Absage an den Absolutismus
Nun hat er seine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung. Frankreichs Präsident Macron kann „durchregieren“ und „seine Hausaufgaben machen“. Doch eine Absolution ist das nicht.
Dafür war die Wahlenthaltung viel zu groß. Mit rund 56 Prozent machen die Nichtwähler in Frankreich nun die größte Gruppe aus. „La République en Marche“ hat nicht mobilisiert, sondern abgesahnt.
Macrons neue liberale Bewegung profitiert vor allem davon, dass die Altparteien in den Augen vieler Franzosen abgewirtschaftet haben – und dass viele Macron-Gegner schlicht resigniert haben.
Vor allem die jungen Franzosen sind den Wahlurnen fern geblieben. Auch viele Sozialisten haben die Hände in den Schoß gelegt. Nur der Linkspolitiker Mélenchon konnte seine Anhänger mobilisieren.
Seine Bewegung „La France Insoumise“ dürfte denn auch die entschiedenste Oppositionspartei werden. Die Sozialisten hingegen versinken in die Bedeutungslosigkeit – sie sind die eigentlichen Verlierer.
Die eigentlichen Gewinner gegenüber dem 1. Wahlgang sind die Republikaner, die sich besser als erwartet halten konnten. Frankreich rückt nach rechts – sogar FN-Führerin Le Pen zieht ins Parlament ein.
Was heißt das alles für die Europapolitik? Offenbar mobilisiert sie doch nicht so sehr, wie man in Berlin glauben (machen) will. Mit diesem (deutschen) Europa kann man Wahlen gewinnen, aber nicht begeistern.
Der monatelange Wahl-Marathon hat am Ende nicht den erhofften Aufbruch gebracht, sondern zu Enthaltung und Resignation geführt. Und Resignation kann in Frankreich schnell in Revolte umschlagen…
So oder so war diese Wahl eine Absage an den Absolutismus. Macron kann nicht wie ein Sonnenkönig über Frankreich herrschen, auch seine Reformen verstehen sich nicht (mehr) von selbst.
Siehe auch „Wollt Ihr den absoluten Macron?“
Winston
19. Juni 2017 @ 14:43
Fakt ist.
Will Frankreich nicht noch mehr an Wettbewerbsfähigkeit ggü Deutschland verlieren muss es intern abwerten. Da führt kein Weg vorbei, schätze um die 20%. Bis jetzt ist diesbezüglich überhaupt nix passiert in Frankreich. Und auch das französische Handelsdefizit ist nicht mehr tragbar. Bedingt durch den überbewerteten Euro sind die Französischen Produkte zu teuer und schwer absetzbar.
Sollte der Euro aufwerten, was er schon längst machen sollte, siehe Handelsüberschuss Euro-Zone verschlimmert sich die ganze Situation noch. Eine interne Abwertung in Frankreich ist das gleiche als ob man in einem Sprengstofflager Feuer legen würde. Das Problem ist, eine interne Abwertung löst zwar das Handelsbilanz Problem und verbessert die Wettbewerbsfähigkeit, auf der anderen Seite dämpft es die Binnennachfrage. Frankreich ist stark vom Binnenmarkt abhängig. Die Handelsbilanzüberschüsse der EZ werden sich weiter erhöhen was die Globalen Ungleichgewichte weiter verstärkt.
GS
19. Juni 2017 @ 13:58
Wir werden es sehen, ebo. Ich sehe es zwar ähnlich, dass die Legitimation der angekündigten Politik bei weitem nicht so stark ist wie es die 350 Sitze in der Nationalversammlung vermuten lassen, aber die 350 Sitze sind eben eine äußerst komfortable Mehrheit. Parlamentarisch sehe ich keine echte Opposition mehr, zumal ja von den Republikanern zu erwarten ist, dass sie im Grunde den Wirtschaftsreformen, die Macron will, gar nicht feindlich gegenüber stehen. Die Frage wird sein: Welche Macht hat „die Straße“? Wird dort mobilisiert werden und können die Reformen damit verwässert oder gar verhindert werden? Ich glaube es, um ehrlich zu sein, nicht, auch wenn die Lahmlegung des öffentlichen Lebens in der Vergangenheit in Frankreich schon öfter etwas bewirkt hat. Macron wirkt sehr entschlossen und bereit, die heißen Eisen unverzüglich anzupacken.
Gibt es denn schon Ankündigungen des öffentlichen Protests?
ebo
19. Juni 2017 @ 14:44
@GS Ja, aber nur vage. Ich denke, im September werden wir mehr wissen. Dann sind die Sommerferien vorbei und für Macron I. beginnt der Ernst des Lebens 😉
Peter Nemschak
19. Juni 2017 @ 09:21
Klar, Macron muss sich erst bewähren. An Widerstand wird es nicht mangeln. Gegner um jeden Preis wird er immer haben. Es gilt, die Unentschlossenen zu Befürwortern zu machen. Von Absolutismus kann in einer funktionierenden Demokratie wohl nicht die Rede sein. Erfreulich, dass die politischen Ränder bescheiden abgeschnitten haben.