Neoliberal ist jetzt sozial
Jetzt ist sie doch noch gekommen, die Sozial-Folgenabschätzung für das neue Griechenland-Programm. Kommissionschef Juncker hatte sie versprochen, aber bis zum Ja aus Berlin zurückgehalten.
Nun wird auch klar, warum: Die soziale Dimension der Krise in Griechenland wird nämlich komplett ignoriert. Austerität, Arbeitslose, Obdachlose, verzweifelte Rentner, Selbstmorde kommen in der Studie nicht vor.
Stattdessen allgemeine Erwägungen zur Nachhaltigkeit des Rentensystems und zur Bedeutung gesunder Finanzen. Diese seien die beste Garantie für ein funktionierendes Sozialsystem. Fazit der EU-Experten:
Taking all measures together, it is reasonable to conclude that if implemented fully and timely, the measures envisaged under the new ESM stability support programme will bring Greece back to stability and growth, in a financially and socially sustainable way. In so doing, the burden of adjustment is distributed as equitably and as fairly as possible across society, and adequately takes account of the most pressing social needs and challenges in Greece.
Das heißt nichts anderes, als das der neoliberale Kahlschlag die beste Sozialpolitik sein soll. Und das behauptet Juncker, der soziale Christdemokrat aus dem Steuerparadies Luxemburg… – Mehr zu Griechenland hier
S.B.
20. August 2015 @ 21:46
Junker hat doch gesagt: Wenn es ernst wird, muss man lügen. Da es schon seit 2008 in der EU äüßerst ernst geworden ist, lügt der Lügenbold eben die ganze Zeit. So auch in diesem Fall, wo aus “neoliberal” mal eben “sozial” wird.
Peter Nemschak
22. August 2015 @ 12:21
“Neoliberal” und “sozial” sind leere Schlagworte ebenso wie sozialliberal, wo von linken bis zu grünen Versatzstücken alles Platz hat.
Peter Nemschak
20. August 2015 @ 16:17
@ebo das wäre bei einem temporären Grexit möglich gewesen. Der Schuldenschnitt ist nur eine Frage der Zeit. Er wird rascher kommen als den Politikern der Gläubigerländer lieb ist. Allerdings würde ein Schuldenschnitt die soziale Lage der Griechen nicht verbessern. Der Schuldendienst besteht derzeit ohnedies nur aus sehr geringen Zinsaufwendungen, da es in den nächsten Jahren keine nennenswerten Kapitalfälligkeiten gibt. Für die griechischen Energiereserven unter dem Meer werden sich bestimmt private Investoren finden lassen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Die dafür notwendigen Beträge wären gewaltig und aus dem temporär eingestellten Zinsendienst nicht finanzierbar. Auch die Privatisierung der Flughäfen und anderer bisher staatlicher Unternehmen bedarf neben der Aufbringung der Kaufsumme sehr hoher Investitionen, um sie rentabel zu machen. Mit Krediten aus privaten und öffentlichen Quellen allein ist nicht geholfen, es bedarf risikotragenden Eigenkapitals, das national nicht in der benötigten Höhe aufgebracht werden kann und auf internationale Investoren angewiesen ist.
rote_pille
20. August 2015 @ 15:37
Es gibt keinen neoliberalen Kahlschlag, es muss nur das nachgehungert werden was vorgefressen wurde. Liberaler ist das gr. System nicht geworden, sondern es ist ihm das Geld anderer Leute ausgegangen.
Carlos
20. August 2015 @ 16:40
Nee, liberal im Sinne von freiheitlich gewiss nicht. Man kann nur hoffen, daß die Griechen die neoliberale Agenda nicht schlucken werden, wie so manch Einer hier. An Deinem menschenverachtenden Kommentar kann man sehr gut sehen, wie weit Entmenschlichung gehen kann. Empathie? Menschenverstand? Fehlanzeige. Nur das Nachplappern von systemkonformen Floskeln. Bleibt die Frage, warum Du ausgerechnet hier kommentieren musst, bei BILD und Co. wärst Du in jedem Fall unter Deinesgleichen.
Peter Nemschak
20. August 2015 @ 14:59
Fairerweise müsste man einen Sozialvergleich unter Einbeziehung aller EU-Länder anstellen, um die relative Position Griechenlands innerhalb der EU sichtbar zu machen. Es ist eine Illusion zu glauben, dass es angesichts der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaften überall in der EU die gleichen Sozialstandards geben kann. Auch ein Land, das Auflagen der Gläubiger erfüllen muss, hat durchaus die Möglichkeit intern umzuverteilen. In diesem Zusammenhang wäre ein Vergleich der Einkommens- und Vermögensverteilung Griechenlands mit der der anderen EU-Mitglieder hilfreich.
ebo
20. August 2015 @ 15:25
Nö, müsste man nicht. Es geht um die sozialen Folgen des 3. Programms. Und die werden schöngeredet, bzw. nicht einmal wirklich abgeschätzt.
Peter Nemschak
20. August 2015 @ 15:41
Muss man schon. Ein Reformprogramm ist kein Wohlstandsverteilungsprogramm sondern soll die Voraussetzungen schaffen, auf die aufbauend eine Gesellschaft langfristig Wohlstand schaffen kann. Traditionell war Griechenland im europäischen Vergleich historisch ein armes Land mit großen Einkommens- und Vermögensunterschieden. Dies wird auch die EU nicht ändern können, wenn Griechenland sein Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell nicht grundlegend verändert. Auf der einen Seite will die Mehrheit der Griechen im Euro bleiben, allerdings ohne die auf längere Zeit sozial unangenehmen Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Die EU als Staatenbund ist keine Wohlstandsumverteilungsmaschinerie mit einem Rechtsanspruch auf soziale Gleichstellung aller Bürger. Diese Vision ist ein politisch nicht durchsetzbares Minderheitenprogramm utopischer Sozialisten fernab vom sozialdemokratischen Mainstream.
ebo
20. August 2015 @ 15:51
Besser wäre es gewesen, einen Schuldenschnitt zu machen (IWF), den Schuldendienst bis zur wirtschaftlichen Erholung einzustellen und einen Bruchteil der 86 Mrd. in ein Programm zur Modernisierung des Energiesektors und der öffentlichen Verwaltung zu stecken. DAS würde GR helfen, und sozial wäre es auch.