Bedingt abwehrbereit
Kommt nach Zypern als nächstes Italien dran? Die aufgeregten Berichte aus Rom erwecken den Eindruck, dass bald auch die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone „gerettet“ werden muss. Doch die „Retter“ sind dazu nicht bereit.
Keine Panik, bitte: Italien wird nicht so schnell ein Fall für die Euro“retter“. Zwar ist die Regierungskrise in Rom durchaus ernst; wenn nicht bald eine Lösung gefunden wird, könnte sie sich zur Staatskrise auswachsen.
Auch die Wirtschaftskrise ist ernst. Sie hat sich unter der Ägide des EU-Lieblings Monti, der nun nachsitzen soll, sogar verschärft. Doch die Neuverschuldung hält sich in Grenzen; zudem sind die Italiener fähig, sich selbst zu helfen.
Italien ist Nettozahler und ein Geberland in der Eurokrise; das wird in den meisten Berichten der deutschen Medien vergessen. Zudem ist die Auslandsverschuldung gering; der Staat schuldet vor allem seinen Bürgern Geld.
Viel größere Sorgen macht mir der Zustand der Euro“retter“. Denn wenn die Märkte gegen Italien spekulieren und die Kreditaufnahme wie im letzten Jahr massiv verteuern sollten, sind die Helfer alles andere als abwehrbereit.
Schon mit einem Zwergstaat wie Zypern waren Finanzminister Schäuble & Co. völlig überfordert; erst in letzter Minute kriegten sie die Kurve. Doch die chaotischen „Rettungs“-Manöver haben ernste Probleme offenbart:
- Die EZB ist von ihrer Doktrin, die Eurozone um jeden Preis zusammenzuhalten, abgerückt. Zudem zögert sie offenbar, ihre schärfste Waffe, die unbegrenzten Anleihenkäufe, einzusetzen. Damit verliert auch ihre Abschreckung der EZB an Wirkung – einige Spekulanten wetten bereits wieder gegen den Euro.
- Die Eurogruppe ist völlig überfordert. Ihr Chef Dijsselbloem hat sich als Fehlbesetzung erwiesen, wie sogar CDU- und FDP-Politiker einräumen. Die Politik der 17 ist unberechenbar und schafft – wie das Beispiel Einlagensicherung zeigt – sogar neue Probleme.
- Die Troika ist nicht mehr arbeitsfähig. Der IWF möchte lieber heute als morgen raus, denn er ist zu der – richtigen – Einschätzung gelangt, dass die Schulden ohne Haircuts nicht mehr tragfähig sind.
- Deutschland ist nicht mehr wirklich hilfsbereit. Problemfälle wie Zypern oder auch Slowenien werden so lange es geht verschleppt; vor der Bundestagswahl möchte diese Regierung nicht mehr helfen müssen. Entsprechend groß ist das Misstrauen, das ihr entgegenschlägt.
- Der „harte Kern“ der Eurogruppe aus Deutschland, Finnland und den Niederlanden steckt selbst in der Krise. NL reißt die Defizitlatte, möglicherweise verliert es sogar das „AAA“-Rating. Auch FI und D schwächeln.
Aus all diesen Gründen ist die Eurozone derzeit kaum abwehrbereit. Sie wird versuchen, alle Probleme auszusitzen – wenigstens bis nach der Bundestagswahl. Danach allerdings dürfte sehr schnell die Stunde der Wahrheit schlagen…
Tim
2. April 2013 @ 17:21
„einige Spekulanten wetten bereits wieder gegen den Euro.“
Achtung, bitte nicht vergessen: Zu einer Wette gehören immer zwei. Wenn 100 Investoren gegen eine Währung wetten, wetten immer auch 100 Investoren für diese Währung. Sonst käme die Wette nicht zustande.
Andres Müller
3. April 2013 @ 14:28
Diese Ansicht hat seinen Haken in Euroland @Tim. Sprechen Sie mal über Ihre Theorie mit der SNB, welche nur deshalb Euro kauft um den Schweizer Franken nicht in schwindelnde Höhen zu treiben. Und ähnlich wie die SNB sind viele Institutionelle gezwungen Euro zu kaufen, um die Auflagen im Wertschriftendepot zu erfüllen. Dann haben wir noch die FED in den USA, die kaufen ebefnalls massiv Euro in Form von Italienischen und französischen Anleihen usw. sehen Sie dazu nur die mal in die Bilanzführung der FED nach wenn Sie es nicht glauben -es sind viele Milliarden, mehr als die Stützung der heimischen Banken. Auch die Japaner sind am Kampf gegen ihren Yen im Einsatz. Diese Art von Spekulation hat nichts mehr mit Gewinnstreben zu tun, es sind eher Panikkäufe.
Johannes
2. April 2013 @ 14:10
Deutschland schwächelt weil das Wetter so schlecht ist. Die Frühjahrskonjunktur am Bau is bisher ausgeblieben, die haben alle keine Arbeit bzw. konnten nicht arbeiten. Lasst den Frühling kommen …
Andres Müller
1. April 2013 @ 16:13
„Zudem zögert sie offenbar, ihre schärfste Waffe, die unbegrenzten Anleihenkäufe, einzusetzen.“
Wenn die Italiener sich selbst retten müssen, dann bedeutet dies -es geht kaum ohne Zugriff auf die Bürger – den Einlagen der strauchelnden Banken. Möglicherweise war ja Zypern der Testlauf hierzu gewesen. Ehrlich gesagt glaube ich den früheren Aussagen von Dijsselbloem mehr als der späteren Revision. Die italienischen Banken hofften vor den Wahlen noch auf uneingeschränkte Anleihekäufe durch die EZB. Doch es ist noch keineswegs sicher ob die anberaumte Verlängerung mit Monti wirklich klappt und ob Draghi befugt ist zu weiteren Anleihekäufen:
ESM-Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts
„Ein Erwerb von Staatsanleihen am Sekundärmarkt durch die Europäische Zentralbank, der auf von den Kapitalmärkten unabhängige Finanzierung der Haushalte der Mitgliedstaaten zielte, ist als Umgehung des Verbotes monetärer Haushaltsfinanzierung … untersagt“ (BVerfG, 2 BvR 1390/12 vom 12.09.12, Absatz Nr. 278).
Gut möglich dass Schäuble nun auch deshalb genau das (wie in Zypern) vertreten muss was Dijsselbloem vorangekündigt hat.
ebo
1. April 2013 @ 20:39
Das sehe ich ganz ähnlich. Man kann nur hoffen, dass die Märkte die Entschlossenheit der EZB nicht testen, das könnte schlimm ausgehen!
Johannes
2. April 2013 @ 14:09
Das mit dem Verbot der Anleihenkäufe ist richtig Andres Müller, aber jetzt mal ehrlich, seit wann kümmert sich die Schrott-EZB um Gesetze und Verträge? Ebos Sorgen sind total berechtigt, wird die EZB gestestet, kann das schlimm ausgehen, aber das sind Dinge, die man vorher wusste, man wurde gewarnt …