Moskau schlagen, Peking schonen

Heute findet ein EU-China-Gipfel in Brüssel statt, doch die Öffentlichkeit bleibt außen vor. Weil Premier Wen Jiabao Forderungen gestellt habe, „die nicht unseren Vorstellungen von Pressefreiheit entsprechen“, hat die EU-Kommisson den üblichen Presseterminnach Angaben der „Süddeutschen Zeitung“ kurzerhand abgesagt. Auch sonst kommt man den Chinesen weit entgegen – ganz anders als den Russen.

So wurde der Streit um Dumpingpreise bei chinesischen Solarpaneelen diskret vertagt. Er soll nach Angaben der „SZ“ geräuschlos in der Welthandelsorganisation in Genf ausgetragen werden, und nicht mit viel Tamtam in Brüssel. Offenbar folgt Kommissionschef Barroso damit Kanzlerin Merkel, die bei ihrem pompösen – und für Journalisten durchaus zugänglichen – Regierungsbesuch in Peking Ende August gefordert hatte, den Streit politisch beizulegen.

Auch ein drohendes EU-Verfahren gegen zwei chinesische Telekomfirmen wurde zurückgestellt. Man habe noch nicht genug Beweise, erklärte Handelskommissar De Gucht nach Angaben der britischen „FT“. Dabei ist der Telekom-Fall strategisch noch wichtiger als der Streit um die Solaranlagen. Und schon im Mai hatte De Gucht, folgt man der „FT“, gegenüber Journalisten erklärt, dass er Beweise in der Hand halte. Doch Deutschland habe auch in diesem Fall gebremst.

Es drängt sich also der Verdacht auf, dass die EU das Regime in Peking schonen möchte. Deutsche Exportinteressen (Deutschland ist das einzige EU-Land mit Handelsüberschuss) dürften dabei ebenso eine Rolle spielen wie die Hoffnung, dass China der kriselnden Eurozone beisteht und zum Beispiel Anleihen des Rettungsfonds ESM kauft. Womöglich möchte man es sich auch nicht gleichzeitig mit China und Russland verderben – denn das Verhältnis zwischen Brüssel und Moskau ist auf einem Tiefpunkt.

Gerade erst hat die EU-Kommission ein Kartellverfahren gegen den russischen Energieriesen Gazprom eingeleitet und sich damit den Zorn von Staatschef Putin zugezogen. Die EU wolle nur von der Eurokrise ablenken, schimpfte Putin. Zudem streitet Brüssel mit Moskau über die Meinungsfreiheit (Stichwort „Pussy riot“) und über die Syrien-Politik – Russland unterstützt den syrischen Machthaber Assad, die EU möchte ihn so schnell wie möglich loswerden.

Meinungsfreiheit und Syrien-Politik sind zwar auch wichtige Streitpunkte im Verhältnis zu China. Doch darüber möchte man in Brüssel lieber nicht reden. Schon gar nicht öffentlich. Ich bin gespannt auf das Presseecho…