Kein Wort zur Rubel-Krise (II)
Ein Zitat geht um die Welt: “Die Sanktionen sind aus bestimmten Gründen verhängt worden. Sie können auch nur durch Wegfall dieser Gründe wieder aufgelöst werden”, wird Kanzlerin Merkel zitiert.
Sie hatte diese Worte bei der Pressekonferenz nach dem EU-Gipfel gesagt, so viel ist richtig. Allerdings verschweigen die meisten Medien den Kontext. Merkel antwortete nämlich auf eine konkrete Frage.
Und in dieser Frage ging es darum, ob die Kanzlerin sich wegen der Rubel-Krise in Russland Sorgen mache. Darauf antwortete Merkel mit diesem Zitat – und nur mit diesem Zitat.
Kein Wort des Bedauerns über die Krise in Russland, keine Sorge über die Folgen für Europa, nichts. Das Zitat erhält damit einen anderen, aus meiner Sicht erschreckenden Sinn.
Es heißt nämlich nicht nur, dass Merkel auf der Wiedergabe der Krim besteht – das könnte Jahre oder Jahrzehnte dauern. Es legt auch nahe, dass Russland eben so lange leiden muss. War die Rubel-Krise erst der Anfang?
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Peter Nemschak
20. Dezember 2014 @ 07:44
Kollektivstrafen? Man kann es auch anders sehen. Unbeabsichtigte, aber unvermeidbare Kollateralschäden von Sanktionen. Merkel betreibt Realpolitik, dieser Blog moralisierende, etwas weltfremde linke Polemik – zwei verschiedene Welten.
ebo
20. Dezember 2014 @ 12:33
Sie sind doch Österreicher, Herr Nemschak. Lesen Sie doch einfach, was Ihr Herr Faymann zu den Sanktionen sagt – heute hat er es in der “Süddeutschen” auf Seite 1 gebracht…
Peter Nemschak
21. Dezember 2014 @ 15:21
Ganze 2.5 % des österreichischen Außenhandels sind mit Russland. Hinter der Sympathie von extrem rechten aber auch linken Kreisen für Putin und mehr oder minder offenem Antiamerikanismus verbirgt sich im Grunde die Ablehnung einer liberalen Weltordnung und tiefes Unbehagen über unsere globalisierte Welt, eine fast biedermeierliche Sehnsucht nach der Geborgenheit der “guten alten Zeit”. Russlands autoritäres Gesellschaftsmodell ist doch keine Alternative für uns, oder? Für mich stellt sich vielmehr die Frage, ist Europa gezwungen, entweder Juniorpartner der USA oder Vasallenstaat von Russland zu werden oder stark genug, den Großen (inklusive China) auf politischer und militärischer Ebene auf Augenhöhe zu begegnen. Ohne europäischen Bundesstaat, der in weiter Ferne liegt, halte ich letzteres für unrealistisch. Zu unterschiedlich sind die historischen Erfahrungen der Europäer mit Russland, um eine glaubwürdige gemeinsame Linie aufzubauen, zu einfach ist es für Russland, ein Land gegen das andere auszuspielen. Humanitäre Erwägungen haben im geopolitischen Kräfteringen kein Gewicht. Am Hegemonialanspruch der USA hat sich, auch wenn er weniger religiös als unter den Neocons daher kommt, unter Obama nichts geändert. Allerdings sollte Europa als Juniorpartner der USA überlegen, seinen Preis für die nicht ganz risikolose Gefolgschaft neu festzusetzen. Was die Verschärfung der Sanktionen betrifft, sollte Europa derzeit den USA den Vortritt lassen, ohne die eigenen vorläufig zurückzunehmen. Es gilt, einen, wenn auch begrenzten, Handlungsspielraum zu schaffen.
Nemschak
19. Dezember 2014 @ 16:48
Ob die Krim wieder von Russland herausgegeben werden muss, bevor die Sanktionen aufgehoben werden können, lese ich aus der Aussage Merkels nicht heraus. Das Leiden Russlands ist im übrigen nicht nur auf die Sanktionen des Westens zurückzuführen und kein Grund die Sanktionen aufzuheben, solange Russland die territoriale Integrität der Ukraine nicht akzeptiert und die Unterstützung der Separatisten einstellt. Dass Sanktionen eines Landes gegenüber einem anderen Land nicht nur dessen Regierung sondern auch die Bevölkerung beider Länder in unterschiedlichem Ausmaß treffen ist nicht neu, aber unvermeidliche Nebenwirkung machtpolitischen Handelns. Der Vorwurf an Merkel erscheint mit daher etwas realitäts- bzw. weltfremd.
DerDicke
19. Dezember 2014 @ 17:32
Syrien wird gerade vom Westen nach Belieben aufgeteilt und jeder der mag darf irgendwas bombardieren, auch die Israelis wenn sie gerade mal Lust drauf haben. Trotz massiver Unterstützung obskurer “Oppositionsgruppen”, die sich im Nachhinein als terroristische Vereinigungen entpuppen hat Assad genug Rückhalt in seinem Volk um noch genug Soldaten in seiner Armee zu haben um einen Großteil des Landes zu halten. Sollte Assad tatsächlich irgendwann “beseitigt” werden haben wir automatisch den nächsten failed State, der zur Brutkammer des Terrorismus wird, inklusive Christenverfolgung und -ermordung (Haben wir jetzt schon in den *hust* “befreiten Gebieten”). Und WIR fragen uns jetzt, wo die ganzen syrischen Flüchtlinge nur hinsollen – ich wäre für die Unterbringung im Schloss Bellevue, im Reichstag und in den Privatwohnungen aller Abgeordneten die für den Syrieneinsatz sind.
Anmerkung: Syrien ist mehrere Tausend Kilometer von den USA und Europa entfernt.
Mit welchem Recht maßen wir uns an zu Entscheiden, ob die Krim (die bis vor kurzem Ur-Russisches Territorium war ehe sie dem Bruderstaat Ukraine geschenkt wurde) zu Russland oder zur Ukraine gehört? Es gab eine Abstimmung, die Mehrheit war für einen Anschluss an Russland.
Anmerkung: die Ukrainische Grenze ist von der russischen 0 km entfernt.
ebo
19. Dezember 2014 @ 18:19
Darf ich daran erinnern, dass die Sanktionen damit begründet wurden, Russland solle damit an den Verhandlungstisch gebracht werden? Doch mittlerweile legen es Obama, Cameron, Merkel & Co. immer mehr darauf an, Putin die “Kosten” seiner Politik “spüren” zu lassen – d.h., es geht um eine Bestrafung. Kollektivstrafen gegen ein ganzes Land sind jedoch völkerrechtlich verboten und kontraproduktiv; selbst AA-Chef Steinmeier macht sich deswegen Sorgen. Siehe auch hier: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/russland-steinmeier-warnt-vor-schaerferen-sanktionen-a-1009491.html und hier: http://www.politico.com/story/2014/12/barack-obama-vladimir-putin-russian-economy-113626.html
DerDicke
19. Dezember 2014 @ 16:46
Die Russen haben Rohstoffe und einen Partner im Osten. Die Allianz gegen Russland ist – global betrachtet – verschwindend klein.
Wir sind auf Rohstoffe und Energie angewiesen. Russland kann in den nächsten Jahren seine verarbeitende Industrie mit Hilfe Chinas aufbauen und so von uns unabhängiger werden.
Wir lachen über den Verfall des Rubels und versuchen gleichzeitig, den Euro schwach zu reden. Was für ein Schmierentheater…