Was nach der Wahl kommt
Gleich nach der Bundestagswahl wird Berlin einige “rote Linien” räumen müssen. Neben der umstrittenen Abwicklung von Pleitebanken muss die neue Regierung wohl auch neue Euro-Hilfen bewilligen. Der Wähler soll davon nichts wissen – ein Blick in die (gar nicht so geheime) EU-Agenda.
„Vielleicht sieht die Welt in anderthalb Wochen schon ganz anders aus“. Mit diesen Worten hat Eurogruppenchef Dijsselbloem in Vlinius die Erwartungen seiner Kollegen zusammengefasst.
Finanzminister Schäuble oder sein Nachfolger soll nach der Wahl den Widerstand gegen die gemeinsame Abwicklung von Pleitebanken aufgeben. Angeblich liegt in Berlin schon ein Kompromissvorschlag.
Doch dies ist nicht die einzige Kröte, die die neue Regierung schlucken muss. Auf der Brüsseler Agenda stehen im Herbst eine ganze Reihe unangenehme Themen:
- Reform der Eurozone: Im Dezember 2012 hatte Kanzlerin Merkel den “Masterplan” der EU- und Euro-Präsidenten in die Schublade verbannt. Nach der Wahl wird er wieder zum Thema – Eurobonds inclusive.
- Euro-Budget: Auch die “financial facility”, die Merkel selbst ins Gespräch gebracht hatte, kommt wieder auf die Agenda. Schon beim EU-Gipfel im Oktober will Frankreichs Präsident Hollande Druck machen – und eine Euro-Arbeitslosenhilfe fordern.
- Wettbewerbspakt: Das Lieblingsprojekt von Kanzlerin Merkel ging im Frühjahr baden – es fand nicht genug Unterstützer. Nun soll es ebenfalls im Oktober wieder auftauchen, als Gegenentwurf zu Hollandes Budgetplänen.
- Budgetkontrolle: Im November wird es ein Sondertreffen der Eurogruppe zur Budgetplanung geben. Als Basis dient der neue “Two Pack”, den die EU im Frühsommer durchwinkte. Vor allem Frankreich droht Ärger, weil es die Sparvorgaben verfehlt.
- Bankenunion: Bis zum Jahresende, also vermutlich beim Dezember-Gipfel, sollen Beschlüsse fallen. Berlin soll die gemeinsame Abwicklung zu Pleite-Instituten zulassen, außerdem geht es um eine Einlagen-Sicherung.
Und das ist nur die offizielle Brüsseler Agenda. Daneben gibt es noch die inoffizielle – mit neuen Hilfsplänen für Griechenland, Portugal und Irland und einem weiteren – dem sechsten – Bailout, diesmal in Slowenien.
Was, von all dem haben Sie noch nie etwas gehört? Woran kann das wohl liegen? Vielleicht an der umfassenden und transparenten Informationspolitik der scheidenden Regierung?
Siehe zu diesem Thema auch: “Die Rechnung kommt nach der Wahl”
Tilo
16. September 2013 @ 13:02
Ich habe den Eindruck, einige Kommentatoren leben in einem anderen Universum.
malocher
16. September 2013 @ 18:44
Tilo da muss ich Ihnen zustimmen. Die meinen doch tatsächlich in der BRD
geht alles mit rechten Dingen zu und unsere Politiker wissen schon was sie tun.
GS
16. September 2013 @ 11:25
Bei der Liste wünscht man sich fast, dass jede Woche Bundestagswahl wäre.
Aber ich stimme zu, es werden sich wohl jede Menge Pläne angesammelt haben, nachdem in letzter Zeit an der Euro-Reform-Front faktisch überhaupt nichts mehr gesagt wurde. Das macht mir Angst.
Buchfink
16. September 2013 @ 10:49
Hallo,
Ich denke sie machen sowiso alles gegen das Volk.
Sie wollen ihren Plan durchsetzen den sie bekommen haben.
Es geht nur um die Verelendung und Verarmung der Massen.
Schaut nach Griechenland, Spanien usw. ist da alles gut.
Hilf dir selbst wer seine Stimme abgibt kann nicht mehr mitreden.
Grüße
ebo
16. September 2013 @ 10:48
Völlig richtig, diese Agenda ist nicht “alternativlos”, sie kann von einer neuen Bundesregierung durchaus noch umgeworfen werden. Das Problem ist jedoch, dass weder Merkel noch Steinbrück erkennen lassen, was IHRE EU-Agenda ist bzw. sein wird. Sie zeigen eben keine Alternativen auf, sondern versuchen – dies gilt vor allem für Merkel – das Wahlvolk einzuschläfern und von der weiter schwelenden Eurokrise abzulenken. Dass es auch anders geht, hat vor einem Jahr Frankreich gezeigt: Der damalige Kandidat Hollande hat klar Farbe bekannt und die EU-Agenda nach seiner Wahl geprägt. Allerdings konnte er sich kaum gegen Merkel durchsetzen. Sie ist es, die alles “alternativlos” macht…
Michael Betsch
16. September 2013 @ 14:22
Aber niemand hat Hollande gezwungen, den “Fiskalpakt” unverändert ratifizieren zu lassen, obwohl er die Forderung nach einschneidenden Änderungen daran zu einem wichtigen Punkt seines Wahlkampfs gemacht hat.
ebo
16. September 2013 @ 14:27
Soso. War Merkel denn zu Änderungen bereit? Das wäre mir neu. Hollande musste schlucken, was Merkozy ausbaldowert und in einer Nachtsitzung, unter Umgehung des EU-Vertrages und Großbritanniens, durchgeboxt hatten.
Michael Betsch
16. September 2013 @ 08:10
Ist es nicht generell problematisch, über politische Entscheidungen so zu schreiben, als ob sie vorherbestimmt, “alternativlos” o.ä. seien, wie zum Teil in obigem Beitrag? Letztlich wäre das für Wahlberechtigte ein Anlass, entweder: a) nicht zu wählen, weil es eh nichts ändert, oder b) irgendeine Protestliste zu wählen, um die da oben wenigstens zu ärgern. Wenn suggeriert wird, nach der Wahl würden diese und jene Beschlüsse so oder so getroffen, dürfte das (in anderem Kontext) gutes Wahlkampfmaterial für die AfD sein. Wollen Sie für die Werbung machen?
Ich meine übrigens, dass der oft geäußerte Vorwurf, in der EU seien alle Entscheidungen wegen der deutschen Bundestagswahl vertagt, nicht nur gegen Deutschland gewendet werden darf. Denn niemand hindert die anderen Regierungen daran, Klartext zu reden oder Forderungen zu stellen. Man hat bei manchen aber den Eindruck, sie hätten zu lange auf einen Regierungswechsel spekuliert, und dabei unter anderem nicht bedacht, dass eine SPD-Regierung sich nicht so sehr anders verhalten würde.
Schließlich eine Frage: Was würde wohl herauskommen, wenn der Wahlkampf wirklich EU-Themen im Zentrum hätte, also z.B. die SPD vollständig die Forderung der sozialistischen französischen Regierung nach Vergemeinschaftung der Staatsschulden des Euroraums vertreten würde und Merkel dies konsequent ablehnen würde?
Pessimist
16. September 2013 @ 11:26
Was würde wohl herauskommen, wenn der Wahlkampf wirklich EU-Themen im Zentrum hätte.Wenn man dem Deutschen Volk nun endlich die Warheit sagen würde,würde ich mal behaupten es gibt dann keine EU mehr.
Und was ist so schlecht daran , eine Partei zu erwähnen die im Wahlkampf teilweise die Warheit über Europa sagt.
Es gibt nichts schlimmeres wie die Altparteien CDU,FDP,SPD,GRÜNE die im Wahlkampf irgendwelche sinnlosen Versprechen abgeben, die Sie später sowie so nicht umsetzen wollen oder können.
Und aus Ökonomischer Sicht wird der Euroraum auseinander fallen.
Weil es anders gar nicht funktionieren kann.
Oder wollen Sie eine Veralgemeinerung der Schulden im Euroraum.
Ich auf gar keinen Fall.
Denn dieses hiese nichts anderes als noch mehr Arbeitlose im Euroraum,und eine weitere verelendung Ihrer Bürger.
Mira
16. September 2013 @ 08:09
Ebo, das alles kann man eig schnell abhaken.
Eurobonds: wird’s nicht geben.
Euroarbeitslosenhilfe: wie soll das gehen, unter welchem institutionellen Rahmen soll das bitte funktionieren?
Wettbewerbspakt im Tausch für hochtrabende Ausgabepläne, auch als “Investitionen” getarnt, wird’s nicht geben.
Bankenunion: wird vermutlich anders aussehen, als es dir und vielen Europagroßstrategen lieb ist. Und später kommen wird sie auch.
Gruß