Was nach der Wahl kommt (II)
Die Wahl ist gelaufen, nun will die EU von Deutschland wieder Taten sehen. Neben der umstrittenen Abwicklung von Pleitebanken muss die neue Regierung wohl auch neue Euro-Hilfen bewilligen. Außer Griechenland warten Portugal, Slowenien und Irland auf Unterstützung.
Die Wahllokale waren noch nicht geschlossen, da markierte Finanzminister Schäuble mal wieder den harten Mann. Eine Aufweichung der Defizit-Berechnung, wie in Brüssel diskutiert, werde es mit Berlin nicht geben.
Mag sein, dass es dabei bleibt, doch in vielen anderen Fragen wird die neue Regierung die von Schäuble und Kanzlerin Merkel gesetzten „roten Linien“ aufgeben müssen.
Dies gilt nicht nur für Griechenland, wo ein drittes Hilfsprogramm wartet. Schon das aktuelle, zweite Programm läuft aus dem Ruder, wie man in Brüssel hört (aber in Berlin verschwieg).
Es gilt auch für Slowenien, wo es ohne Hilfe aus dem Euro-Rettungsfonds wohl kaum gehen wird. Zudem denkt Portugal über einen Antrag für ein zweites Hilfsprogramm nach.
Aber auch Irland dürfte Finanzspritzen brauchen, wenn es – wie geplant – Ende des Jahres den Rettungsschirm verlassen will. Schon im Dezember könnte die „Überbrückung“ fällig werden.
Doch dies sind nicht die einzigen Kröten, die die neue Regierung in Berlin schlucken muss. Auf der Brüsseler Agenda stehen im Herbst eine ganze Reihe unangenehme Themen:
- Reform der Eurozone: Im Dezember 2012 hatte Kanzlerin Merkel den „Masterplan“ der EU- und Euro-Präsidenten in die Schublade verbannt. Nach der Wahl wird er wieder zum Thema – Eurobonds inclusive.
- Euro-Budget: Auch die „financial facility“, die Merkel selbst ins Gespräch gebracht hatte, kommt wieder auf die Agenda. Schon beim EU-Gipfel im Oktober will Frankreichs Präsident Hollande Druck machen – und eine Euro-Arbeitslosenhilfe fordern.
- Wettbewerbspakt: Das Lieblingsprojekt von Kanzlerin Merkel ging im Frühjahr baden – es fand nicht genug Unterstützer. Nun soll es ebenfalls im Oktober wieder auftauchen, als Gegenentwurf zu Hollandes Budgetplänen.
- Budgetkontrolle: Im November wird es ein Sondertreffen der Eurogruppe zur Budgetplanung geben. Als Basis dient der neue „Two Pack“, den die EU im Frühsommer durchwinkte. Vor allem Frankreich droht Ärger, weil es die Sparvorgaben verfehlt.
- Bankenunion: Bis zum Jahresende, also vermutlich beim Dezember-Gipfel, sollen Beschlüsse fallen. Berlin soll die gemeinsame Abwicklung zu Pleite-Instituten zulassen, außerdem geht es um eine Einlagen-Sicherung.
Für die Leser dieses Blog ist das nichts Neues; einen Teil dieser Agenda hatte ich schon vor einer Woche präsentiert („Was nach der Wahl kommt“, Teil1). Doch die meisten Wähler dürften aus allen Wolken fallen…
AntiTerrorist
23. September 2013 @ 13:50
Honecker’s Rache. CDU-Wähler – Vollidiot.
Nun kann der neoliberale Schissmus ungehindert wüten.
Peter
23. September 2013 @ 10:01
Am Wahlergebnis konnte man erkennen was ein Teil der Bevölkerung von den Rettungspaketen hält. Ich bin mir nicht sicher ob es der richtige Weg ist, aber zumindest vertrauen die Menschen Angela Merkel. Hoffen wir mal das es die richtige Entscheidung war. Ich bin vor allem gespannt wie die Koalitionsverhandlungen ausgehen.
Michael
23. September 2013 @ 09:40
@ebo:
Ich weiß, dass unser Staat parlamentarisch verfasst ist, und habe deshalb ja auch formuliert, dass von bestimmten Vorhaben eine Mehrheit der deutschen Politiker (in der Praxis Bundestagsabgeordneten) oder womöglich [falls entweder der Bundestag oder dasVerfassungsgericht es für nötig halten sollte] der abstimmenden Bürger überzeugt werden müssten. In der Praxis genügt selbstverständlich z.Zt. der Bundestag. Aber auch der hat ja nie Zuschüsse bewilligt, sondern immer Kredite; und vor der Wahl hat auch Steinbrück sich gegen eine Schuldenschnitt bei Griechenland ausgesprochen. [Solange griechische Regierungschefs behaupten, ihr Land werde alles zurückzahlen, kann man auch über keinen Schuldenschnitt verhandeln; der erste Schritt ist eben immer die Erklärung des Schuldners, dass er soviel nicht zahlen kann.]
Allerdings hängen unsere Abgeordneten von der Bereitschaft der Wähler ab, sie zu wählen. Die Änderung der Arbeitslosenhilfe (vulgo: Hartz IV) hat die dafür verantwortliche Partei, die SPD, auf Dauer katastrophal geschwächt; wie würden wohl dieselben deutschen Wähler auf eine Europäisierung der Arbeitslosenversicherung reagieren? Welche Partei würde dafür eintreten wollen? Würde die SPD sich trauen, so etwas ihren proletarischen Stammwählern im Ruhrgebiet vorzusetzen?
Und wie gesagt: Was die Verträge nicht hergeben, kann noch so oft im Europäischen Parlament, im Rat oder vom französischen Präsidenten gefordert werden, ohne die Zustimmung des deutschen Bundestages (oder ggf. der deutschen Bürger) kommt es nicht dazu.
Andres Müller
22. September 2013 @ 21:12
Was nach den Deutschen Wahlen kommt?
„Außer Griechenland warten Portugal, Slowenien und Irland auf Unterstützung.“
Leider ist es nicht möglich diesen Support langfristig ohne Schuldenschnitt zu lösen, aus meiner Sicht. Diese Länder können ihre Schulden nie und nimmer jemals zurückzahlen.
Es wird wohl wenige Wochen relativ ruhig bleiben, doch dann wird die gärende Suppe immer mehr zu riechen beginnen. Frau Merkel wird kaum lange Zeit finden um Sektkorken knallen zu lassen.
«Reden wir Klartext: Das Geld ist futsch» ( Deutschland muss Milliarden zahlen und den Kurs ändern)
http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/konjunktur/Reden-wir-Klartext-Das-Geld-ist-futsch/story/31631333
Hinzu werden die Diskussionen um die Staatsverschuldung der USA hinzukommen, wo die Republikaner inzwischen jegliche Vernunft verloren zu haben scheinen. Die Reps wollen 25 Millionen US-Amerikanern die letzte Hilfe kappen die sie noch haben, die Lebensmittel -Coupons.
In Europa und den USA wird es wohl den Ärmsten noch mehr an den Kragen gehen als bisher, aber ich weiss nicht ob die Reichen dabei noch lange Zeit haben in Jubel zu verfallen.
Noch eine persönliche Anmerkung: Was nun kommt, dafür sind die Deutschen Wähler mit verantwortlich, ein Jammern will ich da nicht mehr hören wollen wenn die Menschen zur Kasse gebeten werden und Deutschlands Binnenstruktur weiter auseinander fällt dabei.
GS
23. September 2013 @ 00:01
Wer nicht die Parteien, die für die Misere verantwortlich sind, gewählt hat, darf auch jammern und kritisieren. Also mal nicht hier alle über einen Kamm scheren.
Aber ebo darf sich jetzt freuen. Wenn Olle Asmussen als Finanzminister kommt, werden doch seine Träume wahr.
thewisemansfear
23. September 2013 @ 18:10
Danke für den Link. Jetzt bräuchten wir nur noch eine Riesen-Portion Einsicht, die man all den starrköpfigen Ignoranten eintrichtern muss 😉
Allerdings bleibt der Wolf im Schafspelz doch ein Wolf (als Unternehmensberater kann er halt nicht aus seiner Haut), denn auf die Frage, wer denn alles zur Kasse gebeten wird, kommt: „Alle. Die Reichen und die Unternehmen müssen mehr Steuern bezahlen, die Armen auf einen Teil ihrer Sozialleistungen verzichten.“
Auf diesen Verteilkampf dürfen wir gespannt sein.
Johannes
22. September 2013 @ 19:01
Mich würde interessieren, ob Ebo und die Menschen in Brüssel die Warnung von uns Bürgern verstanden haben. Wen ich diesen Bericht lese, bin ich fast davon überzeugt, dass Ebo und Brüssel die eindrückliche Warnung nicht verstanden haben in Form der AfD. Aber vielleicht irre ich mich, ich bin wirklich gespannt.
ebo
22. September 2013 @ 22:15
Was denn für eine Warnung? Die Hälfte der Bürger hat Merkel gewählt, die andere Hälfte nicht. Die heillose „Rettung“ hat CDU/CSU einen völlig unerwarteten Stimmenzuwachs gebracht. Die AfD schwächt die FDP, aus dem wirtschaftliberalen wird ein nationalliberaler Flügel, der aber wohl nicht einmal in den Bundestag einzieht. Selbst Schuld, deutscher Michel, wenn nun alles weitergeht wie gehabt!
Michael
23. September 2013 @ 08:34
Wenn die Stimmen für CDU/CSU, FDP und AfD zusammengezählt werden, interpretiert als Stimmen für Parteien, die eindeutig gegen deutsche Transferleistungen sind, komme ich auf 51-52%; wenn ich SPD und Grüne als diejenigen ansehe, die für deutsche Transferleistungen sowie für Steuererhöhungen eintreten, und ihre Stimmen addiere, komme ich auf 34-35% (je nach angenommenen Zahlen). (Bei den Linken bin ich dagegen nicht sicher, ob sie bereit wären, die von kleinen Arbeitern gezahlten Steuern in Bankenrettungen zu investieren). Also wenn es um die Bereitschaft Deutschlands zu Transferleistungen geht: die lässt sich aus dem Wahlergebnis nicht herauslesen. Und gar für eine Idee wie eine gesamteuropäische Arbeitslosenversicherung einzutreten, wäre für jede Partei, die dies in Deutschland täte, der politische Selbstmord.
Da die geltenden Verträge weder eine Vergemeinschaftung der Staatsschulden noch eine gesamteuropäische Sozialversicherung hergeben (beides Hollande’sche Lieblingsprojekte), könnten solche Entscheidungen weder durch eine Mehrheit im Europäischen Parlament und im Rat noch durch angebliche Sachzwänge herbeigeführt werden; von ihnen müsste vielmehr eine Mehrheit der deutschen Politiker oder möglicherweise sogar der in einem Referendum abstimmenden Bürger überzeugt werden.
ebo
23. September 2013 @ 08:43
Zähl doch mal die Sitze im Bundestag. Dann kommst du auf ganz andere Ergebnisse. Wir leben immer noch in einer parlamentarischen Demokratie. Volksabstimmungen, die Deine Rechnung bestätigen könnten, haben Merkel & Schäuble verhindert.
Nein, das Problem ist ganz anders gelagert: es geht darum, dass wir es mit einer verselbständigten europäischen „Elite“ zu tun haben, die sich längst vom Demos abgekoppelt hat – in Griechenland genau wie in Deutschland.
GS
23. September 2013 @ 11:13
@ebo
Dennoch muss man das insgesamt erstaunt zur Kenntnis nehmen. Erstmals seit 1990 hat das „bürgerliche“ Lager tatsächlich mehr als 50 % der Stimmen erhalten, mit einer für es allerdings unglücklichen Verteilung auf die Parteien. Am Ende haben aber bspw. der FDP nur 0,2 % der Stimmen gefehlt um dies auch wieder in eine Mandatemehrheit umzuwandeln. Bisher schien die Mehrheit strukturell links zu stehen. Ich denke, das wird den ein oder anderen Parteistrategen noch beschäftigen, ob das jetzige Stimmenergebnis nur ein Ausrutscher war, oder ob sich da auf Bundesebene eine Verschiebung anbahnt.
Interessant finde ich jetzt auch die Debatte über die 5%-Hürde. Gut 15 % der Wähler haben ihre Zweitstimme umsonst abgeben. Das ist ein hoher Wert. Die Union stünde mit einem halben Prozent mehr, aber dann auch nur 42 %, bei der absoluten Mehrheit der Mandate. Das sind eigentlich Ergebnisse, die man nur von Ländern mit Mehrheitswahlrecht gewohnt ist und die Repräsentativität unseres Wahlsystems deutlich reduziert.