Nicht abwehrbereit
Ratspräsident Tusk hat die Politik von US-Präsident Trump zur Gefahr für die EU erklärt. Doch eine Verteidigungs-Strategie hat er nicht vorgelegt. Auch der Sondergipfel in Malta hat nicht geliefert.
Denn die EU ist nicht nur nicht reformwillig – seit Jahren schiebt sie die Vollendung der Eurozone, die Neuordnung der Finanzen und die überfällige Demokratisierung vor sich her.
Sie ist auch nicht abwehrbereit. Schon seit dem Brexit schreckt sie davor zurück, ihre Gegner auf der Insel und deren neuen Verbündete in den USA und anderswo in die Schranken zu weisen.
Nach dem Brexit-Votum hatten die drei EU-Präsidenten, darunter auch Tusk, zwar eine schnelle Antwort gefordert. Doch Kanzlerin Merkel wiegelte ab und bremste sie aus – bis heute.
Das Ergebnis dieser Politik des Aussitzens und Schönredens klingt so (Auszug aus dem offiziellen Einladungsschreiben Tusks zum EU-Sondergipfel auf Malta am 3.2.):
Den Abschluss des Vormittagsprogramms bildet das Familienfoto, das im Freien aufgenommen wird. Danach werden wir zum Mittagessen auf die andere Seite der Bucht fahren. Beim Mittagessen werden wir Gelegenheit haben, uns ungezwungen über andere internationale Herausforderungen und die internationale Lage zu unterhalten.
Das klingt nach gemütlicher Bootsfahrt, genau wie beim Sondergipfel in Bratislava, bei dem auch keine Beschlüsse gefasst wurden. Nach einer entschlossenen Antwort auf Trump klingt es nicht.
Was die EU tun könnte
Dabei wäre die leicht zu finden. Die EU-Staaten könnten, als ersten Schritt, die US-Botschafter einbestellen und auffordern, die neue Politik ihres Präsidenten zu erläutern, insbesondere den Einreisebann.
Sie könnten die Pazifikstaaten einladen, die Trump mit der Kündigung des TPP-Abkommens vor den Kopf gestoßen hat. Auch eine Einladung an muslimische Forscher und Wissenschaftler wäre denkbar.
Sie könnten, als dritten Schritt, mit der Kündigung des Datenschutzabkommens “Privacy Shield” drohen, an dem das Silicon Valley und damit die amerikanische Zukunft hängt. Und, und, und…
Blindes Vertrauen in die USA
Klar, all das ersetzt keine außenpolitische Strategie, die die EU immer noch nicht hat. Bisher vertraut sie blind auf die “bewährte” transatlantische Zusammenarbeit und auf die Nato.
Doch es wäre schon ein Fortschritt, einmal die Zähne zu zeigen – statt die mit Trump akut gefährdete Zusammenarbeit ohne Vorbedingungen zu bekräftigen, wie dies Merkel getan hat.
Dazu bräuchte man allerdings politischen Willen, Überlebenswillen, Kampfesmut. All das fehlt dieser EU, leider. Tusk hat zwar einen viel beachteten, wenn auch schrägen Wut-Brief geschrieben.
Doch den Worten sollen, wenn nicht alles täuscht, keine Taten folgen. Auf Malta gab es nur wieder ein Bekenntnis zur Einheit, genau wie in Bratislava. Hat sich seitdem etwas geändert? Eben…
Siehe auch: “Trumps wants global regime change” und “Wer Trump offen kritisiert – und wer nicht”
alex
4. Februar 2017 @ 00:35
Ebo, du tappst hier gleich in 2 Fallen – in die Obama und in die Trump Falle zugleich.
a) Betreffend dem Einreisebann: diese(n) gab es in den USA in der Vergangenheit mehrfach: seit 2001 und auch unter Obama 2011, 2015 and 2016. Nur eben versteckt, unbeachtet von den Medien. Das Trump(eltier) macht nichts anderes, was nicht schon vorher stattgefunden hat, nur eben mit lautem Getöse, um von anderen Belangen abzulenken.
b) Was Trupms Vorwürfe gegenüber der deutschen Wirtschaftspolitik betrifft (Stichwort Leistungsbilanzüberschüsse) hat er Recht – ebenfalls keine neue Erkenntnis von Trumps Regierungstruppe, denn dies ist seit Jahren bekannt. Die dt. Wirtschaftspolitik zerstört die €-Zone, ist Generator von Extremismen / Nationalismen und letalen Wettbewerbsverzerrungen. Heiner Flassbeck hat in seinem Beitrag “Über Wahrheit, Lüge und dröhnendes Schweigen” (https://www.heise.de/tp/features/Offener-Brief-Ueber-Wahrheit-Luege-und-droehnendes-Schweigen-3614004.html) einen Ausweg skizziert: und Flassbeck liegt hier richtig: eine 180° Wende müsste kommen, ein deutscher Kniefall vor der gesamten €-Zone verbunden mit dem verbindlichen Versprechen fortan (in den nächsten 10 Jahren – schneller geht es leider nicht) ausgeglichene Aussenhandelsbilanzen anzustreben. Nichts anderes kann die €-Zone mehr retten.
c) Was die Flüchtlingspolitik betrifft, müsste die EU auf Russland zugehen und die Sanktionen aufheben, die aggresiven NATO-Truppenstationierungen im Osten zurückfahren, dann über Moskau Proschenko und Erdogan auf Linie bringen, die Syrienpolitik fundamental ändern und gemeinsam Libyen stabilisieren.
Ich befürchte, es wird leider so nicht kommen.
ebo
4. Februar 2017 @ 12:07
@Alex Tja, Pech für alle Trump-Versteher, ein Bundesgericht hat gerade den Einreisebann gekippt: http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-02/usa-einreisestopp-donald-trump-seattle-urteil Außerdem ist Trump schon jetzt der unbeliebteste US-Präsident – woran liegt das nur? Bestimmt an den Fake News aus Russland?
Susanne
4. Februar 2017 @ 12:29
Oh, Herr Bonse, das hat Alex nun als Antwort auf seinen Kommentar wirklich nicht verdient.
Ich empfehle Ihnen einen Kurzurlaub. Wandern, danach vor den Kamin, ein gepflegter Wein, ein gutes Buch, ein wenig jazz, ein Saunagang und ein leckeres Essen und richtig ausschlafen.
Was ist mit Ihnen los???? So kenne ich Sie gar nicht.
alex
4. Februar 2017 @ 20:15
@ebo: Es ist nicht Pech für Putin-Versteher, sondern in den allermeisten Fällen Pech für flüchtende und ganz normale Menschen, die wegen der US-Außenpolitik in ihrer Heimat nicht minder leiden müssen. Auf das “Glücksrad der Juristerei” (A. Dershowitz zu diesem Fall) sollte man sich nicht verlassen wollen, Trump ging in Berufung. Es gibt übrigens auch eine Gerichtsentscheidung in gleicher Sache, aber zu Gunsten Trumps (Massachusetts). Wenig Erfreuliches kommt da aus den USA – aber bei weiten das Unerfreulichste geschah unter Obama, der in der Silvesternacht 2012 ! (31.12.2011) einfach so Habeas Corpus abschaffte (NDAA – National Defense Authorisation Act), demnach jeder (Amerikaner oder Ausländer) vom US-Militär auf Verdacht hin und auf unbestimmte Zeit sowie ohne Gerichtsverfahren, Rechtsbeistand oder Berufungsmöglichkeit verhaftet und zu einen unbekannten Ort (auch ins Ausland) verschleppt werden darf. Ein Schritt zurück ins finstere Mittelalter und nebenbei auch eine Verletzung internationalen Rechts (Rom-Statuten). Wo blieb damals der Aufschrei der liberalen Linken in den USA oder ein Urteil dazu vom US-Supreme Court oder Demonstrationen dagegen in den USA oder weltweit? Für mich knüpft Trump (bedauerlicherweise) nahtlos an dem an, was bereits Obama (und Bush/Clinton) eingeleitet hatten, zahlreiche Einreisebanns inclusive. Noch eine interessante Info: der Patriot Act wurde 1995 von Joe Biden vorbereitet, viele Jahre vor 9/11. Da geht was mächtig schief in den USA, und nicht erst seit Trump. Was die EU betrifft: nach dem Brexit (die Engländer haben historisch vor dem EU-Beitritt immer gegen Kontinentaleuropa agiert – und selbiges erleben wir seit Brexit wieder, das erste Treffen Trumps mit Theresa May ist kein Zufall) und einer für Europa verheerenden deutschen Wirtschaftspolitik, ohne der Einsicht dies ändern zu müssen, wird die EU nicht überleben können.
Ironie der Geschichte: Unsere (die deutsche) Rolle in der EU ist die der von Trump (siehe GR/S/I) nicht unähnlich. Make Germany great again. Daß dabei Europa vor die Hunde geht (und wir letztendlich mit) ist in Berlin noch nicht angekommen.
Nichts für ungut,
alex
PS: wenn du Ferien brauchst – jederzeit Willkommen in meiner kleinen Finka in Istrien.
ebo
4. Februar 2017 @ 20:20
Danke für die Einladung, aber ich laufe langsam zu Höchstform auf
Oudejans
4. Februar 2017 @ 23:41
>>”um von anderen Belangen abzulenken.”
Naja, wohl auch um der eigenen Wählerschaft die Wahlversprechenserfüllung zu demonstrieren. Zuzüglich des Umstands, daß Trumpwähler sich anläßlich entsprechender Ankündigungen eher ans Gemächt greifen, während ein DNC-Präsident gleichgerichtete Maßnahmen am Abend eines Dreifachtriumphs Usain Bolts ins Vermischte mogeln würde.
Allerdings wäre ich nicht überzeugt, daß die Tatsache alleine zu einem solidariserenden Schulterschluß der US-Muslime führen würde, wohl aber ihre kontroverse, überschießende und letztlich korrekturbedürftige Umsetzung, durch die das Klischee der staatstragenden Medienhäuser perfekt erfüllt wurde.
Im Übrigen passen Sie bitte [auf sich] auf, daß Sie nicht als P-Kandidat shanghait werden – die Achse Paris-Brüssel-Amsterdam ist gerade ein wenig on edge. Im Notfall behaupten Sie, Sie hätten [Zeitpunkt] ihrer [Verwandschaftsgrad] einige Hunderttausend leistungslos zugeschustert und sich so ihrer staatsbürgerlichen Integrität planvoll entäußert. Das sollte fürs erste reichen, und dann versuchen Sie, sich nach Calais durchzuschlagen.