldreserven, weder auf dem Konto noch unter dem Kopfkissen verfüge, dass mich das wirklich tangieren könnte. Auch der 500 Euro-Schein gehört nicht zu meinem bevorzugten Zahlungsmittel. Man kann Verschwörungen lieben oder nicht, der größte Teil der Bevölkerung ist von diesen Maßnahmen nicht betroffen. Aber gut, für alle die 500er unter der Matratze horten, diskutiert ruhig weiter über die Weltverschwörung….
ebo
2. Juni 2016 @ 10:06
Geht mir ähnlich. Ich glaube, ich habe noch nie einen 500er in der Tasche gehabt. Aber gut, das ist ein Gastbeitrag – und Norbert Häring weiß, wovon er spricht!
Skyjumper
2. Juni 2016 @ 11:06
Das kann man so sehen. Ich persönlich sehe es so, dass mir der 500er als solcher am Allerwertesten vorbeigeht. Was mich allerdings überhaupt nicht kalt lässt ist der Einstieg in den Ausstieg des Bargelds. Diese Ausstiegsplanung wird seit Monaten von den verantwortlichen einerseits bestritten und andererseits seit Monaten von immer mehr “Experten” angeregt oder gefordert.
Verschwörungstheorie? Ja, vielleicht. Allerdings hat man in den letzten Jahren zu vielen Theorien diesen Mantel umgehängt bevor sie dann Realität wurden.
Andres Müller
2. Juni 2016 @ 12:49
“…über die Weltverschwörung”.
Der Autor hat ein Beispiel erwähnt, diese von der SNB initierte Notenbank -Konferenz in London. Der Anlass wurde auch in grossen Tageszeitungen in der Schweiz (wie der NZZ) thematisiert. Der Autor und der Bericht in der NZZ (wie ich ihn in Erinnerung habe) unterscheiden sich wenig.
Es ging dort auch um die Abschaffung bzw Begrenzung von Bargeld als Massnahme um tiefe Zinsen zu ermöglichen. Da dort alle wichtigen Notenbanken anwesend waren darf man schon von einer Art Weltverschwörung sprechen (was immer man auch darunter verstehen mag).
Andres Müller
2. Juni 2016 @ 09:44
“…will die EZB nun auch Unternehmensanleihen aufkaufen.”
Im Prinzip ist ein solcher einseitger Support für (grosse) Firmen und Konzerne Gesetzeswiddrig. Auf jeden Fall nennen das einige Ökonomen (wie Krugman) auch Zitronensozialismus oder Zitronenkredit, es zerstört den Wettbewerb und hat in einer freien Marktwirtschaft NICHTS zu suchen. In Island nennt man das auch Teufelssozialismus ( „Sósíalismi andskotans“ ). Es stützt die Grossen und bringt Kleine in grosse Schwierigkeiten, denn bei den Kleinen kauf die EZB keine Anleihen, weil die keine Anleihen haben. Gesetzeswiddrig ist das, weil hier Geld nur an bestimmte Grosse fliessen kann, während der überwiegende Teil der Firmen (die keine Anleihen haben) ohne eigenes Verschulden leer dabei ausgehen. Also auch hier das Gegenteil von Helikoptergeld aktiviert worden.