“Mehr Europa” schlägt Frexit – noch
Die beiden französischen Präsidentschaftskandidaten Macron und Le Pen haben sich in der letzten TV-Debatte nichts geschenkt. Macron war zunächst in der Defensive, hatte am Ende aber die Nase vorn.
Le Pen gelang es zu Beginn, den parteilosen Jungstar vorzuführen. Sie machte ihn – wenig überraschend – für seine Zeit als Wirtschaftsminister unter Präsident Hollande haftbar – und für alle Probleme.
Zudem versuchte sie erneut, Macron als Kandidat Merkels zu diskreditieren. Er habe sich bei der Kanzlerin die Genehmigung für sein Programm geholt und sei von ihr abhängig, ätzte die FN-Führerin.
Doch Macron lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Er klingt zwar streckenweise wie die Kanzlerin : Wettbewerbsfähigkeit, Reformen, offene Märkte. Aber er setzt sich programmatisch auch von ihr ab.
Denn Macron plädiert für ein starkes, souveränes Europa, das Frankreich und seine Bürger schützt. Er will mehr Europa – und eine andere EU. Ohne Neustart werde die Union nicht überleben, warnt er.
Demgegenüber fordert Le Pen wieder den Frexit, den Bruch mit EU und Euro. Schon sechs Monate nach ihrer Wahl will sie ein Austritts-Referendum abhalten. Was das für die Wirtschaft bedeutet, sagt sie nicht.
Hier kann Macron erneut punkten. Er hakt nach und legt Le Pens wirtschaftspolitische Ahnungslosigkeit bloß. Zwar geht es danach wieder drunter und drüber. Doch unterm Strich hat Macron die Nase vorn.
Nach dem Fehlstart in der letzten Woche kann er die Stichwahl am Sonntag wohl doch noch souverän gewinnen – wenn nicht ein neuer Terroranschlag oder ein anderer Coup dazwischenkommt…
Macron fordert mehr Europa für mehr Schutz und mehr Souveränität, warum hören wir das in Deutschland nie? Starker Auftritt #LeDebat
— Eric B. (@LostinEU) May 3, 2017
Atir Kerroum
4. Mai 2017 @ 14:37
Ich kann mich an Zeiten erinnern, da war die Front National eine rechtsextreme Splitterpartei, die nicht mal von ihren Wählern ernst genommen wurde.
Wie es aussieht, werden am Sonntag 40 % der Wahlberechtigten für Le Pen stimmen.
Macron ist der Stimmungsaufheller für eine V. Republik auf der Intensivstation.
Peter Nemschak
4. Mai 2017 @ 05:57
Sind Souveränität und gleichzeitig mehr Europa nicht ein Widerspruch? Oder geht es um die Frage zu definieren, was die Nationalstaaten leisten können und müssen und was die supranationale EU? Selbst ein scheinbar so supranationales Thema wie Sicherheit lässt sich ohne nationalstaatliche Mitwirkung nicht lösen. Auch in einem Bundesstaat kommt es auf das Zusammenwirken von Bund und Ländern an, wie Erfahrungen mit der Terrorismusbekämpfung gezeigt haben.
ebo
4. Mai 2017 @ 09:09
@Nemschak Ganz im Gegenteil: Mehr Europa im Sinne von mehr Solidarität und Schutz ist Voraussetzung von mehr Souveränität. Wir haben es in der Flüchtlingskrise gesehen: Die offenen Grenzen haben die Souveränität der EU-Staaten untergraben, der freie Markt hat uns nicht geschützt, sondern Hunderttausende angezogen. Nur wenn die EU die Mittel bekommt, sich souverän zu zeigen – auch gegenüber den USA, Russland, der Türkei, oder gegenüber den Finanzmärkten – kann die aktuelle Krise überwunden werden.