Merkel führt nicht mehr (II)

“Partner für eine Stabilitätskultur” – jetzt lässt sie ihn fallen

Deutschland drängt Spanien unter den Euro-Rettungsschirm. Das meldet der “Spiegel”, und die Bundesregierung hat es nicht dementiert. Sollte die Meldung, die wie ein klassischer Testballon aussieht, stimmen, wäre sie ein weiterer Beleg dafür, dass Kanzlerin Merkel die Kontrolle über das Krisenmanagement in der Eurozone entgleitet. Denn in Brüssel denkt man schon viel weiter; zudem geriete der Rettungsschirm mit Spanien selbst in eine gefährliche Schieflage.

Bisher hat Merkel ihrem konservativen spanischen Amtskollegen Rajoy ostentativ die Treue gehalten. Mindestens ein halbes Dutzend mal bekundete sie, dass sie volles Vertrauen in Rajoys Strategie aus brutalen Kürzungen (10 Mrd. in Gesundheit und Kultur) und halbherziger Bankenstützung (wie zuletzt bei Bankia) habe. Kein Wunder: Schließlich war diese Strategie ja mit Berlin abgestimmt; CDU-Fraktionschef Kauder reiste dafür Anfang April eigens nach Madrid.

Nach der Reise gab Kauder eine Erklärung ab, die aus heutiger Sicht ziemlich absurd wirkt: 

“Spanien ist mit den Reformen, die die Regierung unter Mariano Rajoy in ihren ersten hundert Tagen eingeleitet hat, auf dem richtigen Weg. In meinen Unterredungen habe ich einen hervorragenden Eindruck von der Entschlossenheit der Regierung bekommen, die Schuldenkrise zu bewältigen und die mit der EU vereinbarten Sparziele einzuhalten. Die Chancen, dass mit den Reformenmaßnahmen das Wachstum angekurbelt wird, sind gut. Die Reaktion der Märkte zeigt, dass sie neues Vertrauen in die Handlungsfähigkeit und den Handlungswillen Spaniens bekommen haben. Wir haben in Spanien einen Partner für eine Stabilitätskultur in Europa – das ist mir im Gespräch mit Ministerpräsident Rajoy deutlich geworden.” 

Doch nun, da sich die Schuldenkrise verschärft und die Bankenkrise außer Kontrolle gerät, lässt Merkel ihren Günstling wie eine heiße Kartoffel fallen. Laut “Spiegel” haben Merkel und Finanzminister Schäuble sich bereits Anfang letzter Woche auf die Linie verständigt, Spanien solle unter den Rettungsschirm – was mit massiven Sparauflagen verbunden wäre. Spanien droht damit dasselbe Schicksal wie Irland, das ebenfalls wegen einer Bankenkrise kapitulieren musste – und zwei Jahre später wohl einen zweiten “Rettungsplan” braucht.

Die deutsche Linie ist bisher jedoch nicht mehrheitsfähig. Rajoy wehrt sich mit Händen und Füssen gegen die von Merkel gewünschte Unterwerfung. Und die letzte Woche war in Brüssel von einer ganzen Reihe von Erklärungen geprägt, die in eine ganz andere Richtung als Merkel und Schäuble gehen. So fordern EU-Kommission und EZB eine Bankenunion sowie die Möglichkeit, Banken direkt aus dem Rettungsschirm zu stützenSo ließe sich eine Bankrotterklärung des spanischen Staates, der (noch) nicht überschuldet ist, vermeiden.

Die große Frage ist nun, wer sich durchsetzt: Deutschland oder Spanien plus EZB plus EU-Kommission. Berlin hat auch in diesem auf den ersten Blick aussichtslosen Konflikt gute Karten, da es jede unerwünschte Lösung mit einem Veto bzw. Zahlungsverweigerung blockieren kann. Doch wenn Merkel siegt, gerät der Rettungsschirm EFSF in eine Schieflage. Dann könnte er kein weiteres großes Land wie Italien mehr “retten” – was einer Einladung an die Märkte gleichkäme, auch diese letzte Linie zu “testen”.

Mein Fazit: Merkels Luftballon zeigt, dass sie ratlos ist und den Ereignissen verzwifelt hinterherhechelt. Die Kanzlerin führt nicht mehr – oder wenn, dann geradewegs ins Chaos. Ganz ähnlich sieht es übrigens Großinvestor Soros: Seiner Meinung nach bleiben der Eurozone nur noch drei Monate, um die Krise zu entschärfen. Doch er habe kaum noch Hoffnung, dass Deutschland diese Zeit nutze und wieder die Führung übernehme, sagte er am Samstag in Toronto..  

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